Sportrecht: FIFA will Provisionen für Spielerberater ab 2021 deckeln
Sportrecht: FIFA will Provisionen für Spielerberater ab 2021 deckeln
Der Weltfußballverband FIFA plant, die Vergütung für Spielerberater ab dem Jahr 2021 bei zehn und drei Prozent der Ablösesumme zu deckeln. Hintergrund sind die in den letzten Jahren exorbitant gestiegen Provisionen der Berater, die auch die Verhandlungen für die beteiligten Klubs immer mehr erschweren.
Deckelung bei zehn und drei Prozent
Konkret bedeutet das, dass bei einem Arbeitsvertrag drei Prozent des Gehalts des Spielers als Provision erlaubt sind, bei einem Transfervertrag sind es zehn Prozent der Ablöse.
DFVV sieht unberechtigten Eingriff in deutsches Recht
Die Spielervermittler-Vereinigung DFVV sieht die Drei-Prozent-Regelung indes kritisch. So hält Gregor Reiter, Geschäftsführer der DFVV, „die FIFA-Regelung für einen ungerechtfertigten Eingriff von außen in das deutsche Recht“. Das deutsche Recht kennt keine Obergrenze für Vergütungen im Profisport.
Vereinbarkeit mit deutschem Recht?
Die FIFA mit Sitz in Zürich ist nach dem Vereinsrecht der Schweiz organisiert, bestimmt aber dennoch die Regeln im Fußball in allen Ländern der Welt. Die Vergütung für den Berater des Klubs, der einen Spieler abgibt, soll nach dem Willen der FIFA bei zehn Prozent der Ablösesumme gedeckelt werden. Spielerberater des aufnehmenden Vereins sollen höchstens drei Prozent des Jahresgehaltes bekommen. Die Regel soll ab September nächsten Jahres greifen. Das deutsche Recht kennt eine solche Obergrenze im Profisport nicht. Der Spielerberater kann die Summe mit dem Klub individuell festlegen.
Bundesregierung gibt FIFA freie Hand bei Provisionen
Die Bundesregierung hält den Vorstoß der FIFA dennoch für gerechtfertigt, auch wenn hierdurch faktisch deutsches Recht ausgehebelt wird. Das geht aus der Antwort einer kleinen Anfrage der FDP hervor. In der Stellungnahme des Bundesinnenministeriums hieß es, dass die Regelung der FIFA nicht im Widerspruch zur Vermittler-Vergütungsordnung stehe. So bestehe insoweit auch kein Konflikt zwischen nationalem Recht und dem Reglement der FIFA. Die FDP erstaunt die Einschätzung des Ministeriums. „Es geht einfach darum, dass die Bundesregierung nicht erkennt, dass die FIFA mit der neuen Vorgabe über Umwege Einfluss in unser nationales Recht nehmen kann“, sagte die sportpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Britta Dassler, in der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Sie sieht die Fußballklubs und die Vermittler vor einem Dilemma. Halten sie sich ab Herbst nächsten Jahres nicht an die Bestimmungen der FIFA, droht ihnen eine Strafe des Weltverbandes, der über den Deutschen Fußballbund (DFB) zugreifen würde. Dassler fordert von der Bundesregierung, Klarheit zu schaffen. „Die Bundesregierung muss jetzt schnell einen Weg finden und die Richtung vorgeben“, meinte die FDP-Abgeordnete.
Spielervermittler haben viel zu verlieren
Finanziell viel zu verlieren haben die Spielervermittler. Vor Corona hatten sich ihre Honorare für ihre Dienste in der ersten und zweiten Bundesliga auf 200 Millionen Euro pro Jahr summiert. Von den enormen Summen, die aus Werbung und Fernsehrechten in den Sport flossen, haben sie sich ihren nicht gerade kleinen Teil abgeschnitten. Der italienische Spielerberater Mino Raiola soll beispielsweise mit dem Wechsel von Weltstar Paul Pogba zu Manchester United 49 Millionen Euro verdient haben.
Diskussion: Sind die hohen Einkünfte vertretbar?
