Insolvenzrecht – Haftung des Gesellschafters mit Einzahlung Stammkapital
Hintergrund
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter die Nachzahlung einer Stammeinlage in Höhe von € 12.500,00 von dem Beklagten. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH. Die Schuldnerin stellte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der am 16.04.2020 bei Gericht einging. Das Amtsgericht eröffnete infolgedessen das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 05.06.2020 und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 07.05.1999 wurde die Schuldnerin gegründet und mit einem Stammkapital von € 25.000,00 ausgestattet. Der Beklagte war ein Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Ausweislich Nr. 2 der Gründungsurkunde § 3 der Satzung und der Gesellschafterliste übernahmen zunächst ein Herr H. eine Stammeinlage in Höhe von € 15.000,00 und der Beklagte eine Stammeinlage in Höhe von € 10.000,00. Ausweislich der Nr. 4 des Schreibens des Beklagten an das Amtsgericht vom 07.05.1999 hatten H. € 1.500,00 und der Beklagte € 5.000,00 auf die Stammeinlagen eingezahlt.
Weitere Zahlungen auf die Stammeinlagen erfolgten nicht. Mit notariellem Vertrag vom 23.10.2019 verkaufte der Beklagte seinen Geschäftsanteil in Höhe von € 10.000,00 an H. und trat ihn auch an besagten Herrn H. ab. Der Beklagte schied am 23.10.2019 als Gesellschafter aus. Mit Schreiben vom 12.06.2020, 28.01.2021, am 17.09.2021 forderte der Kläger zunächst erfolglos Zahlung in Höhe von € 12.500,00 und von Herrn H., der ausweislich einer Information der Creditreform zahlungsunfähig gewesen war. Mit Einschreiben vom 02.12.2021 wurde Herr H. sein Geschäftsanteil an der Schuldnerin gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG für verlustig erklärt.
Mit Schreiben vom 28.01.2021 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.02.2021 erfolglos zur Zahlung in Höhe der Klageforderung auf. Der Kläger meint, er habe Ansprüche auf Zahlung von Stammkapital aus § 16 Abs. 2 GmbHG und § 22 Abs. 1 GmbHG in Höhe von € 12.500,00 gegen den Beklagten. Ferner seien ihm die Kosten für zwei Auskünfte des Einwohnermeldeamts in Höhe von jeweils € 14,95 zu erstatten, die zur Bestimmung der aktuellen Anschrift erforderlich gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von lediglich € 5.000,00 gegenüber dem Beklagten aus § 22 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO. Für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung haftet gegenüber der Gesellschaft nach § 22 Abs. 1 GmbHG auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt.
Vorausgesetzt ist folglich zunächst, dass ein Gesellschafter nach § 21 GmbHG ausgeschlossen ist. Nach Absatz 1 sind hierfür eine verzögerte Einzahlung und eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erforderlich. Die Aufforderung kann mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen und die Nachfrist müsste mindestens einen Monat betragen. Eine verzögerte Einzahlung ist gegeben, denn sowohl die Einlage des Gesellschafters H. in Höhe von € 7.500,00 als auch die Einlage im Hinblick auf den Beklagten erworbenen Geschäftsanteil in Höhe von € 5.000,00 wurde bisher nicht geleistet. Auch forderte der Kläger zuletzt mit Schreiben vom 17.09.2021 die Zahlung der Einlage. Hierbei drohte er den Ausschluss mit dem Geschäftsanteil an. Ferner wurde in diesem Schreiben, das dem Herrn H. unter dem 18.09.2021 zuging, eine Frist bis zum 29.10.2021 gesetzt. Dies war folglich über einen Monat lang. Dieses Schreiben wurde auch per Einschreiben mit Rückschein versandt.
Da folglich die Voraussetzungen des Abs. 1 vorlagen, erklärte der Kläger wirksam gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG nach erfolglosem Ablauf der Frist mittels eingeschriebenen Briefs vom 02.12.2021 den säumigen Gesellschafter H. seines Geschäftsanteils an der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig. Dies hat zur Folge, dass der Gesellschafter H. nach § 21 Abs. 3 GmbHG weiterhin für den rückständigen Betrag haftet. Dies ist, da er mittlerweile die Anteile des Beklagten übernommen hat, ein Betrag in Höhe von insgesamt € 12.500,00.
Nach § 22 Abs. 1 GmbHG haftet der Gesellschaft auch der letzte Rechtsvorgänger für die Einlage, mithin der Beklagte.
