Insolvenzrecht - OLG Karlsruhe zur Anfechtbarkeit der Umwandlung zweier fondgebundener Lebensversicherungen in pfändungsgeschützte Versicherungen
Hintergrund
Die Parteien streiten über die Rechtsfrage der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Umwandlung zweier fondgebundener Lebensversicherungen in pfändungsgeschützte Versicherungen. Der Insolvenzschuldner unterhielt bei der Beklagten eine Klassik Lebensversicherung sowie eine fondgebundene Lebensversicherung, deren Umwandlung in pfändungsgeschützte Versicherungen durch den Insolvenzschuldner bei der Beklagten im Jahr 2017 beantragt wurde. Die Beklagte bestätigte im September 2017 die Umwandlung der Versicherungen. Die neuen Versicherungsscheine begannen zum 01.08.2017. Bereits zuvor, am 21.06.2017, hatte der Insolvenzschuldner Insolvenzantrag gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 28.09.2017 eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte kannte den Eröffnungsantrag bereits vor der Umwandlung der Versicherungen. Mit Schreiben vom 23.10.2018 erklärte der Kläger die Anfechtung der vorgenommenen Umwandlung der streitgegenständlichen Versicherungsverträge in pfändungsgeschützte Rentenversicherungen. Er kündigte die Versicherungsverträge des Insolvenzschuldners zum nächstmöglichen Zeitpunkt und forderte die Beklagte auf, die sich nach Abrechnung der Versicherungsverträge ergebenden Rückkaufswerte auszukehren. Dies lehnte die Beklagte unter Verweis auf den Pfändungsschutz ab. Der Kläger ist der Auffassung, die Umwandlung der streitgegenständlichen Versicherungsverträge in pfändungsgeschützte Rentenversicherungen sei gemäß § 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, sodass die Rückkaufswerte der Versicherungen zur Insolvenzmasse zu zahlen sein. Bei der Umwandlung nach § 167 VVG handelt es sich um ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 132 InsO, welches nach Eingang des Eröffnungsantrags am 21.06.2017 vorgenommen worden sei und eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung darstelle, weil die zunächst Masse zugehörigen Rückkaufswerte der Versicherungen der Insolvenzmasse durch die Umwandlung entzogen worden sein.
LG Karlsruhe – Pfändungsgeschützte Verträge fallen nicht in die Insolvenzmasse
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, mit der Umwandlung in pfändungsgeschützte Verträge nach § 167 VVG fielen die Lebensversicherungen nicht mehr in die Insolvenzmasse und seien damit der Verfügungsgewalt des Klägers als Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1, § 35 Abs. 1 InsO, entzogen. Eine Anfechtung der Umwandlung sei nicht möglich. Ein Anfechtungsgrund nach § 134 InsO scheide aus, weil der Schuldner mit der Umwandlung keinem Dritten etwas zugewandt habe. Ein Anfechtungsgrund nach § 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO sei ebenso wenig gegeben. Durch die Umwandlung sind keinem Dritten Vermögensvorteile zugeflossen und der Versicherungsnehmer hat lediglich sein ihm durch das Gesetz bewusst eingeräumtes Recht zur Schaffung eines pfändungs- und insolvenzgeschützten Vermögensbestandteils zur Altersabsicherung gehandelt.
