Gesellschaftsrecht – Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses
Die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses schließt ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung gerichtetes Schadensersatzverlangen des geschädigten Gesellschafters nicht aus, soweit ihm nicht schutzwürdige Rechte Dritter entgegen stehen.
BGH, Urteil vom 06.12.2022 – II ZR 187/21
Hintergrund
Die Parteien sind Gesellschafter der F GmbH. An der F hielt die Beklagte zunächst für eine T GmbH treuhänderisch eine Beteiligung von 80 %. Am 13.11.2009 schlossen die T GmbH und die Parteien einen weiteren Treuhandvertrag, der die Übertragung der Treugeberbestellung von der T GmbH auf die Klägerin beinhaltete. Neben der Abtretung sämtlicher Rechte aus der ursprünglichen Treuhand wurde für den Fall der Kündigung des Treuhandvertrags die Abtretung eines Geschäftsanteils Nr. 1 mit einem Nennbetrag von € 20.000,00 an die Klägerin vereinbart. Den weiteren Geschäftsanteil Nr. 2 mit einem Nennbetrag von € 5.000,00 hielt die Beklagte.
Die Klägerin kündigte den Treuhandvertrag mit Schreiben vom 16.08.2011 und 26.08.2011. Die beim Handelsregister eingereichte Gesellschafterliste vom 24.08.2011 wies die Klägerin als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 und die Beklagte als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 2 aus. Mit Schreiben vom 25.08.2011 focht die Beklagte den Treuhandvertrag 2 unter anderem wegen arglistiger Täuschung an. Der Geschäftsführer der F reichte am 02.09.2011 eine Gesellschafterliste beim Handelsregister ein, in der die Beklagte als Inhaberin beider Geschäftsanteile ausgewiesen war. Die Klägerin erwirkte am 09.09.2011 eine einstweilige Verfügung, mit der der Gesellschafterliste ein Widerspruch hinsichtlich der Inhaberschaft des Geschäftsanteils Nr. 1 zugeordnet wurde.
Am 20.10.2011 fand eine Gesellschafterversammlung der F statt, zu der die Klägerin nicht eingeladen war und von der sie auch nicht unterrichtet wurde. Darin beschloss die Beklagte, die Satzung der F unter anderem dahingehend zu ändern, dass das Quorum für die Beschlussfähigkeit der Gesellschaft von 75 % auf nunmehr 85 % angehoben wird und Gesellschafterbeschlüsse nunmehr grundsätzlich mit einer Mehrheit von 85 % der Stimmen zu fassen sind. Außerdem legte sie fest, dass der Versammlungsleiter nicht mehr mehrheitlich gewählt wird, sondern die Versammlungsleitung regelmäßig dem einladenden Gesellschafter oder Geschäftsführer obliegt. Die Änderung der Satzung wurde am 29.11.2011 im Handelsregister eingetragen.
Eine Ende 2016 erhobene Beschlussmängelklage der Klägerin blieb ohne Erfolg.
LG Frankfurt stellt Inhaberschaft der Klägerin fest
Mit Urteil des LG Frankfurt am Main vom 27.06.2012, rechtskräftig seit 28.07.2016, wurde im Verhältnis der Parteien festgestellt, dass die Klägerin Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 ist. Am 10.07.2014 wurde eine Gesellschafterliste beim Handelsregister aufgenommen, welche die Klägerin als Inhaberin des Geschäftsanteils Nr. 1 auswies. Die Klägerin verlangt nunmehr die Zustimmung der Beklagten zur Rückänderung der Satzung, der F in den Zustand vor dem 29.11.2011.
Das LG wies die Klage ab, das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
BGH – Anspruch Klägerin auf Zustimmung Änderung Satzung
Nach Ansicht der Karlsruher Richter hat das OLG einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zustimmung zu der begehrten Änderung der Satzung der F rechtsfehlerfrei bejaht.
