Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Bereits in unserem Blog vom Juni 2020 haben wir uns mit der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht im Zuge der Corona-Pandemie beschäftigt und darauf hingewiesen, wie wichtig es ist frühzeitig die Weichen zwischen der Einleitung eines Insolvenzverfahrens ggf. in Eigenverwaltung oder Sanierung und Restrukturierung zu stellen und als Geschäftsführer zur Haftungsvermeidung die Insolvenzgründe laufend im Blick zu haben. Das Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht war für den 30.09.2020 vorgesehen. Allerdings will Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Insolvenzantragspflicht noch bis Ende März 2021 aussetzen. Die verlängerte Aussetzung soll allerdings nur für Unternehmen gelten, die überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Auch aus der Union kommt Zustimmung zu dem Vorschlag, die Pflicht zum Insolvenzantrag wegen der Corona-Pandemie länger als geplant auszusetzen.
Grundsatz: Unverzügliche Antragstellung
Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist grundsätzlich unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Höchstfrist von drei Wochen ein Insolvenzantrag zu stellen. Erfolgt dies nicht, kann die Geschäftsführung in einem späteren Insolvenzverfahren persönlich in Haftung genommen werden, was oft zum Vermögensverfall des Geschäftsführers führt. Auch strafrechtliche Ermittlungen und Verurteilungen wegen Bankrottdelikten im Falle einer Insolvenzverschleppung sind regelmäßige Folge einer verspäteten oder unterlassenen Antragstellung. Beachten sollte man auch, dass die vorgenannten Ansprüche im Falle einer Insolvenz „rückwirkend“ geltend gemacht werden können, also für eine unterlassene Antragstellung, die regelmäßig mehrere Jahre zurückliegt. Dies gilt es jedoch frühzeitig durch Überwachung des Vorliegens der Insolvenzgründe zu verhindern.
Der jetzige Vorschlag der Bundesjustizministerin unterscheidet zwischen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Die verlängerte Aussetzung soll demnach nur für Unternehmen gelten, die überschuldet aber nicht zahlungsunfähig sind.
Zahlungsunfähigkeit
Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/2004, ZinsO 2005/807 – 810). Sofern die Gemeinschuldnerin ihre Zahlungen bereits eingestellt hat, wird die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet.
Überschuldung
Eine Überschuldung liegt gemäß §°19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Die Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen. Nachdem nunmehr dauerhaft anwendbaren zweistufigen Überschuldungsbegriff kann eine Überschuldung erst angenommen werden, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig – damit ist das laufende und das nächste Geschäftsjahr gemeint – nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (BGH, Urteil vom 15.03.2011 – II ZR 204/09, WM 2011 Seite 979 Rn. 30 ff.).
Der Vorschlag der Bundesjustizministerin sieht also eine Differenzierung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vor. Ist ein Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig, sondern nur überschuldet, soll es von der Insolvenzantragspflicht befreit werden. So soll insbesondere verhindert, werden, dass bereits zahlungsunfähige Unternehmen noch weiter mitgeschleppt werden und den Geschäftsverkehr schädigen.
Handeln Sie rechtzeitig!
Die Geschäftsführer von Unternehmen in der Krise sollten bereits jetzt frühzeitig laufend die Liquiditätsentwicklung im Rahmen einer wochengenauen Liquiditätsprüfung überwachen und Sanierungsoptionen prüfen. Bei absehbaren oder bereits eingetretenen Liquiditätsengpässen ist derzeit die Prüfung von kurzfristigen Finanzierungsmaßnahmen, z.B. Steuerstundungen, Stundung von Verbindlichkeiten (Miete, Kredite, Leasing), Entlastung von Lohnzahlungen oder die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen auf Bundes und Landesebene (u.a. direkte Zuschüsse und KfW-verbürgte Kredite) und die Beantragung von Kurzarbeitergeld zu prüfen.
Ist das Unternehmen bereits in der Krise stellt sich die Frage nach der richtigen Strategie. Neben der außergerichtlichen Sanierung und Restrukturierung des Unternehmens stellt auch die Insolvenz in Eigenverwaltung eine gute Option dar, sollten sich die Insolvenzgründe nicht kurzfristig beseitigen lassen.
Die Eigenverwaltung wurde vom Gesetzgeber im Jahr 2012 mit dem „Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) ins Leben gerufen. Es soll dem Schuldner, also Unternehmen, helfen, sich über ein Eigenverwaltungsverfahren aus eigener Kraft zu sanieren. Als Folge wird kein Insolvenzverwalter eingesetzt, sondern die Geschäftsführung leitet das Unternehmen weiter. Das Gericht stellt der Geschäftsführung, also dem Schuldner, zum Schutz der Gläubiger einen Sachwalter zur Seite. Die Insolvenz in Eigenverwaltung hilft insbesondere den Unternehmen, die trotz Zahlungsunfähigkeit eine gute Fortführungsperspektive haben. Trotzdem hat das Gericht die Pflicht, die Gläubiger zu schützen. Es wird somit genau prüfen, ob die Geschäftsführung in der Krise weiter „im Amt bleibt“ und es damit der Insolvenz in Eigenverwaltung zustimmt. Das Gelingen eines Insolvenzantrags mit dem Ziel der Eigenverwaltung setzt daher eine sorgfältige und rechtzeitige fachkundige Vorbereitung voraus. Aus Sicht des Insolvenzgerichts soll nicht ein engagierter Unternehmer sich zum „Zwangsvollstrecker in eigener Sache“ aufschwingen.
Unternehmen, die sich über ein Eigenverwaltungsverfahren sanieren möchten, sollten bereits vor dem Antrag einen Sanierungsberater, der im Idealfall auch als Insolvenzverwalter tätig ist, mit der Verfahrensbegleitung beauftragen. Es ist in der Regel auch sinnvoll, bereits in diesem frühen Verfahrensstadium einen Sanierungsplan als Grundlage für einen Insolvenzplan zu erstellen.
Als auf das Insolvenzrecht spezialisierte Kanzlei beraten wir Sie als Geschäftsführer oder Unternehmer gerne haftungsvermeidend zur Frage der Insolvenzantragspflicht und der ggf. gleichwohl bestehenden Weichenstellung zwischen Insolvenzverfahren ggf. in Eigenverwaltung oder außergerichtlicher Sanierung und Restrukturierung, Fortführung unter Neukreditierung bzw. Ermittlung eines Investors oder Liquidation.