Kapitallebensversicherung in Pfändung und Insolvenz: Aktuelle Entscheidung des BGH mit Bezügen zum Insolvenzrecht zur Abtretung und Pfändung einer Direktversicherung
Kapitallebensversicherung in Pfändung und Insolvenz: Aktuelle Entscheidung des BGH mit Bezügen zum Insolvenzrecht zur Abtretung und Pfändung einer Direktversicherung
„Bei einer zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung unterliegt die Abtretung des mit dem Eintritt des Versorgungsfalles fälligen Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung nicht dem Abtretungsverbot des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrVG“ (BGH, Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 151/19).
Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Reichweite eines betrieblichen Abtretungsverbots in der betrieblichen Altersversorgung.
Hintergrund
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall nahm der Kläger den beklagten Versicherer auf Auszahlung der Erlebensfallleistung aus einer Kapitallebensversicherung in Anspruch. Der damalige Arbeitgeber des Klägers schloss den Versicherungsvertrag als Direktversicherung für den Kläger ab. Der Kläger arbeitete im Betrieb seiner Eltern. Versicherungsbeginn war März 1983, die Versicherungsdauer betrug 34 Jahre. Dem Kläger wurde ein grundsätzlich unwiderrufliches Bezugsrecht auf die Todes- und Erlebensfallleistung eingeräumt. Zum März 1993 wurde der Versicherungsvertrag beitragsfrei gestellt und auf den Kläger als Versicherungsnehmer übertragen. Zur Begründung wurde der Versicherung mitgeteilt, der vormals elterliche Betrieb sei im Vorjahr an den Kläger übergeben worden und werde von ihm als Einzelunternehmer fortgeführt. Am 30. November 1999 trat der Kläger zur Absicherung eines Geschäftskredits die gegenwärtigen und künftigen Forderungen, die im Todesfall gegen die Beklagte bestehen, mit allen Rechten an die Rechtsvorgängerin der Beklagten ab. Am 29. Januar 2001 trat er zur Absicherung eines mit der Rechtsvorgängerin taggleich vereinbarten Kredits die bestehenden und künftig entstehenden Forderungen gegen die Beklagte mit allen Rechten ab. Auf die Anzeige der Abtretung durch die Rechtsvorgängerin wies die Beklagte diese am 21. März 2001 darauf hin, dass die Versicherung in Höhe des Werts, der durch Beitragszahlung des früheren Arbeitgebers entstanden sei, gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG nicht abgetreten werden könne und auch eine Auszahlung des Rückkaufswerts ausgeschlossen sei. Hierüber informierte die Beklagte den Kläger. Im Juli 2005 zeigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten an, dass die Rechte aus der Versicherung an sie abgetreten worden seien. Am 1. August 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Die Beklagte erklärte gegenüber dem Insolvenzverwalter, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach Maßgabe von § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG weder abtretbar noch pfändbar seien. Im Februar 2016 bat die Rechtsvorgängerin der Beklagten um Vollzug der Abtretung, nachdem die Beklagte zuvor bei ihr angefragt hatte, ob die Abtretung noch zu berücksichtigen sei. Der über den bevorstehenden Ablauf der Versicherung informierte Insolvenzverwalter gab unter dem 6. Februar 2017 eine Freigabeerklärung ab. Nach Eintritt der Fälligkeit am 1. März 2017 zahlte die Beklagte die Erlebensfallleistung in Höhe von € 11.713,35 an die Rechtsvorgängerin aus. Der Kläger hielt die von ihm erklärten Abtretungen für unwirksam, weshalb die Beklagte ihm die Versicherungssumme auszuzahlen habe. Jedenfalls habe sich die Beklagte aufgrund ihrer Zusicherung, die Abtretungen könnten an der betriebsrentenrechtlichen Verfügungsbeschränkung scheitern, schadensersatzpflichtig gemacht. Das Landgericht hat der auf Zahlung von € 11.713,35 nebst Zinsen gerichteten Klage mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung stattgegeben. Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Gesetzliche Regelung
Grundsätzlich darf der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 S. 4 Betriebsrentengesetz (BetrVAG) die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch die Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht anderweitig verwendet werden. Die Ansprüche sollen der Altersversorgung des jeweiligen Arbeitnehmers dienen und unterliegen daher einem grundsätzlichen Abtretungs- und Verpfändungsverbot.
BGH hält Abtretung für wirksam
Der BGH schließt sich der Entscheidung des Berufungsgerichts an, wonach dem Kläger kein Zahlungsanspruch zusteht, weil er bei Eintritt des Versorgungsfalles nicht mehr Inhaber des Anspruchs auf die vertragliche Ablaufleistung war. Die maßgebliche Abtretung vom 29. Januar 2001 habe zulässigerweise auch künftige Forderungen erfasst. Sie sei unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nicht bedenklich und nicht aufgrund eines Abtretungsverbotes unwirksam. Die in § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG geregelte Verfügungsbeschränkung habe nicht entgegengestanden, weil sie lediglich vorzeitige Verfügungen verbiete und den Kläger deshalb nicht gehindert habe, im Rahmen einer Sicherungsabtretung über den erst am 1. März 2017 fällig werdenden Anspruch auf Auszahlung der Erlebensfallleistung zu verfügen. Die Verfügungsbeschränkung erfasse nur solche Forderungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalles fällig würden. Die erst nach Eintritt des Versicherungsfalles fälligen Forderungen habe die Norm, die allein dem Schutz der Anwartschaft diene, nicht im Blick. Auch unter dem Gesichtspunkt des § BGB § 1365 BGB bestünden keine Zweifel an der Wirksamkeit der Abtretung. Es spreche nichts dafür, dass die Erlebensfallansprüche im Zeitpunkt der Abtretung den einzigen Vermögensgegenstand des Klägers dargestellt hätten. Die Beklagte sei auch nicht gehalten, den Kläger im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er die Ablaufleistung zu beanspruchen. Selbst wenn die Beklagte in der Vergangenheit gegenüber dem Kläger die unzutreffende Auffassung vertreten hätte, die Abtretung sei unwirksam, wäre eine darin liegende Pflichtverletzung angesichts der damaligen Rechtslage jedenfalls nicht schuldhaft gewesen. Zudem sei völlig offen, welchen Vermögensschaden der Kläger durch eine möglicherweise unrichtige Auskunft der Beklagten erlitten haben könnte.
Kein Anspruch des Klägers auf Ablaufleistung, da wirksame Abtretung
Der geltend gemachte Anspruch auf die Ablaufleistung stand dem Kläger nicht mehr zu, weil er ihn vor Eintritt des Versorgungsfalles wirksam abgetreten hat.
Bei einer zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne von § 1 b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG unterliegt die Abtretung des mit dem Eintritt des Versorgungsfalles fälligen Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung nicht dem Verbot des § 2 Abs. 2 S. 4 BetrVAG.
Die vom Kläger am 29. Januar 2001 erklärte Abtretung war, soweit sie sich auf den Anspruch auf Zahlung der Erlebensfallleistung bezog, nicht wegen Verstoßes gegen dieses Verbot nichtig (§ 134 BGB). Es ist daher irrelevant Inwieweit sein vor Übertragung des Versicherungsvertrags mit Betriebsübernahme erfolgter Statuswechsel vom Arbeitnehmer zum Inhaber der Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG entgegenstehen könnte.
Grundsatz: keine Abtretung oder Verpfändung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag
Grundsätzlich darf der ausgeschiedene Arbeitnehmer die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag in Höhe des durch Beitragszahlungen des Arbeitgebers gebildeten geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals weder abtreten noch beleihen. In dieser Höhe darf der Rückkaufswert aufgrund einer Kündigung des Versicherungsvertrags nicht in Anspruch genommen werden; vielmehr wird der Vertrag im Falle einer Kündigung in eine prämienfreie Versicherung umgewandelt (§ 2 Abs. 2 S. 5 BetrVAG).
Anwartschaft soll für Versorgungszeck erhalten bleiben
Durch diese Bestimmungen soll im Rahmen des rechtlich Möglichen die bestehende Anwartschaft für den Versorgungszweck erhalten bleiben, das heißt verhindert werden, dass der Arbeitnehmer die Anwartschaft liquidiert und für andere Zwecke verwendet (Senatsurteil vom 8. Juni 2016 – BGH Aktenzeichen IVZR34615 IV ZR 346/15).
Abtretungs- und Pfändungsverbot greift nicht, wenn Versorgungsfall eingetreten
Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG gilt nicht mehr, wenn die Versorgungsanwartschaft zum Vollrecht erstarkt ist (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008 – VIIZB1608 VII ZB 16/08). Die Norm enthält keine gesetzgeberische Entscheidung darüber, in welchem Umfang der Arbeitnehmer bei Eintritt des Versorgungsfalles tatsächlich in den Genuss der Alterssicherung kommen soll. Ist der Versorgungsfall eingetreten, richtet sich der Schutz des Schuldners nicht mehr nach § 2 Abs. 2 S. 4 BetrVAG, sondern nach den allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2018 – IXZB817 IX ZB 8/17). Die Verfügungsbeschränkung erfasst nur solche Forderungen, die vor Eintritt des Versicherungsfalles fällig werden.