Der Geschäftsführer des DFVV, Gregor Reiter, weiß, „dass die Höhe der Honorare vielen Fans sauer aufstößt. Wir müssen die Werte-Diskussion um die Höhe der Provisionen der Spielervermittler trennen von der bewussten Missachtung nationaler Gesetze durch die FIFA“, sagte Reiter der Augsburger Allgemeinen. Es könne nicht sein, dass „ein privater Verein nach Schweizer Recht versucht, die Gesetze unseres Landes zu umgehen.“ Der DFVV-Chef kündigte an, dass sich seine Branche der Diskussion darüber stellen werde, ob ihre hohen Einkünfte vertretbar seien. Die Bundesregierung müsse sich aber zuvor dem Rechtsbruch durch den Weltverband widersetzen. In Deutschland arbeiten etwa 500 Spielervermittler im Profifußball.
Die Diskussion über die neue FIFA-Regelung spiegelt DAS Problem des Sportrechts wieder: die Spannung zwischen dem staatlichen Recht und dem autonom geschaffenem Recht des Sports (Verbandsrecht, Sportgerichte etc.). Gerade im Bereich der Spielervermittlung und den Rechtsbeziehungen zwischen Spielervermittler und Spieler sind profunde Kenntnisse im Makler- und Vertragsrecht notwendig, um ein optimales Ergebnis für seine Partei zu erzielen. In unserer auf das Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen rund um arbeits- und gesellschaftsrechtliche Vertragsgestaltung und -verhandlung, der Durchsetzung von Provisionsansprüchen, der Erstellung von Satzungen und Ordnungen, sowie als Vertretung in arbeitsgerichtlichen Verfahren kompetent zur Seite.
Arbeitsrecht: Resturlaub 2020
Arbeitsrecht: Resturlaub 2020
Das Jahresende rückt immer näher und damit auch die Problematik, was mit noch offenem Resturlaub geschieht. Als Arbeitgeber möchte man stets verhindern, dass Arbeitnehmer Urlaubstage ansparen und diese mit ins nächste Jahr übertragen. Arbeitgeber sollten daher spätestens jetzt daran denken, dafür Sorge zu tragen, dass der noch offene Resturlaub 2020 von den Mitarbeitern in Anspruch genommen wird. Noch offener Resturlaub verfällt nicht automatisch zum Jahresende.
Aufforderung durch den Arbeitgeber
Als Arbeitgeber müssen Sie , damit der Jahresurlaub zum Jahresende verfällt, konkret, individuell und mindestens in Textform (E-Mail) ihren Mitarbeiter auffordern, den bezifferten Resturlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Jahres genommen werden kann und über die Folgen belehren, die eintreten, wenn der Urlaub nicht entsprechend bis Jahresende beantragt und genommen wird, nämlich den Verfall des genommenen Urlaubs.
Nachholen der Aufforderung
Ist eine derartige Belehrung bisher unterblieben, sollten Sie Ihre Erklärung jetzt nachholen, sofern noch Gelegenheit besteht, den Urlaubsanspruch tatsächlich zu realisieren.
Versäumen Sie es als Arbeitgeber, Ihre Mitarbeiter im laufenden Urlaubsjahr (und in den Vorjahren) zu belehren, verfällt der Urlaub (auf jeden Fall der gesetzliche Mindesturlaub, aber auch der freiwillige Mehrurlaub, sofern keine anderen arbeitsvertraglichen Regelungen getroffen wurden) nach der Rechtsprechung des BAG und des EuGH nicht. Vielmehr wird dieser automatisch bis zum 31.03. des Folgejahres übertragen. Aber auch dann müssen Sie als Arbeitgeber Ihren Mitarbeitern den Hinweis konkret und individuell erteilen, da der übertragene Urlaub dann auch nicht am 31.03. verfällt. Sie müssen also dann über die konkrete Anzahl der übertragenen Urlaubstage unterrichten und Ihre Mitarbeiter auffordern, die übertragenen Urlaubstage noch innerhalb des Übertragungszeitraums bis zum 31.03. zu nehmen und zugleich darüber belehren, dass der Resturlaub ansonsten erlischt.
Bei Fragen in Bezug auf das Urlaubsrecht stehen wir Ihnen als Fachanwalt für Arbeitsrecht mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.
Arbeitsrecht: Altersdiskriminierung aufgrund Stellenanzeige
Arbeitsrecht: Altersdiskriminierung aufgrund Stellenanzeige
Bietet der Arbeitgeber in einer Stellenanzeige eine „zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, dynamischen Team“, so liegt hierin eine Tatsache, die eine Altersdiskriminierung aufgrund Stellenanzeige eine nicht eingestellten 61-jährigen Bewerbers wegen des Alters nach § 22 AGG vermuten lässt (LAG Nürnberg, Urteil vom 25.05.2020 – 2 Sa 1/20).