Die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerin durch die Beklagte und damit der Voraussetzungen der §§ 826 BGB durch das OLG hält rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu der begehrten Satzungsänderung der F steht nicht entgegen, da sie gegen den satzungsändernden Beschluss vom 20.10.2011 erfolglos geklagt hat.
Das OLG, das auch über die Beschlussmängelklage der Klägerin entschieden hat, meinte, dass der satzungsändernde Beschluss jedenfalls analog § 242 Abs. 2 Satz 1 AktG geheilt sei, weil er bei Klageerhebung 2017 mehr als drei Jahre im Handelsregister eingetragen war. Nach dieser Vorschrift kann die Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses, der nach § 241 Nr. 1, 3 o. 4 AktG nichtig ist, nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der Beschluss im Handelsregister eingetragen worden ist und seitdem drei Jahre verstrichen sind. Richtig ist, dass die von der Klägerin erhobene Beschlussmängelklage schon wegen Zeitablaufs keinen Erfolg haben konnte.
Die Unanfechtbarkeit eines sittenwidrig erwirkten satzungsändernden Gesellschafterbeschlusses schließt ein darauf gestütztes, auf Wiederherstellung der ursprünglichen Satzung gerichtetes Schadensersatzverlangen des geschädigten Gesellschafters aber nicht aus, soweit ihm nicht schutzwürdige Rechte Dritter entgegen stehen. Wie der Senat bereits ausgesprochen hat, kann sich der betroffene Gesellschafter selbst gegenüber der Gesellschaft darauf berufen, dass die Ausnutzung eines unanfechtbaren Gesellschafterbeschlusses sittenwidrig und rechtsmissbräuchlich sei, wenn die Gesellschaft nur aus ihm und dem Mitgesellschafter besteht und schutzwerte Interessen Dritten davon nicht berührt werden.
Die Besonderheiten des GmbH-Rechts, insbesondere, dass aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 243 ff AktG abgeleitete Erfordernis der Anfechtungsklage zur Geltendmachung nicht zur Nichtigkeit führenden Beschlussmängel, rechtfertigen keine andere Beurteilung. In Folge der Versäumung der Anfechtungsfrist wird ein mit derartigen Mängeln behafteter Beschluss zwar rechtswirksam. Die sittenwidrige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition ist im Recht der GmbH aber ebenso wenig zulässig, wie auf anderen Rechtsgebieten. Dabei hat der Senat ausdrücklich vorausgesetzt, dass der durch den Gesellschafterbeschluss geschädigte Gesellschafter von seinem sittenwidrig handelnden Mitgesellschafter zu dem Schadensersatz in Geld oder im Wege der Naturalrestitution verlangen kann.
Daran wäre auch für Fälle wie den vorliegenden festzuhalten. Durch das Schadensersatzverlangen, an einer ex nunc wirkenden Änderung der Satzung mitzuwirken, wird die Wirksamkeit der vorangegangenen Satzungsänderung nicht berührt. Einem solchen Verlangen stehen in aller Regel und so auch hier keine schutzwürdigen Rechte Dritter entgegen. Der Beklagten wäre es auch ohne gerichtliche Inanspruchnahme durch die Klägerin ohne Weiteres möglich, durch entsprechende Stimmabgabe daran mitzuwirken, die Satzung mit ihrem ursprünglichen Inhalt wieder herzustellen. Ob diese Erwägungen über § 826 BGB hinaus Gültigkeit beanspruchen und auch auf Fälle plus treupflichtwidriger Stimmabgabe zu erstrecken sind, bedarf hier keiner Entscheidung.
Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Schadensersatzverlangen der Klägerin nicht entgegen, dass diese bei Änderung der Satzung nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen war. Die Gesellschafterliste entfaltet nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbH-Gesetz nur formelle Legitimationswirkung. Die materiell rechtliche Gesellschafterstellung als solche und ihr Schutz vor sittenwidriger Schädigung durch einen Mitgesellschafter blieb von ihr unberührt. Der Beklagten stehen gegen den Schadensersatzanspruch auch keine Einwendungen oder Einreden zu.
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