Geltung der allgemeinen Pfändungsschutzvorschriften
Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Auszahlung der Versicherungssumme aus einer Direktversicherung ist vor Eintritt des Versicherungsfalles als zukünftige Forderung pfändbar (BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2014 – IXZB6912 IX ZB 69/12, VersR 2015). Daraus folgt zugleich, dass § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG auch einer Vorausabtretung dieses Anspruchs durch den mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer nicht entgegensteht.
Anspruch auf Rückkaufswert und Anspruch auf Versicherungsleistung
Das Recht auf den Rückkaufswert ist zwar nur eine andere Erscheinungsform des Rechts auf die Versicherungssumme. Gleichwohl sind der Anspruch auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall und der Anspruch auf den Rückkaufswert nach Kündigung aber keine Teile eines einheitlichen Anspruchs, sondern zwei getrennte Ansprüche. § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG zielt zeitlich nur auf den Schutz der Anwartschaft ab. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts, die Anwartschaft dürfe dem Versicherungsnehmer nicht lediglich als leere Hülle verbleiben, schützt § 2 Abs. 2 S. 4 BetrAVG den Arbeitnehmer nach dem vom Gesetzgeber gewählten Regelungskonzept nicht davor, dass mit dem Erstarken der Versorgungsanwartschaft zum Vollrecht tatsächlich nicht er, sondern aufgrund vorangegangener Abtretung der Zessionar in den Genuss der Versicherungssumme kommt.
Als Fachanwälte für Insolvenz- und Arbeitsrecht beraten wir Sie gerne rund um das Thema betriebliche Altersversorgung und Insolvenz insbesondere im Hinblick auf die Abtretung und Pfändbarkeit von Versorgungsanwartschaften und unterstützen Sie bei der Geltendmachung Aussonderungsrechten gemäß § 47 InsO zum Erhalt und zur Sicherung Ihrer Altersversorgung als Geschäftsführer, Gesellschaftergeschäftsführer oder Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren.
BGH zur Insolvenzanfechtung: Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei eigenen Erklärungen des Schuldners /Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung von Parteivortrag (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18)
BGH zur Insolvenzanfechtung: Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei eigenen Erklärungen des Schuldners /Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung von Parteivortrag (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18)
„Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht kommt dieser Verpflichtung nicht nach, wenn es entscheidungserheblichen Vortrag des Insolvenzverwalters zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht berücksichtigt“.
„Eigene Erklärungen des Schuldners dahingehend, dass er fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen kann, deuten auch dann auf eine Zahlungseinstellung hin, wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind“ (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18).
Mit Beschluss vom 05.03.2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin die Revision gegen ein Urteil des OLG Bamberg zugelassen.
Zum Fall
In dem Fall verlangte der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Rückgewähr von Zahlungen, die die Schuldnerin an den Beklagten leistete. Die Schuldnerin war mit der Befrachtung und Bewirtschaftung von Binnentankschiffen befasst und gehörte zu einer Holding. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestand ein sogenannter Zeitcharter-Vertrag. Dieser verpflichtete den Beklagten, der Schuldnerin das Tankmotorschiff C zur regelmäßigen Befrachtung zur Verfügung zu stellen. Als Gegenleistung hatte die Schuldnerin ein Entgelt zu entrichten. In der Zeit vom 1.11.2010 bis zum 15.02.2011 beglich die Schuldnerin gegenüber dem Beklagten offene Nutzungsentgelte in Höhe von € 251.981,60. Der Gesamtbetrag setzt sich zusammen aus elf Teilzahlungen. Die Teilzahlung vom 05.11.2010 wurde nicht von der Schuldnerin sondern auf deren Anweisung von ihrer Schwestergesellschaft geleistet. Diese tilgte mit dieser Zahlung eine Verbindlichkeit in entsprechender Höhe gegenüber der Schuldnerin.
Kläger macht Insolvenzanfechtungsansprüche geltend
Der Kläger verlangt die Rückgewähr aller elf Teilzahlungen unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. Die Schuldnerin sei spätestens ab dem 01.112.2010 zahlungsunfähig gewesen und sowohl die Schuldnerin selbst auch der Beklagte hätten von der Zahlungsunfähigkeit gewusst.
OLG gibt nur teilweise statt
Nachdem das Landgericht die Klage zurückgewiesen hat, verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) den Beklagten zur Rückgewähr nur eines Teils des geltend gemachten Anspruchs. Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger wendet sich gegen dies
es Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit zu seinem Nachteil entschieden wurde.
BGH: Andere Teilzahlungen auch anfechtbar
Der BGH bestätigt das Berufungsgericht insoweit, dass eine Anfechtbarkeit aller noch streitgegenständlichen Teilzahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO in Betracht kommt. Die in der Zeit von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Zahlungen könnten zudem nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar sein. Entscheidend ist bei diesen Tatbeständen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Das Berufungsgericht habe auch die Grundsätze der Zahlungsunfähigkeit beachtet.
Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG
Die Karslruher Richter sind allerdings der Ansicht, dass das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG den bei seiner Würdigung entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen. So hat der Kläger in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, dem Beklagten se jedenfalls im Sommer 2010 mitgeteilt worden, dass eine vollständige Begleichung offener Verbindlichkeiten nicht möglich sei. Es könne nur das gezahlt werden, was da sei. Eine derartige Erklärung spricht für eine Zahlungseinstellung zum 01.11.2010. Diesem Vortrag ist sowohl das LG als auch das OLG nicht ausreichend nachgegangen.
Eigene Erklärungen des Schuldners deuten auf Zahlungseinstellung hin, wenn sie mit Stundungsbitte versehen sind
Nach dem Vortrag des Klägers gab es kein konkretes Angebot Ratenzahlungen zu leisten. Erst recht wurde keine vollständige ratenweise Tilgung offener Forderungen in Aussicht gestellt. Die Revision wurde daraufhin zugelassen.
Hintergrund
Das entscheidende an diesem Beschluss ist zunächst die Aussage, dass entscheidungserheblicher Vortrag des Klägers stets zu berücksichtigen ist. Ansonsten stellt dies ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt.
Zum anderen gibt der BGH ein neues Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit an, wonach eigene Erklärungen des Schuldners, dass er fällige Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann, auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.
Anfechtungen nach §§ 133 Abs. 1 InsO und § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO
Sowohl für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO als auch für die Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO ist die Zahlungsfähigkeit des Schuldners in dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt von Bedeutung.
Für die Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO muss der Schuldner zahlungsunfähig gewesen sein und der Anfechtungsgegner muss die Zahlungsunfähigkeit gekannt haben. Im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist die erkannte Zahlungsunfähigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein gewichtiges Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz (BGH, Urteil vom 14.09.2017 – IX ZR 3/16, WM 2017, 2319 Rn. 8). Dementsprechend erkennt der Anfechtungsgegner regelmäßig den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, wenn er um dessen Zahlungsunfähigkeit weiß (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO; BGH, Urteil vom 14.07.2016 – IX ZR 188/15, WM 2016, 1701 Rn. 14).
Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO
Das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit ist eines der häufigsten und am meist diskutierten Problem in der Insolvenzanfechtung. Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 InsO definiert. Sie liegt vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Legaldefinition hat manche Fragen aufgeworfen. Muss der Zustand des Geldmangels über eine längere Zeit bestehen (drei Monate, sechs Monate, zehn Monate etc.), so dass wirklich jede Hoffnung verloren ist? Genügt es, wenn der Schuldner noch über 50 % seiner Schulden zahlen kann? Können noch Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden? Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung folgenden Standpunkt: Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, 90 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen.
Das ist in drei Schritten zu ermitteln:
- Zunächst muss der Geschäftsführer eine Liquiditätsbilanz (Aktiva und Passiva) erstellen, um den Deckungsgrad zu ermitteln (sog. betriebswirtschaftliche Methode).
- In einem zweiten Schritt muss die weitere Liquiditätsentwicklung für einen gewissen Zeitraum betrachtet werden. Denn nur eine vorübergehende Zahlungsunfähigkeit ist nicht ausreichend für die Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
- Im dritten Schritt muss die Höhe der Unterdeckung berechnet werden Denn bei der Mittelbeschaffung innerhalb des Drei-Wochen-Zeitraums muss der Schuldner nicht 100 % schaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf die Lücke aber nicht größer als 10 % sein. Umgekehrt gilt: Kann der Schuldner noch 90 % bezahlen, liegt eine unwesentliche Unterdeckung vor. Dann ist der Schuldner nicht zahlungsunfähig. Allerdings sind Grenzfälle denkbar. Ist die Lücke größer als 10 % (z.B. 30% Unterdeckung) und kommt der Schuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit (also auch später als drei Wochen) zu so viel Geld, dass er alle Gläubiger vollständig befriedigen kann, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn den Gläubigern ein Abwarten zumutbar ist.