Hintergrund
Der 61-jährige Kläger ist Diplomkaufmann und seit 1996 im SAP-Bereich tätig. Er verfügt über diverse Zertifizierungen und Ausbildungen in dieser Richtung. Die Beklagte ist ein Unternehmen des Nahrungsmittelgroßhandels. Im März 2019 schaltete die Beklagte online eine Stellenanzeige, mit der sie einen „Mitarbeiter SAP-Anwendungsbetreuung (m/w/d)“ suchte. Der Eintritt sollte ab sofort erfolgen. Bezüglich des Karrierelevels war „Berufseinsteiger“ angegeben. Im Begleittext fand sich unter der Überschrift „Wir bieten Ihnen“ folgender Text:
„Zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hoch motivierten Team in einem sehr interessanten und abwechslungsreichen Themenumfeld …“ Gefordert war zudem die Vorlage von „aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen (wie Lebenslauf und vollständigen Zeugnissen)“.
Am 08.03.2019 bewarb sich der Kläger über das Online-Portal der Beklagten auf diese Stelle. Als Anlagen lud er jedenfalls seinen Lebenslauf sowie diverse Zertifikate hoch. Ob auch Arbeitszeugnisse hochgeladen wurden, ist streitig. Mit E-Mail vom 18.03.2019 lehnte die Beklagte die Bewerbung des Klägers nach Durchsicht seiner Unterlagen im Rahmen einer Vorauswahl ab mit der Begründung, sich für andere Bewerber entschieden zu haben, die das spezielle Anforderungsprofil noch besser erfüllten ab. Zeitgleich hatte sich der Kläger auf zwei weitere Stellen bei einer anderen Firma beworben und hat hier ebenfalls Absagen erhalten.
Mit Schreiben vom 16.05.2019 machten die Klägervertreter gegenüber der Beklagten Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen einer behaupteten Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters geltend. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 31.05.2019 ab. Am 13.06.2019 ging die Klage auf Feststellung eines Schadensersatzes, Zahlung einer Entschädigung nicht unter € 26.000,00 und Erteilung einer Auskunft über das Gehalt des tatsächlich eingestellten Mitarbeiters beim Arbeitsgericht ein. Das Arbeitsgericht verurteilte die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von € 6.710,98 und wies die Klage im Übrigen ab. Die Beklagte legte hiergegen mit Schriftsatz vom 02.01.2020, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen, Berufung ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 09.03.2020, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, innerhalb der bis zu diesem Tage verlängerten Berufungsbegründungsfrist. Mit Schriftsatz vom 17.01.2020, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen, erhob der Kläger Anschlussberufung und begründete diese mit Schriftsatz vom 18.02.2020, beim Landesgericht Nürnberg am selben Tage eingegangen.
Entscheidung des LAG
Bietet der Arbeitgeber in einer Stellenanzeige eine „zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, dynamischen Team“, so liegt hierin eine Tatsache, die eine Altersdiskriminierung aufgrund Stellenanzeige eine nicht eingestellten 61-jährigen Bewerbers wegen des Alters nach § 22 AGG vermuten lässt. Dies hat das LAG Nürnberg mit Urteil vom 25.05.2020 so entschieden und dem klagenden 61-jährigen Dipl.-Kaufmann eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern zugesprochen. Die sich aus der Formulierung der Stellenanzeige ergebende Indizwirkung wurde durch die Beklagte nicht widerlegt, was im Übrigen aber nur dadurch hätte gelingen können, wenn die beklagte Arbeitgeberin hätte darlegen und beweisen können, dass ausschließlich andere Gründe als das alter für die Nichteinstellung maßgebend waren. Laut LAG kann auch die Begründung der Ablehnung einer Bewerbung wegen Lücken im Lebenslauf gerade bei älteren Bewerbern eine Altersdiskriminierung darstellen, nachdem gerade bei älteren Bewerbern solche Lücken im Lebenslauf durchaus häufiger anzutreffen seien als bei jüngeren Bewerbern.