OLG Karlsruhe – Kein Anspruch auf Auszahlung der Rückkaufswerte aus den pfändungsgeschützten Versicherungsverträgen
Nach Ansicht der Karlsruher Richter hat das Landgericht die Klage gegen den Versicherer auf Auszahlung der Rückkaufswerte aus den pfändungsgeschützten Versicherungsverträgen an die Insolvenzmasse mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die beiden Versicherungen wurden durch Antrag des Schuldners vom 01.07.2017 gemäß § 167 VVG in Versicherungen nach § 851c Abs. 1 ZPO umgewandelt. Sie gehören damit nicht zu der Insolvenzmasse. Den Gläubigern ist ein Zugriff auf dieses Vermögen verwehrt, § 36 Abs. 1 S. 2 InsO. Dem Kläger fehlt deshalb gemäß § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungsbefugnis bezüglich dieses Vermögens des Schuldners, er kann keine Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis geltend machen. Die Umwandlung der Versicherungsverträge gemäß § 167 VVG ist nicht anfechtbar. Eine Anfechtung nach § 134 InsO hat das Landgericht mit zutreffender Begründung verneint. Die Umwandlung stellt keine unentgeltliche Leistung an die Beklagte dar, da diese hierdurch keinen Vermögenswert erlangt. Ob die Umwandlung von Lebensversicherungen in pfändungsfreie Versicherungsverträge nach § 132 InsO anfechtbar ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 13.10.2011 – IX ZR 80/11 entschieden, dass jedenfalls eine Anfechtung gegenüber dem Schuldner nicht in Betracht kommt, da dieser kein tauglicher Gegner eines Insolvenzanfechtungsanspruchs sein könne. Den Tatbestand des § 132 InsO hat der neunte Zivilsenat allerdings für eröffnet angesehen, ohne sich näher dazu zu äußern, ob und in welchen Fällen eine Anfechtung gegenüber dem Versicherer möglich sein soll. Die insolvenzrechtlichen Tatbestände der §§ 130 ff. InsO setzen allesamt voraus, dass es einen anderen Teil gibt, der von der Rechtsprechung profitiert. Zwar ist denjenigen, die eine Anfechtung der Umwandlung befürwortend, zuzugeben, dass nach § 143 Abs. 1 InsO der Anfechtungsgegner nicht etwa dasjenige herauszugeben hat, was in sein Vermögen gelangt ist, sondern dasjenige, was durch die anfechtbare Handlung dem Zugriff der Gläubiger entzogen wurde. Die Anfechtungstatbestände setzen jedoch voraus, dass eine andere Person durch die Rechtshandlung eine Vermögenszuwendung erhalten hat. Es muss zunächst etwas, zumindest vorübergehend, in das Vermögen des Anfechtungsgegners gelangt sein. Verpflichteter eines Anfechtungsanspruchs kann deshalb nur der Empfänger des anfechtbar weggegebenen Gegenstand sein, also derjenige der durch die Rechtshandlung des Schuldners eine vermögenswerte Position zum Nachteil der Masse erlangt hat. Des Weiteren ist bei den Anfechtungstatbestände – insbesondere auch des § 132 InsO – auf die Kenntnis des Anfechtungsgegners abzustellen. Gibt es aber niemanden, der von der Rechtshandlung profitiert, bleibt unklar, auf wessen Kenntnis abzustellen ist. Darüber hinaus würde der Anwendungsbereich des § 167 VVG weitestgehend leerlaufen, wenn man eine Anfechtung der Umwandlung nach § 132 InsO zulassen würde. Sinn und Zweck des Gesetzes würden verfehlen. Die Lebensversicherung soll vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt werden und dass gerade in der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz. Ließe man eine Anfechtung nach § 132 InsO zu, wären die Tatbestandsvoraussetzungen fast immer erfüllt, da die vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung der Umwandlung immanent ist. Eine Kenntnis des Versicherers, der einen Umwandlungsantrag erhält, lässt sich deshalb in der Regel nicht verneinen.
Der Schuldner wird die Umwandlung seiner Lebensversicherung gerade dann in Betracht ziehen, wenn die Krise bereits eingetreten ist und damit auch die zeitliche Komponente des § 132 InsO (bis zu drei Monate vor Insolvenzantragstellung) erfüllt ist. Zudem hätte der Versicherer keinerlei Möglichkeit zu verhindern, dass er vom Insolvenzverwalter auf Zahlung des Rückkaufswertes in Anspruch genommen würde, da den Umwandlungsantrag des Versicherungsnehmers, wenn die Voraussetzungen des § 851c ZPO erfüllt sind, zwingend umzusetzen hat, § 167 S. 1 VVG. Er muss dies auch zügig erledigen und kann nicht etwa die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abwarten. Im Falle einer schuldhaften Verzögerung, an der eine Umwandlung letztlich scheitert, kann er sich gegenüber dem Versicherungsnehmer schadensersatzpflichtig machen.
Bei Fragen rund um das Thema Insolvenzanfechtung stehen wir Ihnen in unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei jederzeit gerne zur Verfügung.