Zahlungseinstellung als Unterfall der Zahlungsunfähigkeit
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit über komplizierte Rechnungen (mit den Kriterien „Fälligkeit“ und „ernsthaftes Einfordern“) ist nicht erforderlich, wenn sich aus dem Gesamtverhalten des Schuldners ergibt, dass dieser seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S.2 InsO). Im Fall der Zahlungseinstellung wird die Zahlungsunfähigkeit (widerlegbar) vermutet. Gerade bei der Insolvenzanfechtung (§§ 129 f. InsO) oder der Geschäftsführerhaftung (§64 S.1 GmbHG), die ebenfalls an das Kriterium der Zahlungsunfähigkeit anknüpfen, hält der BGH wenig vom Rechnen (= Liquiditätsbilanz), sondern urteilt lieber nach dem äußeren Eindruck. Liegen Indizien vor, die zeigen, dass der Schuldner nur noch „Löcher stopft“, erfolgt die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit rückblickend anhand der „Zahlungsmoral“ (ex post-Betrachtung). Grund dieser „Zahlungsmoral-Betrachtung“ ist, dass der BGH im Anfechtungsrecht Zeiträume weit vor dem Eröffnungsantrag beurteilen muss, für die keine exakten Liquiditätsrechnungen vorliegen.
Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urteil vom 7.05.2015 – IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 12). Kennt der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich die Zahlungseinstellung ergibt, kennt er damit auch die Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 18.07.2013 – IX ZR 143/12, WM 2013, 1993 Rn. 17; vgl. auch Urteil vom 12.10. 2017 – IX ZR 50/15, WM 2017, 2322 Rn. 19).
Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist (BGH, Urteil vom 12.10.2017, aaO Rn. 12 mwN). Die bloße Bitte um Ratenzahlung ist dagegen nicht relevant.
Allerdings deuten auch eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, ebenfalls auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2016 – IX ZR 242/13, WM 2016, 797 Rn. 8).
In der Praxis geht es meist um die Frage, ob und wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, was insbesondere bei juristischen Personen im Hinblick auf die Haftbarkeit der Organe für versäumte Insolvenzanträge von größter Bedeutung. Handeln Sie daher rechtzeitig und lassen Sie sich professionell beraten. Gerne beraten wir Sie als Fachanwälte für Insolvenzrecht umfassend zum Thema Insolvenzanfechtung und zur Abwehr von Insolvenzanfechtungsansprüchen.
BGH- Neue Entscheidung zum Insolvenzanfechtungsrecht: Anfechtungsrisiko bei Zahlungsvereinbarungen bleibt mit dem Urteil des BGH vom 07.05.2020 (IX ZR 18/19) bestehen.
BGH- Neue Entscheidung zum Insolvenzanfechtungsrecht: Anfechtungsrisiko bei Zahlungsvereinbarungen bleibt mit dem Urteil des BGH vom 07.05.2020 (IX ZR 18/19) bestehen.
„Bei der Vermutung, dass der andere Teil im Falle einer Zahlungsvereinbarung oder einer sonstigen Zahlungserleichterung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der angefochtenen Handlung nicht kannte, handelt es sich um eine widerlegbare gesetzliche Vermutung.
Zur Widerlegung der Vermutung kann sich der Insolvenzverwalter auf alle Umstände berufen, die über die Gewährung der Zahlungserleichterung und die darauf gerichtete Bitte des Schuldners hinausgehen.
Die Vermutung kann auch durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Anfechtungsgegner Umstände kannte, die bereits vor Gewährung der Zahlungserleichterung bestanden und aus denen nach der gewährten Zahlungserleichterung wie schon zuvor zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu schließen war“ (BGH, Urteil vom 07.05.2020 – IX ZR 18/19).
Zum Fall
Diesem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der später insolvente Schuldner betrieb eine Gaststätte. Ihm wurde von einer Bank ein Darlehen gewährt. Hierzu zog die Bank die vereinbarten monatlichen Raten im Lastschriftverfahren beim Schuldner ein. Im Hinblick auf die Einzugsversuche der Monate April und Mai kam es zu Rücklastschriften. Von Juni bis August zog die Bank die fälligen Raten nicht ein. Im August kündigte die Bank das Darlehen und in der Folgezeit schloss die Bank mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung. Aufgrund dieser Vereinbarung zahlte der Schuldner von September bis November des gleichen Jahres Raten an die Bank. Nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Schuldners (Gastättenbetreibers) erfolgte die Anfechtung dieser Ratenzahlungseingänge gegenüber der Bank durch den Insolvenzverwalter.
Die im Zuge dieses Urteiles relevante Fragestellung ist, ob die Bank, die mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen hatte, sich erfolgreich auf die gesetzliche Vermutung nach § 133 Abs. 3 S. 2 InsO berufen konnte und damit auf die Vermutung, dass sie die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte-mit der Folge, dass der Anfechtungsanspruch nach § 133 InsO ihr gegenüber nicht besteht.
Ausgangslage
Oft befindet sich ein Kunde in wirtschaftlichen Schwierigkeiten und bittet daher den Vertragspartner um Zahlungserleichterungen und damit eine Ratenzahlung. Hiermit erklärt sich der Vertragspartner als Forderungsinhaber einverstanden. Der Ratenzahlungsplan wird vereinbart. Die monatlichen Beträge werden gezahlt und später gerät Ihr Gläubiger in die Insolvenz.
Der Insolvenzverwalter macht einen Anfechtungsanspruch nach § 133 InsO (sogenannte vorsätzliche Benachteiligung) auf Rückzahlung der geleisteten Raten geltend. Er begründet dies unter anderem damit, dass der Gläubiger aufgrund der damaligen Situation (z.B. über längere Zeit verspätete Zahlungen oder Rücklastschriften) über die Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt habe.
Einschränkung des Anfechtungsrechtes durch gesetzliche Änderungen im Jahr 2017
Um diesen Anfechtungsanspruch und damit das wirtschaftliche Risiko der Gläubiger zu reduzieren, gab es im Jahre 2017 eine Gesetzesänderung im Hinblick auf Tatbestand der vorsätzlichen Benachteiligung in § 133 InsO. Unter anderem umfassten diese Änderungen folgende Aspekte:
– Zum einen wurde der Anfechtungszeitraum für Zahlungen, mit denen eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht wurde (sogenannte kongruente Deckung) von 10 Jahren auf 4 Jahre reduziert (§ 133 Abs. 2 InsO);
– Und zum anderen wurde eine gesetzlich Vermutung in den Gesetzestext in § 133, Abs. 3 S. 2 InsO aufgenommen, die wie folgt lautet: „Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterungen gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.“
Über die Bedeutung und den Umfang dieser Vermutung gibt es unterschiedliche Ansichten und mit seinem Urteil vom 07.05.2020 (Az. IX R 18/19) hat der Bundesgerichtshof (BGH) hierzu seine Rechtsansicht und letztendlich damit die Richtschnur, nach der nunmehr zu entscheiden und zu handeln ist, mitgeteilt.
BGH
Widerlegliche Vermutung
Der BGH stellt zunächst fest, dass es sich bei der Regelung in § 133 Abs. 3 S. 2 InsO um eine widerlegliche gesetzliche Vermutung handelt. Damit ist es dem Insolvenzverwalter möglich, durch Vortrag entsprechender Kenntnis, die der Anfechtungsgegner und damit die Bank gehabt hätte, die gesetzlich Vermutung zu widerlegen.
Aspekte zum Widerlegen der Vermutungsfolge
Zu diesem möglichen Vortrag des klagenden Insolvenzverwalters, die Vermutungsfolge zu widerlegen, benennt der BGH in seinem Urteil folgende zu berücksichtigende Aspekte:
- Die Vermutung nach § 133 Abs. 3 S. 2 InsO hat die Wirkung, dass sich der Verwalter weder auf die Gewährung der Zahlungserleichterung noch auf die darauf gerichtete Bitte des Schuldners stützen kann. Er darf die den Vermutungstatbestand bildenden Umstände daher nicht heranziehen, um die Vermutungsfolge zu widerlegen.
- Als Vortrag, die Vermutungsfolge zu widerlegen und damit die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Gläubigers darzulegen, gibt es nach Ansicht des BBGH keine zeitliche Begrenzung. So kommen dafür nicht nur Umstände in Betracht, die nach der Gewährung der Zahlungserleichterung aufgetreten sind. Auch mit Umständen aus der Zeit vor der Zahlungsvereinbarung kann der Beweis erbracht werden, dass der Gläubiger zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung (hier der Zahlung) Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte. Das Feld der Argumentation für den Insolvenzverwalter ist also weit.