Die Beschränkung der Haftung nach § 22 Abs. 2 GmbHG auf solche Beträge, die vom Rechtsnachfolger nicht zu erlangen sind, gilt nach dem klaren Wortlaut nur für frühere Rechtsvorgänger nicht für den letzten Rechtsvorgänger.
Die Haftung aus § 22 GmbHG beschränkt sich dem Umfang nach jedoch auf € 5.000,00. Denn in Höhe von € 5.000,00 hat der Beklagte, die auf seinen Geschäftsanteil anfallende Eigentumslage-Verpflichtung nicht erfüllt.
Der Beklagte haftet jedoch nicht nach § 22 GmbHG für die weiteren geltend gemachten € 7.500,00, da er insoweit in Beziehung zu dem reduzierten Geschäftsanteil kein Rechtsvorgänger im Sinne dieser Vorschrift ist. Nach § 22 Abs. 1 GmbHG haftet für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung der Gesellschaft auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt.
Die Ausschlussfrist von fünf Jahren des Abs. 3 ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt mit dem Tag, ab welchem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Gesellschaftsgesellschaftsanteils gilt. Die Abtretung der Geschäftsanteile von dem Beklagten an den Kläger erfolgte erst 2019.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von € 7.500,00 aus § 24 GmbHG. Der Beklagte haftet deshalb nicht nach 24 GmbHG, weil er kein Gesellschafter im Sinne dieser Vorschrift ist. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von weiteren € 7.500,00 gegen den Beklagten aus den §§ 16 Abs. 1, 14 S. 1 und 2 GmbHG.
Nach § 14 S. 1 und 2 GmbHG ist auf jeden Geschäftsanteil eine Einlage zu leisten, deren Höhe sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils richtet. Vorliegend wurde eine Stammeinlage des Beklagten in Höhe von € 10.000,00 vereinbart, worauf der Beklagte lediglich € 5.000,00 zahlte.
Ein über € 5.000,00 hinausgehender Anspruch auf Zahlung der Einlage des Gesellschafters H., in Höhe von weiteren € 7.500,00 ergibt sich aus § 16 Abs. 3 GmbHG nicht. Dieser regelt nur den Fortbestand der Haftung des Gesellschafters für eigene Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem Erwerber gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG mit dem Wortlaut hinausgehende Auslegung dahin, dass der Veräußerer für fremde, im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht fällige Einlageschulden haften soll, sind nicht ersichtlich. Der Schutzzweck der Vorschrift der darauf gerichtet ist, dass sich der Gesellschafter seiner Haftung für die fälligen, von ihm der Gesellschaft geschuldeten Einlageleistungen nicht durch Veräußerung seines Anteils entziehen können soll, verbietet eine Ausdehnung der Haftung des Veräußerers auf eine fremde Einlage aufkeimende Einlageverpflichtung, die in dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, nicht fällig sind.
Der Zahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten in Höhe von € 5.000,00 ist durch Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft nicht untergegangen. Dies ergibt sich auch aus § 16 Abs. 2 GmbHG. Demzufolge für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, der Erwerber neben dem Veräußerer haftet. Sie haften als Gesamtschuldner. Jedoch war der vorgenannte Betrag und damit auch kein weiterer Betrag von € 7.500,00 nicht rückständig im Sinne des § 16 Abs. 2 GmbHG.
Rückständig in diesem Sinne sind die bis zum Zeitpunkt der Eintragung des neuen Gesellschafters in die Gesellschafterliste fällig gewordenen und noch nicht erfüllten Leistungen auf den Geschäftsanteil. Die vorgenannten Einlageverpflichtungen in Höhe von € 5.000,00 und € 7.500,00 waren jedoch noch nicht fällig geworden. Die Satzung der Schuldnerin enthielt keine Fälligkeitsbestimmung. Der Restbetrag der Einlage wird in Ermangelung einer abweichenden Satzungsbestimmung erst dann fällig, wenn die Gesellschafter deren Einforderung beschließen. Einen Einforderungsbeschluss für die noch offene Resteinlageforderung haben die Gesellschafter der Schuldnerin nicht gefasst und der Beklagte ist bereits mit dem 23.10.2019 als Gesellschafter aus der Schuldnerin ausgeschieden.
LG Essen, Urteil vom 11.08.2022, AZ: 6 U 83/22
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