Tipp: „hochmotiviert“, „jung“, „dynamisch“ vermeiden
Arbeitgeber sollten Bezeichnungen wie „hochmotiviert“, „jung“ und „dynamisch“ in Stellenanzeigen möglichst vermeiden. Das LAG Nürnberg folgt mit seinem Urteil der Rechtsprechung des BAG zu Stellenangeboten, die mit der Mitarbeit in einem „jungen, dynamischen Team“ warben (BAG, Urteil vom 19.05.2016 – 9 AZR 470/14) und nimmt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG an.
Haben Sie als Arbeitgeber Fragen zu Stellenanzeigen oder müssen Sie sich gegen den Vorwurf der Diskriminierung wehren? Fühlen Sie sich als Arbeitnehmer durch eine Stellenanzeige oder durch die Ablehnung Ihrer Bewerbung diskriminiert? Als Fachanwalt für Arbeitsrecht stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung in allen arbeitsrechtlichen Fragen kompetent zur Seite.
Abgasskandal 2.0: Hat Porsche Benzinmotoren manipuliert?
Abgasskandal 2.0: Hat Porsche Benzinmotoren manipuliert?
Auf Porsche rollt in den USA eine weitere Klagewelle im Abgasskandal zu: Diesmal geht es aber nicht um die umstrittenen Dieselmotoren, sondern um Benzinmotoren des Stuttgarter Autobauers. Porsche soll umfangreiche illegale Veränderungen an der Soft- und Hardware der Benzinmotoren vorgenommen haben. So soll der Konzern sich durch Manipulationen beim CO2 -Ausstoß und beim Kraftstoffverbrauch Zulassungen erschlichen haben. Diesen Verdacht hat Porsche den Behörden selbst mitgeteilt. Auch Audi sieht sich einem ähnlichen Vorwurf ausgesetzt. In den USA haben jetzt unter anderem die Großkanzleien Hagens Berman und Lieff Cabraser Klage gegen Porsche eingereicht. Diese Klagen wurden von dem kalifornischen Richter Charles Breyer inzwischen angenommen und werden in den kommenden Monaten zu einer Sammelklage gebündelt. Die auf Sammelklagen spezialisierten Anwaltsfirmen Hagens Berman und Lieff Cabraser gehen davon aus, dass in den USA etwa 100.000 Porsche Autos der Modelle Panamera und 911 Boxster und Cayenne von den möglichen Manipulationen betroffen sind. Die Erfolgsaussichten der Sammelklage gegen Porsche sind im aktuellen Stadium nur schwer einzuschätzen. Die Tatsache, dass Porsche selbst den Verdacht der Manipulation an die Behörden meldete spricht nicht gerade für die Sportwagenschmiede aus Zuffenhausen.
Fünf Jahre ist es mittlerweile her, seit der Dieselskandal bekannt geworden ist. Im Zentrum des Dieselskandals stand neben Volkswagen auch die Konzerntochter Audi. Deren ehemaliger Chef Rupert Stadler muss sich seit einigen Wochen in München vor Gericht verantworten. Während sich also in Deutschland die Gerichte noch mit dem Dieselskandal beschäftigen, droht in den USA ein neuer „Benzinskandal“. Die Folgen für die Autobauer wären immens, denn ist davon auszugehen, dass nach einer erfolgreichen Sammelklage in den USA auch betroffene Kunden in Deutschland und Europa gegen die Hersteller vorgehen und Schadensersatzansprüche geltend machen werden. Es bleibt also spannend, wie sich die Sammelklage in den USA entwickelt. Die ersten Gerichtsanhörungen in San Francisco finden im Januar 2021 statt.
Abgasskandal: Abgasmanipulationen bei FIAT und IVECO: Wohnmobile betroffen
Abgasskandal: Abgasmanipulationen bei FIAT und IVECO: Wohnmobile betroffen
Auch der englische Autobauer Fiat Chrysler ist in einen Abgasskandal verwickelt. In mehreren Ländern der EU ermitteln die Strafverfolgungsbehörden gegen den Konzern. Sogar die EU-Kommission hatte gegen den Fiat-Konzern ein Verfahren eingeleitet.