Weiterer Sachvortrag
Damit kann der Insolvenzverwalter praktisch mit Ausnahme der Aspekte, dass es eine Ratenzahlungsvereinbarung gegeben hat und um diese auf Seiten des Schuldners gebeten wurde, sämtliche Geschehnisse aus der Geschäftsverbindung zwischen Insolvenzschuldner und seinem Vertragspartner, gegenüber dem die Anfechtung erklärt worden ist und der Zahlungen erhalten hat, heranziehen – um den Nachweis der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Anfechtungsgegners zu erbringen.
Im vorliegenden Fall ist dies die Situation aus der Darlehensverbindung zwischen späterem Insolvenzschuldner und Bank, wonach es vier Rücklastschriften gegeben hat. Hierdurch wird die vorgenannte gesetzliche Vermutung widerlegt und damit angenommen, dass die beklagte Bank die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und damit ihres Vertragspartners kannte.
Gläubigerbenachteiligungsvorsatz
Des Weiteren muss die beklagte Bank als Anfechtungsgegner gewusst haben, dass die angefochtenen Handlungen (hier die Ratenzahlungen) die Gläubiger benachteiligen. Sonst besteht der Anfechtungsanspruch ihr gegenüber nicht.
Weiß ein Anfechtungsgegner von einer drohenden oder bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners, muss er grundsätzlich auch davon ausgehen, dass Zahlungen an ihn selbst andere Gläubiger benachteiligen. Hiervon ist auszugehen, wenn der Anfechtungsgegner weiß, dass es noch andere Gläubiger gibt, deren Forderungen vom Schuldner nicht vollständig bedient werden. Mit Letzterem wiederum muss der Gläubiger rechnen, wenn der Schuldner unternehmerisch tätig ist. Dies bedeutet in der zwangsläufigen Konsequenz: Ein Gläubiger, der Kenntnis von der unternehmerischen Tätigkeit seines Vertragspartners hat, kennt damit zwangsläufig die Benachteiligung der anderen Gläubiger.
Risiko für Anfechtungsgegner
Die Folge des vorbenannten Urteils des BGH ist, dass die im Zuge der Gesetzesänderung im Jahre 2017 aufgenommene gesetzliche Vermutung (§ 133 Abs. 3 S. 2 InsO) ein nur sehr schwaches Argument zur Verteidigung und Hilfestellung für Gläubiger ist.
Meist wird nicht nur um Ratenzahlung gebeten. Es gibt immer auch eine Vorgeschichte, die mit einbezogen werden muss. Der Sachverhalt, der dem vorbenannten Urteil des BGH zugrunde liegt, zeigt hierfür ein Beispiel in Form von nicht eingelösten Lastschriften. Dies sind die Indizien, aufgrund derer eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auf Seiten des Vertragspartners angenommen werden kann. Hierauf wird sich der Insolvenzverwalter stützen und die gesetzliche Vermutung über die Nichtkenntnis der Zahlungsunfähigkeit widerlegen.
Wenn es diese Aspekte, aufgrund derer eine Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit durch den Vertragspartner angenommen werden kann, in einer Geschäftsverbindung gibt, bleiben Ratenzahlungsvereinbarungen einem Anfechtungsrisiko ausgesetzt.
Als Fachanwälte für Insolvenzrecht beraten wir Sie gerne Rund um das Thema Insolvenzanfechtung und zur Abwehr von Insolvenzanfechtungsansprüchen.
BGH zur Insolvenzanfechtung: Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei eigenen Erklärungen des Schuldners /Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung von Parteivortrag (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18)
BGH zur Insolvenzanfechtung: Vermutung der Zahlungsunfähigkeit bei eigenen Erklärungen des Schuldners /Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung von Parteivortrag (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18)
„Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht kommt dieser Verpflichtung nicht nach, wenn es entscheidungserheblichen Vortrag des Insolvenzverwalters zur Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht berücksichtigt“.
„Eigene Erklärungen des Schuldners dahingehend, dass er fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen kann, deuten auch dann auf eine Zahlungseinstellung hin, wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind“ (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18).
Mit Beschluss vom 05.03.2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin die Revision gegen ein Urteil des OLG Bamberg zugelassen.
Zum Fall
In dem Fall verlangte der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Rückgewähr von Zahlungen, die die Schuldnerin an den Beklagten leistete. Die Schuldnerin war mit der Befrachtung und Bewirtschaftung von Binnentankschiffen befasst und gehörte zu einer Holding. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestand ein sogenannter Zeitcharter-Vertrag. Dieser verpflichtete den Beklagten, der Schuldnerin das Tankmotorschiff C zur regelmäßigen Befrachtung zur Verfügung zu stellen. Als Gegenleistung hatte die Schuldnerin ein Entgelt zu entrichten. In der Zeit vom 1.11.2010 bis zum 15.02.2011 beglich die Schuldnerin gegenüber dem Beklagten offene Nutzungsentgelte in Höhe von € 251.981,60. Der Gesamtbetrag setzt sich zusammen aus elf Teilzahlungen. Die Teilzahlung vom 05.11.2010 wurde nicht von der Schuldnerin sondern auf deren Anweisung von ihrer Schwestergesellschaft geleistet. Diese tilgte mit dieser Zahlung eine Verbindlichkeit in entsprechender Höhe gegenüber der Schuldnerin.
Kläger macht Insolvenzanfechtungsansprüche geltend
Der Kläger verlangt die Rückgewähr aller elf Teilzahlungen unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung. Die Schuldnerin sei spätestens ab dem 01.112.2010 zahlungsunfähig gewesen und sowohl die Schuldnerin selbst auch der Beklagte hätten von der Zahlungsunfähigkeit gewusst.
OLG gibt nur teilweise statt
Nachdem das Landgericht die Klage zurückgewiesen hat, verurteilte das Oberlandesgericht (OLG) den Beklagten zur Rückgewähr nur eines Teils des geltend gemachten Anspruchs. Die weitergehende Berufung wurde zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger wendet sich gegen dies
es Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit zu seinem Nachteil entschieden wurde.
BGH: Andere Teilzahlungen auch anfechtbar
Der BGH bestätigt das Berufungsgericht insoweit, dass eine Anfechtbarkeit aller noch streitgegenständlichen Teilzahlungen nach § 133 Abs. 1 InsO in Betracht kommt. Die in der Zeit von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen Zahlungen könnten zudem nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar sein. Entscheidend ist bei diesen Tatbeständen die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Das Berufungsgericht habe auch die Grundsätze der Zahlungsunfähigkeit beachtet.
Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG
Die Karslruher Richter sind allerdings der Ansicht, dass das Berufungsgericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG den bei seiner Würdigung entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen. So hat der Kläger in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen, dem Beklagten se jedenfalls im Sommer 2010 mitgeteilt worden, dass eine vollständige Begleichung offener Verbindlichkeiten nicht möglich sei. Es könne nur das gezahlt werden, was da sei. Eine derartige Erklärung spricht für eine Zahlungseinstellung zum 01.11.2010. Diesem Vortrag ist sowohl das LG als auch das OLG nicht ausreichend nachgegangen.
Eigene Erklärungen des Schuldners deuten auf Zahlungseinstellung hin, wenn sie mit Stundungsbitte versehen sind
Nach dem Vortrag des Klägers gab es kein konkretes Angebot Ratenzahlungen zu leisten. Erst recht wurde keine vollständige ratenweise Tilgung offener Forderungen in Aussicht gestellt. Die Revision wurde daraufhin zugelassen.
Hintergrund
Das entscheidende an diesem Beschluss ist zunächst die Aussage, dass entscheidungserheblicher Vortrag des Klägers stets zu berücksichtigen ist. Ansonsten stellt dies ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird verletzt.
Zum anderen gibt der BGH ein neues Indiz für eine Zahlungsunfähigkeit an, wonach eigene Erklärungen des Schuldners, dass er fällige Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann, auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind.
Anfechtungen nach §§ 133 Abs. 1 InsO und § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO
Sowohl für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO als auch für die Anfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO ist die Zahlungsfähigkeit des Schuldners in dem nach § 140 InsO maßgeblichen Zeitpunkt von Bedeutung.
Für die Deckungsanfechtung nach § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO muss der Schuldner zahlungsunfähig gewesen sein und der Anfechtungsgegner muss die Zahlungsunfähigkeit gekannt haben. Im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist die erkannte Zahlungsunfähigkeit nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ein gewichtiges Beweisanzeichen für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Anfechtungsgegners von diesem Vorsatz. Ein Schuldner, der zahlungsunfähig ist und seine Zahlungsunfähigkeit kennt, handelt in der Regel mit Benachteiligungsvorsatz (BGH, Urteil vom 14.09.2017 – IX ZR 3/16, WM 2017, 2319 Rn. 8). Dementsprechend erkennt der Anfechtungsgegner regelmäßig den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, wenn er um dessen Zahlungsunfähigkeit weiß (§ 133 Abs. 1 S. 2 InsO; BGH, Urteil vom 14.07.2016 – IX ZR 188/15, WM 2016, 1701 Rn. 14).
Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 S. 1 InsO
Das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit ist eines der häufigsten und am meist diskutierten Problem in der Insolvenzanfechtung. Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 InsO definiert. Sie liegt vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Legaldefinition hat manche Fragen aufgeworfen. Muss der Zustand des Geldmangels über eine längere Zeit bestehen (drei Monate, sechs Monate, zehn Monate etc.), so dass wirklich jede Hoffnung verloren ist? Genügt es, wenn der Schuldner noch über 50 % seiner Schulden zahlen kann? Können noch Sanierungsmaßnahmen eingeleitet werden? Der BGH vertritt in ständiger Rechtsprechung folgenden Standpunkt: Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, 90 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen.
Das ist in drei Schritten zu ermitteln:
- Zunächst muss der Geschäftsführer eine Liquiditätsbilanz (Aktiva und Passiva) erstellen, um den Deckungsgrad zu ermitteln (sog. betriebswirtschaftliche Methode).
- In einem zweiten Schritt muss die weitere Liquiditätsentwicklung für einen gewissen Zeitraum betrachtet werden. Denn nur eine vorübergehende Zahlungsunfähigkeit ist nicht ausreichend für die Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
- Im dritten Schritt muss die Höhe der Unterdeckung berechnet werden Denn bei der Mittelbeschaffung innerhalb des Drei-Wochen-Zeitraums muss der Schuldner nicht 100 % schaffen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf die Lücke aber nicht größer als 10 % sein. Umgekehrt gilt: Kann der Schuldner noch 90 % bezahlen, liegt eine unwesentliche Unterdeckung vor. Dann ist der Schuldner nicht zahlungsunfähig. Allerdings sind Grenzfälle denkbar. Ist die Lücke größer als 10 % (z.B. 30% Unterdeckung) und kommt der Schuldner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit (also auch später als drei Wochen) zu so viel Geld, dass er alle Gläubiger vollständig befriedigen kann, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn den Gläubigern ein Abwarten zumutbar ist.
Zahlungseinstellung als Unterfall der Zahlungsunfähigkeit
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit über komplizierte Rechnungen (mit den Kriterien „Fälligkeit“ und „ernsthaftes Einfordern“) ist nicht erforderlich, wenn sich aus dem Gesamtverhalten des Schuldners ergibt, dass dieser seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S.2 InsO). Im Fall der Zahlungseinstellung wird die Zahlungsunfähigkeit (widerlegbar) vermutet. Gerade bei der Insolvenzanfechtung (§§ 129 f. InsO) oder der Geschäftsführerhaftung (§64 S.1 GmbHG), die ebenfalls an das Kriterium der Zahlungsunfähigkeit anknüpfen, hält der BGH wenig vom Rechnen (= Liquiditätsbilanz), sondern urteilt lieber nach dem äußeren Eindruck. Liegen Indizien vor, die zeigen, dass der Schuldner nur noch „Löcher stopft“, erfolgt die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit rückblickend anhand der „Zahlungsmoral“ (ex post-Betrachtung). Grund dieser „Zahlungsmoral-Betrachtung“ ist, dass der BGH im Anfechtungsrecht Zeiträume weit vor dem Eröffnungsantrag beurteilen muss, für die keine exakten Liquiditätsrechnungen vorliegen.
Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz entbehrlich, wenn eine Zahlungseinstellung nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO die gesetzliche Vermutung der Zahlungsunfähigkeit begründet (BGH, Urteil vom 7.05.2015 – IX ZR 95/14, WM 2015, 1202 Rn. 12). Kennt der Gläubiger die Tatsachen, aus denen sich die Zahlungseinstellung ergibt, kennt er damit auch die Zahlungsunfähigkeit (BGH, Urteil vom 18.07.2013 – IX ZR 143/12, WM 2013, 1993 Rn. 17; vgl. auch Urteil vom 12.10. 2017 – IX ZR 50/15, WM 2017, 2322 Rn. 19).
Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Es muss sich mindestens für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck aufdrängen, dass der Schuldner außerstande ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen zu genügen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus. Das gilt selbst dann, wenn tatsächlich noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist (BGH, Urteil vom 12.10.2017, aaO Rn. 12 mwN). Die bloße Bitte um Ratenzahlung ist dagegen nicht relevant.
Allerdings deuten auch eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können, ebenfalls auf eine Zahlungseinstellung hin, auch wenn sie mit einer Stundungsbitte versehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2016 – IX ZR 242/13, WM 2016, 797 Rn. 8).
In der Praxis geht es meist um die Frage, ob und wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, was insbesondere bei juristischen Personen im Hinblick auf die Haftbarkeit der Organe für versäumte Insolvenzanträge von größter Bedeutung. Handeln Sie daher rechtzeitig und lassen Sie sich professionell beraten. Gerne beraten wir Sie als Fachanwälte für Insolvenzrecht umfassend zum Thema Insolvenzanfechtung und zur Abwehr von Insolvenzanfechtungsansprüchen.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet zum 30.09.2020 – Stellen Sie frühzeitig die Weichen zwischen Insolvenz – Eigenverwaltung oder Sanierung und Restrukturierung
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht endet zum 30.09.2020 – Stellen Sie frühzeitig die Weichen zwischen Insolvenz – Eigenverwaltung oder Sanierung und Restrukturierung
Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO
Die COVID-19 Pandemie entfaltet negative wirtschaftliche Auswirkungen auf viele Unternehmen, die Insolvenzen nach sich ziehen können. Im Insolvenzfall können nicht nur Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen (§ 14 der Insolvenzordnung (InsO)), sondern sind die Geschäftsleiter von haftungsbeschränkten Unternehmensträgern zur Stellung eines Insolvenzantrag verpflichtet. Nach §°15 a Absatz 1 Satz 1 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen, wenn eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet wird. Diese Pflicht ist straf- und haftungsbewehrt.
Suspendierung der Insolvenzantragspflicht endet zum 30.09.2020
Aus diesem Grund hat der Bundestag im März 2020 im Rahmen eines milliardenschweren Hilfspaketes beschlossen, dass die Insolvenzantragspflicht bis September 2020 ausgesetzt wird. Ziel der darin enthaltenen insolvenzrechtlichen Regelungen ist es, die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern, die infolge der COVID-19-Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Es soll vermieden werden, dass ein Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen muss, weil ein Antrag auf öffentliche Hilfen im Rahmen der Corona-Pandemie noch nicht bearbeitet wurde oder Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen noch nicht zum Erfolg geführt haben. Entscheidend ist die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht bis vorläufig zum 30. September 2020. Darüber hinaus enthält das Gesetz in § 4 eine Verordnungsermächtigung für das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (BMJV), wonach die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch einfache Rechtsverordnung bis zum 31.03.2021 verlängert werden kann.
Voraussetzungen der Suspendierung
Die Insolvenzantragspflicht ist also zum 30.09.2020 suspendiert, wenn der Schuldner zum 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig gewesen ist. Dann wird zugunsten des Schuldners vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.
Zahlungsunfähigkeit
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (BGH) liegt die Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens dann vor, wenn die Liquidität des Unternehmens weniger als 90 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, die Liquiditätslücke innerhalb von 3 Wochen nicht beseitigt werden kann und wenn nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zuzumuten ist. Zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit nach der betriebswirtschaftlichen Methode erstellt man zu einem bestimmten Stichtag einen Liquiditätsstatus über die zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Zahlungsmittel. Wird dann hierdurch festgestellt, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt, ist in einem weiteren Schritt ein Finanz- oder Liquiditätsplan für die folgenden 3 Wochen aufzustellen, mit dem zwischen einer Zahlungsunfähigkeit und einer vorübergehenden Zahlungsstockung unterschieden werden soll. Hierbei sind die Zahlen auf einen überschaubaren Zeitraum von 3 Wochen fortzuentwickeln, anhand der zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben.
Gesteigerte Sorgfaltspflichten beachten
Die Unternehmensleitung treffen aktuell gesteigerte Sorgfaltspflichten, vor allem ist eine intensive und laufende Überwachung der Liquiditäts- und Vermögenslage geboten. Die laufende Überwachung sollte in jedem Fall dokumentiert werden, um ein Haftungsrisiko für die Geschäftsleitung zu reduzieren. Bei absehbaren oder bereits eingetretenen Liquiditätsengpässen ist derzeit die Prüfung von kurzfristigen Finanzierungsmaßnahmen, z.B. Steuerstundungen, Stundung von Verbindlichkeiten (Miete, Kredite, Leasing), Entlastung von Lohnzahlungen oder die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen auf Bundes und Landesebene (u.a. direkte Zuschüsse und KfW-verbürgte Kredite) und die Beantragung von Kurzarbeitergeld zu prüfen.