Vor drei Monaten wurden daher bei FIAT Chrysler (FCA) und IVECO Razzien der federführenden Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main durchgeführt. Durchsucht wurden insgesamt zehn Objekte in Baden-Württemberg und Hessen, darunter der Sitz von FC Deutschland in Frankfurt sowie in der italienischen Region Piemont und im Schweizer Kanton Thurgau. Der Konzern steht unter dem Verdacht in diversen Modellen des Autobauers sowie von Alfa Romeo, Jeep, Magirus und dem Wohnmobilhersteller Iveco illegale Abschalteinrichtungen verbaut zu haben. Diese sorgt dafür, dass die Autos die Grenzwerte für den Stickstoffdioxid-Ausstoß zwar auf dem Prüfstand einhalten, nicht aber im normalen Straßenbetrieb. Allein in Deutschland geht es den Angaben zufolge um mehr als 200.000 Fahrzeuge, darunter viele Wohnmobile.
Staatsanwaltschaft bittet Kunden um Mithilfe
Die Ermittler hatten Käufer von Fahrzeugen mit möglicherweise manipulierten Motoren gebeten sich zu melden und Verträge und Bescheinigungen bei der Polizei vorzulegen. Unter Verdacht stehen die Euro-5 und Euro-6 Dieselmotoren 1,3 Liter Multijet, 1,3 Liter 16V Multijet, 1,6 Liter Multijet, 1,6 Liter, 2,0 Liter Multijet, 2,0 Liter, 2,2 Liter Multijet II, 2,3 Liter, 2,3 Liter Multijet, 3,0 Liter aus den Jahren 2014 bis 2019. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, dass mittlerweile 300 Anzeigen gegen den FCA-Konzern und Iveco eingegangen sind. 90 Prozent davon betreffen Wohnmobile.
Klage auch in Deutschland möglich
Fiat-Kunden können seit dem 09.07.2020 in Deutschland gegen diesen Diesel-Betrug klagen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem VW-Verfahren (Az.: C-343/19) entschieden, dass Hersteller eines manipulierten Diesels in dem Land verklagt werden können, in denen die Fahrzeuge verkauft worden sind.
Wohnmobilbranche betroffen
Mit dem Abgasskandal bei Fiat-Chrysler ist also auch die Wohnmobilbranche betroffen. Der Nutzfahrzeug-Hersteller ist unter anderem für seine Wohn -und Reisemobile bekannt. Iveco ist Teil von CNH Industrial. CNH gehört zum Imperium der Familie Agnelli, die Fiat gegründet hat. Iveco hat aktuell folgende drei Wohnmobile im Angebot, die unter Verdacht stehen, die EU- Abgasnorm nicht einzuhalten und die Abgasreinigung manipuliert zu haben: Daily Hi-Matic, Daily 4×4 und EUROCARGO. Das Tochterunternehmen Iveco verkauft seine Fahrgestelle und Motoren an namhafte Reise- und Wohnmobilhersteller.
So werden betroffene Motoren nach Iveco-Website-Angabe auch in Fahrzeugen folgender anderer Reisemobilhersteller verwendet:
- Biomobil
- Bocklet
- Carthago
- Concorde
- Dethleffs
- Dopfer
- Form IT
- Kerkamm
- Laika
- Morelo
- Niesmann Bischoff
- Notin
- Pilote
- Le Voyageur
- Phoenix
- Protec
- Swift
- Woelcke
KBA hat 3 Modelle des Fiat-Konzerns im Visier
Das KBA hat offiziell erst drei Modelle des Konzerns im Visier.
- Fiat – 500x – 1956 ccm – 103 kW – Euro 6
- Fiat – Ducato – 2999 ccm – 130 kW – Euro 5
- Jeep – Cherokee – 1956 ccm – 125 kW – Euro 5
Abgasreinigung schaltet nach 22 Minuten ab
Die Deutsche Umwelthilfe deckte den Abgasskandal bei Fiat bereits 2016 auf. Der Fiat Motor schaltet nach 22 Minuten die Abgasreinigung vollständig ab, so das Ergebnis von zahlreichen Tests. Auch bei Untersuchungen durch den ADAC fiel der Fiat Ducato beim Ausstoß von Stickoxiden negativ auf. Bei NOx-Emissionen im normalen Straßenverkehr emittiert der Ducato rund 1200 mg/km an NOx – erlaubt sind bei der Euro-5-Norm 180 mg/km!