Wir beraten Sie gerne zur Frage der Insolvenzantragspflicht und der ggf. gleichwohl bestehenden Weichenstellung zwischen Insolvenz- ggf. in Eigenverwaltung, Fortführung unter Neukreditierung oder Liquidation.
BGH zur Vaterschaftsanfechtung: Recht der Mutter zur Anfechtung der Vaterschaft reicht weit
BGH zur Vaterschaftsanfechtung: Recht der Mutter zur Anfechtung der Vaterschaft reicht weit
Die Mutter eines Kindes hat grundsätzlich das Recht, nachträglich die Vaterschaft anzufechten. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sie den Mann schwanger geheiratet hat und beide von vornherein wussten, dass das Kind nicht von ihm ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden (Beschluss vom 18.03.2020, Az.: XII ZB 321/19).
Hintergrund
In dem zugrundeliegenden Fall geht es um ein Paar aus Bayern, welches sich mehrfach getrennt hatte und immer wieder zusammengekommen war. Während einer ungefähr halbjährigen Beziehungspause wurde die Frau von einem anderen Mann schwanger. Kurz darauf heiratete sie im Mai 2016 ihren ursprünglichen Partner. Als im Oktober die kleine Tochter zur Welt kam, wurde er damit rechtlich der Vater. Die Beziehung hielt aber nur noch ein knappes Jahr. Nach der Trennung beantragte die Frau im Juli 2018 beim Amtsgericht Hof die Feststellung, dass ihr Exmann nicht der leibliche Vater ist.
Der Mann wehrte sich dagegen beim Oberlandesgericht Bamberg und schließlich beim BGH, jeweils ohne Erfolg.
Rechtslage
Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann die Mutter die Vaterschaft anfechten. Der Gesetzgeber hat das Anfechtungsrecht der Mutter stark ausgestaltet. So kann dieses – mit der Ausnahme von Samenspenden – nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Die Anfechtung soll in der Regel in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes erfolgen, solange die Bindung an den Vater noch nicht so stark entwickelt ist. Weitere Einschränkungen, insbesondere das Kindeswohl, gibt es nicht. Anderes gilt nur, wenn die Mutter als Vertreterin des Kindes die Vaterschaft anfechtet.
Der 12. Zivilsenat des BGH teilt die Rechtsauffassung der Mutter und bestätigt so auch den Gesetzgeber. Den Karlsruher Richtern nach sei einzige Bedingung für das Anfechtungsrecht der Mutter, dass die Anfechtung in der Regel in den ersten zwei Lebensjahren des Kindes erfolgt, solange die Bindung an den Vater nicht so stark entwickelt sei. Es stünden nämlich widerstreitende Grundrechtspositionen gegenüber, namentlich die jeweils von Art. 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) geschützte elterliche Sorge sowohl der Mutter als auch des Vaters, die auch die Entscheidung über eine Anfechtung und das dadurch mittelbar betroffene Sorgerecht hat. Hinzu kommt das Recht des Kindes auf Erhalt seiner rechtlichen sozialen familiären Zuordnung aus Art. 6 Abs. 1 GG. Durch die Anfechtungsfrist habe der Gesetzgeber dem Rechnung getragen und einen Ausgleich geschaffen.
Kein rechtsgeschäftlicher Verzicht möglich
Der BGH bleibt seiner bisherigen Linie treu und bestätigt hier, dass ein rechtsgeschäftlicher Ausschluss des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft nicht möglich ist, so dass ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht wirkungslos ist (BGH, NJW 1995,2921). Einen Verzicht hätte man hier in der Eingehung der Ehe mit dem Exmann, der nicht der Vater ist, sehen können.
Kein Rechtsmissbrauch durch widersprüchliches Verhalten
Nach Ansicht des BGH liegt in diesem Fall auch kein Rechtsmissbrauch wegen widersprüchlichen Verhaltens vor. Dass durch die Anfechtung die seelische Entwicklung des Kindes beeinträchtigt werde, sei nicht ersichtlich. Die Richter gehen aber davon aus, dass den Mann ein Umgangsrecht eingeräumt werden dürfte, um den negativen Auswirkungen der Trennung zu begegnen.
Die Anfechtung der Vaterschaft kommt infrage, wenn der rechtliche Vater nicht auch der biologische Vater des Kindes ist. Aber welche Voraussetzungen und Konsequenzen gilt es zu beachten? In unserer auf das Familienrecht spezialisierten Kanzlei beraten und vertreten wir Sie in allen Fragen der Vaterschaft.
Hohes Haftungsrisiko von Steuerberatern bei Insolvenzen - Steuerberater muss Mandant unverzüglich auf Insolvenzreife hinweisen
Hohes Haftungsrisiko von Steuerberatern bei Insolvenzen - Steuerberater muss Mandant unverzüglich auf Insolvenzreife hinweisen
Das Haftungsrisiko von Steuerberatern liegt laut einer Umfrage des D&O- Versicherers VOV und des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) noch über dem von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern. 65 Prozent der in Deutschland tätigen Insolvenzverwalter stufen die Gefahr, dass Steuerberater künftig vermehrt selbst haften, falls ein Klient zahlungsunfähig wird, als hoch oder sehr hoch ein.
Steuerberater muss Klient unverzüglich auf die Insolvenzreife hinweisen
Bereits im Januar 2017 hat der BGH die Haftung von Steuerberatern bei einer Firmenpleite bzw. Insolvenz stark verschärft (BGH, Urteil vom 26.01.2017, Az.: IX ZR 285/14). Falls ein Klient zahlungsunfähig wird, muss er vom Steuerberater unverzüglich auf die Insolvenzreife des Unternehmens hingewiesen werden. In dem zugrundeliegenden Fall hat der BGH einen Steuerberater in Haftung genommen, weil dieser bereits im Rahmen des Mandats für die Erstellung des Jahresabschlusses verpflichtet sein soll zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit seines Mandanten entgegenstehen könnten. Zwar ist der Steuerberater nicht verpflichtet von sich aus eine Fortführungsprognose zu erstellen und hierfür erhebliche Tatsachen zu ermitteln. Er kann jedoch in Regress genommen werden, wenn er im Jahresabschluss angesichts einer bestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft objektiv zu Unrecht mit Fortführungswerten bilanziert. Dies ist umso problematischer, da die Insolvenzreife oft auch erst später klar ersichtlich ist. Besteht für eine Kapitalgesellschaft ein Insolvenzgrund, scheidet eine Bilanzierung nach Fortführungswerten aus, wenn innerhalb des Prognosezeitraumes damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen noch vor dem Insolvenzantrag, im Eröffnungsverfahren oder alsbald nach Insolvenzeröffnung stillgelegt werden wird.
Mangel des Jahresabschlusses und Hinweispflicht
In derartigen Fällen ist der Steuerberater gegenüber dem späteren Insolvenzverwalter insbesondere aufgrund zweier Aspekte haftungsgefährdet. Zunächst wertet der BGH allein die Tatsache, dass der Berater in einem entsprechenden Krisenmandat Fortführungswerte in der Bilanz ausgewiesen hat, obwohl an der Fortführung zumindest ernstliche, nicht ausgeräumte Zweifel bestehen konnten, als Mangel des Jahresabschlusses. Unabhängig vom eigentlichen Auftragsumfang bei der Jahresabschlusserstellung soll dies bereits für die Steuerberaterhaftung reichen.
Weiterhin legt der BGH dem Steuerberater auch noch eine Hinweispflicht auf. Danach hat der mit der Erstellung des Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragte Steuerberater die Mandantin auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht ihres Geschäftsführers hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Ein aufgrund dieser Pflicht unterbliebener Hinweis könnte selbst dann zum Schadensersatz führen, wenn der Jahresabschluss mangelfrei ist.
Kein vertraglicher Ausschluss von Prüfungspflichten
Selbst wenn man vertraglich den Ausschluss von insolvenzrechtlichen Prüfungspflichten vereinbart, würde aufgrund der harten Linie des BGH dies den Steuerberater nicht vor einer Haftung schützen.
Aufpassen und rechtzeitig handeln!
Für den Steuerberater reicht es nicht aus, dem Betrieb lediglich mitzuteilen, dass das Unternehmen überschuldet ist. Er muss die verantwortlichen Geschäftsführer explizit darauf hinweisen, dass ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Wie erwähnt, besteht sogar die Gefahr, dass der Steuerberater wegen Insolvenzverschleppung angezeigt wird und seine Zulassung verliert. Insbesondere Zahlungen, welche die Geschäftsführer zwischen Insolvenzreife und Insolvenzantrag tätigen sind problematisch. Der Steuerberater muss genau erkennen, wann ein Unternehmen insolvenzreif ist und dies unverzüglich anzeigen. Falls der Steuerberater gegen diese Pflicht verstößt, kann er selbst in Haftung genommen werden und muss den dadurch entstandenen Schaden aus seinem Vermögen zahlen. Insolvenzverwalter nehmen häufig Steuerberater in Anspruch. Dabei lassen sie sich die Schadensersatzansprüche der Kunden abtreten, um direkt gegen den Steuerberater vorgehen zu können. Dieser sollte daher frühzeitig auf die Folgen einer verspäteten Insolvenzantragstellung hinweisen und im Notfall das Mandat niederlegen.
Wie können Sie sich als Steuerberater schützen?
Um sich gegen oben beschriebene Haftungsansprüche frühzeitig und bestmöglich zu schützen, sollten Sie sich unbedingt einen Rechtsbeistand suchen. In unserer auf das Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei prüfen wir Ihre aktuelle rechtliche Situation und eine mögliches Haftungsrisiko bei Krisenmandaten. Falls Sie bereits von einem Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wurden, vertreten wir Sie gerne, um eine Haftung möglichst noch abzuwenden.
BGH: Urteil im Abgasskandal- VW muss Kunden entschädigen
BGH: Urteil im Abgasskandal- VW muss Kunden entschädigen
Die lang ersehnte Entscheidung des BGH zum Abgasskandal ist da: VW- Kunden steht im Abgasskandal grundsätzlich Schadensersatz zu. Sie müssen sich aber die Nutzung des Wagens anrechnen lassen.
In unserem letzten Blogeintrag zum Dieselskandal haben wir bereits über die drohende Niederlage von VW in einem Schadensersatzverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) berichtet. Nun ist die mit Spannung erwartete Entscheidung des obersten deutschen Zivilgerichtes endlich da, und sie bedeutet für VW eine herbe Niederlage. In dem Verfahren ging es um mögliche Schadensersatzansprüche eines Autokäufers gegen VW. Der Kläger hatte das gebrauchte Dieselfahrzeug (VW Sharan 2.0 TDI), ausgestattet mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Anfang 2014 bei einem Autohändler gekauft und € 31.500,00 dafür bezahlt. Das Kraftfahrtbundesamt stellte fest, dass die Motorsteuerung eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und gab VW auf, diese zu beseitigen. Der Kläger ließ im Februar 2017 ein Software- Update aufspielen. Wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung will der Kläger den Gebrauchtwagen zurückgeben und den vollen Kaufpreis wiederhaben. Das zunächst zuständige Landgericht Bad Kreuznach hatte die Klage abgewiesen, in der nächsthöheren Instanz hatte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz dem Kläger dann einen Teil des Geldes zugesprochen. Gegen dieses Urteil vom Juni 2019 hatten beide Seiten Revision eingelegt.
BGH bejaht Anspruch auf Schadensersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs
Der BGH bejahte am Dienstag den Anspruch des Käufers auf Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus § 826 BGB. Damit steht fest, dass der VI. Zivilsenat des BGH im Verbau von Abschalteinrichtungen, die dazu führen, dass die Fahrzeuge auf dem Prüfstand einen niedrigeren Stickoxidausstoß haben als sie im Normalbetrieb tatsächlich ausstoßen, eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch VW sieht. Auch Käufer, die ihre Fahrzeuge gebraucht und nicht beim VW- Händler erworben haben, können ihren Kaufvertrag rückabwickeln.
Verhalten von VW besonders verwerflich
Laut dem BGH war das Verhalten von VW „mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren“. VW habe mit dem Einbau der Abschalteinrichtung das Kraftfahrtbundesamt „systematisch und langjährig“ über die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Werte getäuscht. Günstiger zu produzieren und seinen Gewinn zu erhöhen, ist an sich ein erlaubtes Ziel, stellte der Vorsitzende Stephan Seiters klar. Allerdings wurde dadurch die Umwelt mit mehr Stickoxiden belastet als zulässig und andererseits habe die Gefahr bestanden, dass sämtliche Fahrzeuge der Baureihe EA 189 stillgelegt werden könnten, wenn die Täuschung herauskäme. Derartige Fahrzeuge hat VW in siebenstelliger Stückzahl allein in Deutschland verkauft. Der VW Konzern handelte daher im Verhältnis zu den Käufern dieser Fahrzeuge besonders verwerflich. Man habe auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung arglistig Genehmigungen erschlichen und sich dabei die Arglosigkeit und das Vertrauen der Käufer gezielt zunutze gemacht, begründet der Senat seine Entscheidung.
VW Konzern wusste, was er tut
Diese Entscheidung rechnet der BGH den bei VW Handelnden auch über § 31 BGB zu. Namentlich der Leiter der Entwicklungsabteilung und die vormaligen Vorstände hätten die Entscheidung für die Abschalteinrichtung wenn nicht selbst getroffen, so doch zumindest gekannt und gebilligt.
Schaden, da Vertrag so nicht gewollt
Den Käufern sei durch das vorsätzliche sittenwidrige Verhalten ein Schaden entstanden, da sie Verträge eingegangen sind, die sie sonst nicht abgeschlossen hätten. Hätten sie von den illegalen Abschalteinrichtungen gewusst, hätten sie die Fahrzeuge nicht gekauft. Maßgeblich für die Beurteilung des Schadens im vorliegenden Fall war der Zeitpunkt des Autokaufs im Jahr 2014, stellte der Senat klar. Das drei Jahre später aufgespielte Softwareupdate mache den Kaufvertrag nicht rückwirkend wirksam und ändere auch nichts am längst entstandenen Anspruch, so gestellt zu werden, als ob man das Auto nicht gekauft hätte.
Nutzung wird angerechnet
Die Geschädigten bekommen allerdings nicht den gesamten Kaufpreis zurück, den sie bezahlt haben, sondern müssen sich den Wert der gefahrenen Kilometer von ihrem Entschädigungsanspruch abziehen lassen. Dieses Ergebnis wird von Anwälten der Geschädigten seit Jahren als unbillig moniert. Der BGH hält an dieser verbraucherunfreundlichen Entscheidung aber fest und erklärte sogar ein angeregtes Vorabentscheidungsverfahren an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) für nicht nötig. Es bleibt als bei der Anrechnung der gefahrenen Kilometer, auch wenn VW seine Kunden sittenwidrig getäuscht hat. Der Senat verwies auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot, nach dem ein Geschädigter nicht bessergestellt werden darf als er ohne das schädigende Ereignis stünde.
VW setzt auf Einmalzahlungen
VW kündigte an, verbleibenden Klägern Einmalzahlungen anzubieten. Man sei bestrebt, die laufenden Verfahren im Einvernehmen mit den Klägern zeitnah zu beenden.
Weitere Entscheidungen des BGH zu anderen Baureihen
Der BGH hat bereits für Juli die nächsten drei Verhandlungen zu anderen Diesel-Fällen angesetzt, weitere sollen folgen. Auf den im Rahmen einer musterfeststellungsklage ausgehandelten Vergleich hat das Urteil keine Auswirkungen mehr.
Fazit
Die Entscheidung des BGH stellt für viel Fälle eine Weichenstellung dar. Es wurde nun höchstrichterlich entschieden, dass den Geschädigten ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages zusteht. Das Ergebnis, wonach man sich die Nutzung des Fahrzeuges anrechnen lassen muss, ist nichts neues. In einer Reihe von Vergleichen mit VW haben wir uns dementsprechend geeinigt. Unsere Mandanten konnten in der Regel zwischen einem Rückkauf des Fahrzeuges bei Anrechnung der Nutzungsentschädigung oder einem Vergleich durch Einmalzahlung eines bestimmten Betrages wählen. In den meisten Fällen verfügten unsere Mandanten über eine Rechtsschutzversicherung, die die Anwalts- und Gerichtskosten übernommen hat, so dass kein Kostenrisiko bestand. Auch Käufer anderer Marken wie Audi, Daimler, BMW sollten ihre Ansprüche prüfen.
Gerne beraten wir Sie zum Thema Abgasskandal und der Möglichkeit Ihre Ansprüche gegenüber den Autobauern (Audi, Daimler, BMW etc.) durchzusetzen. Sollten Sie über eine Rechtschutzversicherung verfügen, klären wir für Sie gerne im Vorfeld die Kostenübernahme.
Dieselskandal: VW droht Niederlage vor dem BGH- Neue Hoffnung für Geschädigte
Dieselskandal: VW droht Niederlage vor dem BGH- Neue Hoffnung für Geschädigte
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun erstmals über eine Klage wegen des VW- Dieselbetruges verhandelt. Die Richter deuteten an, dass sie eher auf der Seite der Kunden stehen als auf der von VW. In dem Verhandlungstermin am 05. Mai 2020 ist deutlich geworden, dass der VI. Zivilsenat des BGH aller Voraussicht nach die Volkswagen AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadensersatz verurteilen wird.
In dem Verfahren vor dem BGH geht es um mögliche Schadensersatzansprüche eines Autokäufers gegen VW. Der Kläger hatte das gebrauchte Dieselfahrzeug (VW Sharan 2.0 TDI), ausgestattet mit einem Dieselmotor des Typs EA 189, Anfang 2014 bei einem Autohändler gekauft und € 31.500,00 dafür bezahlt. Das Kraftfahrtbundesamt stellte fest, dass die Motorsteuerung eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und gab VW auf, diese zu beseitigen. Der Kläger ließ im Februar 2017 ein Software- Update aufspielen. Wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung will der Kläger den Gebrauchtwagen zurückgeben und den vollen Kaufpreis wiederhaben. Das zunächst zuständige Landgericht Bad Kreuznach hatte die Klage abgewiesen, in der nächsthöheren Instanz hatte das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz dem Kläger dann einen Teil des Geldes zugesprochen.
Gegen dieses Urteil vom Juni 2019 hatten beide Seiten Revision eingelegt. Das Urteil des BGH wird für den 25. Mai erwartet. Doch bereits zum Verhandlungsauftakt wurde klar, dass der BGH Volkswagen wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verurteilen wird. Die Argumente der VW AG konnten das Gericht nicht überzeugen. Große Zweifel hatten die Bundesrichter insbesondere an der Darstellung von VW, den Kunden wäre durch den Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung kein Schaden entstanden. Dieser bestehe in der Gefahr der Stilllegung des KfZ, den höheren Kosten einer Nachrüstung sowie in der enttäuschten Erwartung, mit einem sauberen Diesel einen Teil zum Umweltschutz beitragen zu wollen. Zudem müsse sich der Konzern das Handeln leitender Angestellter zurechnen lassen, auch wenn diese nicht im Vorstand sind. VW versucht derweil die Auswirkungen des zu erwartenden Urteils möglichst klein zu reden und ließ verlautbaren, dass es keinen Anlass für neue Klagen geben werde. Dies allein wegen der hohen Annahmequote im Massenvergleich in dem Musterfeststellungsklageverfahren und der Verjährung von Ansprüchen, die nicht zu der Musterfeststellungsklage angemeldet worden waren.
So einfach wird Volkswagen sich nicht aus der Affäre ziehen können. Diejenigen Autobesitzer, die trotz Anmeldung zur Musterfeststellungsklage kein Vergleichsangebot von VW erhalten haben, da sie die Autos erst nach dem 31.12.2015 gekauft haben, sollten ihre Ansprüche mit einer Einzelklage weiterverfolgen. Es bestehen gute Chancen, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Dies gilt auch für diejenigen, die bisher noch gar keine rechtlichen Schritte unternommen haben. VW pocht zwar auf eine dreijährige Verjährungsfrist in zwei Varianten: Die erste beginnt Ende 2015 zu laufen und endet 2018. Die zweite beginnt Ende 2016 und endet 2019. Normalerweise beginnt die Verjährungsfrist gegen Ende des Jahres zu laufen, in dem das Tatereignis stattfand. 2015 machte VW den Dieselskandal publik. Bisher ging man davon aus, dass die Verbraucher erst 2016 von dem Skandal informiert gewesen sein könnten. Demnach wären die Ansprüche am 01. Januar 2020 verjährt. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt hierzu noch nicht vor. Allerdings gibt es aktuelle Tendenzen in der Rechtsprechung dahingehend, dass die Verjährungsfrist aufgrund der unklaren Rechtslage noch gar nicht in Gang gesetzt worden ist.
So führt auch das Landgericht Trier in seinem Urteil vom 19.09.2019 – Az.: 5 O 417/18 aus, „dass die Verjährungsfrist erst beginne, wenn für die geschädigten Autokäufer eine zutreffende Einschätzung der Rechtslage möglich sei. Da es bis jetzt aber keine Entscheidung des BGH zu den Abgasmanipulationen gebe, habe die dreijährige Verjährungsfrist noch gar nicht zu laufen begonnen“. Nach unserer Auffassung können die Ansprüche aufgrund der unklaren Rechtslage daher auch noch im Jahr 2020 durchgesetzt werden. Besitzer der Marken VW, Audi, Seat und Skoda mit Dieselmotoren des Typs EA 189 sollten spätestens jetzt tätig werden. Wenn der Betroffene über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, besteht zudem kein Kostenrisiko, da die Versicherer in der Regel die Kosten für das gerichtliche Verfahren übernehmen.
Gerne beraten wir Sie zum Thema Dieselskandal und der Möglichkeit Ihre Ansprüche gegenüber den Autobauern durchzusetzen. Sollten Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, klären wir für Sie gerne im Vorfeld die Kostenübernahme.
Insolvenzgefahr für Ihr Unternehmen – prüfen Sie die Insolvenzfestigkeit Ihrer Vermögensstruktur und vermeiden Sie persönliche Haftungsrisiken
Insolvenzgefahr für Ihr Unternehmen – prüfen Sie die Insolvenzfestigkeit Ihrer Vermögensstruktur und vermeiden Sie persönliche Haftungsrisiken.
In Folge der Corona-Pandemie befinden sich viele Unternehmen, namentlich Kapital- und Personengesellschaften -insbesondere im Mittelstand- in der Krise. Insolvenzantragspflichten sind zunächst bis zum 30.09.2020 suspendiert, sofern zum 31.12.2019 die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens durch Vorlage eines Liquiditätsstatus auf diesen Stichtag beweisbar ist.
Allerdings verläuft die Kreditvergabe der KfW-Mittel nur zögerlich, die weiteren zeitlichen und politischen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind aktuell nicht absehbar. Vor diesem Hintergrund ist mit weiter reichenden negativen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Unternehmen, insbesondere im Mittelstand zu rechnen.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, neben der insolvenzrechtlichen Situation und möglichen Sanierungs- und Restrukturierungsansätzen auf der Ebene Ihres Unternehmens auch Ihre private Vermögenssituation und -Struktur mit Blick auf die mögliche persönliche Inhaftungnahme von Gläubigern zu überprüfen. Dazu ist in einem ersten Schritt festzustellen, welchen Gläubigern gegenüber Sie persönlich schuldrechtlich bzw. im Wege der Durchgriffshaftung mit ihrem Privatvermögen im ausgesetzt wären.
In diesem Kontext ist besonderes Augenmerk auf Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Ihrer Organtätigkeit als Geschäftsführer verbunden mit den dortigen insolvenzrechtlichen Risiken, insbesondere gemäß §§ 64, 43 GmbH-Gesetz sowie auf mögliche Insolvenzanfechtungsansprüche zu legen. Weiterhin ist die Wirksamkeit des Bestehens von Bürgschaftsverpflichtungen, Schuldbeitritten und sonstigen persönlichen Haftbernahmen schuldrechtlich zu prüfen.
Dies gilt insbesondere auch für etwaige Mitverpflichtungen im Zusammenhang mit Miet- oder Pachtverträgen, wo eine Haftung für den Verfrühungsschaden im droht. Schon eine Sensibilisierung für die insolvenz- und gesellschaftsrechtlich gebotenen Verhaltensweisen und Vorkehrungen und eine Prüfung bestehender Haftübernahmeverpflichtungen und deren mögliche Unwirksamkeit können Haftungsrisiken verringern.
Daneben ist die Insolvenzfestigkeit Ihrer privaten Vermögenswerte zu prüfen. Gegebenenfalls verfügen Sie bereits über eine Familienpool GbR oder eine das Familienvermögen verwaltende GmbH & Co. KG. Hier wären die im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelungen für Ihre Beteiligung auf die Insolvenzfestigkeit hin zu prüfen.
Weiterhin beraten wir Sie zu Möglichkeiten der vorweggenommenen Erbfolge und insgesamt zur bestehenden erbrechtlichen Situation, um gegebenenfalls im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge für Sie sichere Lösungen zu finden und im Kontext mit der Gesamterbfolgesituation auch aus Ihrer vorhergehenden Generation Haftungsrisiken durch Vermögensdurchgänge bei Ihnen zu vermeiden.
Ein weitere Blick gebührt Ihren Lebensversicherungsverträgen.
Hier ist zu prüfen, ob die von Ihnen gewählte Bezugsrechtslösung insolvenzfest ist. In Folge der weiteren Auswirkungen der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden wirtschaftlichen Risiken ist es sinnvoll, in dem aufgezeigten Gesamtkontext die für Sie persönlich bestehenden Haftungsrisiken zu erkennen, zu vermeiden und Ihr Vermögen zu schützen.
Als Fachanwälte für Insolvenzrecht beraten wir Sie gerne im Rahmen eines umfassenden Beratungsgespräches zu Ihrer Vermögensstruktur. In der weiteren Konzeption für Ihre vermögensstruktur verfügen wir über ein interdisziplinäres Team von Spezialisten im Gesellschafsrecht, Erbrecht und Familienrecht und ziehen gerne für steuerliche Fragen Ihren Steuerberater hinzu.