Stilllegung droht
Sollten sich die Verdachtsmomente bestätigen, wonach es aussieht, stehen den betroffenen Kunden Schadensersatz- und Gewährleistungsansprüche zu. Bei derartigen Überschreitungen der erlaubten NOx-Emissionen droht die Stilllegung durch das KBA, was einen Schaden bedeutet. Gerade bei Besitzern von Reise- und Wohnmobilen ist der Schaden enorm. Die Anschaffungskosten für die Freizeitfahrzeuge liegen schnell an der € 100.000,00 Grenze.
Erste Verbraucher klagen
Am 03.08.2020 ging beim Landgericht Freiburg eine erste Klage in Bezug auf einen Fiat Ducato ein, der zum Wohnmobil umgebaut wurde. Das Mobil „Adria Twin“ wird von der Firma Adria Mobil aus Slowenien vertrieben. Das LG Freiburg soll feststellen, ob der Klägerin durch den Diesel-Abgasskandal ein Schaden entstanden ist und FCA dafür haftet. Das Vorbringen stützt sich bisher darauf, dass bei Fiat der begründete Verdacht besteht, dass die Grenzwerte nicht eingehalten werden und die Abgasreinigung manipuliert wird. Das Fahrzeug ist aufgrund der möglichen Abgasmanipulation im Wert gemindert und der Verbraucherin ist ein erheblicher Schaden entstanden. Zudem droht dem Fahrzeug die Stilllegung.
Kunden des Fiat-Konzerns und Besitzer von betroffenen Wohnmobilen haben weiterhin die Möglichkeit sich als Zeugen bei dem Polizeipräsidium Frankfurt zu melden. Auch eine zivilrechtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sollte man mittlerweile in Betracht ziehen. In unserer Kanzlei haben wir bereits zahlreiche Klagen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal auf den Weg gebracht und für die geschädigten Kunden Schadensersatzansprüche durchgesetzt. Gerade wenn Sie über eine Rechtschutzversicherung verfügen, ist das Prozessrisiko sehr gering, da diese in der Regel die Anwalts- und Gerichtskosten abdeckt. Bei Fragen Rund um das Thema Abgasskandal stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
BGH-Entscheidung zu Diesel-Klagen gegen Daimler verzögert sich
BGH-Entscheidung zu Diesel-Klagen gegen Daimler verzögert sich
Mit Spannung haben im Abgasskandal betroffene Daimlerkunden auf den 27.10.2020 und auf das erhoffte verbraucherfreundliche Urteil des BGH gewartet. In unseren Blogs zum Thema Abgasskandal haben wir die Problematik, Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG durchzusetzen, mehrfach angesprochen. Daimler nutzt in einer Vielzahl von Modellen unzulässige Abschalteinrichtungen in Form von Thermofenstern oder bestimmten Aufheizstrategien. Im Gegensatz zu VW räumt Daimler das Vorliegen von unzulässigen Abschalteinrichtungen (bisher) nicht ein. Damit unterscheiden sich die Daimler-Fälle in einem wichtigen Punkt von den Klagen gegen den Volkswagen-Konzern. Dort ist klar, dass die verwendete Technik nicht erlaubt war. Der BGH hatte deshalb am 25. Mai in einem aufsehenerregenden Urteil entschieden, dass VW zehntausenden Klägern grundsätzlich Schadenersatz schuldet. Zu den genauen Bedingungen gab es Ende Juli weitere Urteile.
Grundsatzfrage
Heute sollte nun endlich eine höchstrichterliche Entscheidung in Bezug auf die von Daimler verwendeten Thermofenstern fallen. Allerdings wurde die für den 27.10.2020 angesetzte Verhandlung vor dem BGH überraschend abgesetzt. Über die Gründe, warum die für den 27.10.2020 geplante Verhandlung abgesagt wurde, kann nur spekuliert werden. Der BGH hat nur bekannt gegeben, dass der klagende Autokäufer seine Revision zurückgenommen habe (Az.: VI ZR 162/20). Dies ist an sich nichts Neues. Auch im VW Abgasskandal wurden Verhandlungen vor dem BGH häufiger noch kurzfristig abgesagt. Hintergrund sind meistens geheime Vergleichsvereinbarungen hinter den Kulissen, um den Herstellern negative Publicity zu ersparen. Ein Daimler-Sprecher teilte hier auf Anfrage mit, dass man sich in der Sache nicht verglichen und auch kein Vergleichsangebot unterbreitet habe. Der BGH kündigte für den 14.12.2020 eine neue Verhandlung in einem vergleichbaren Fall an (Az.: VI ZR 314/20). Die vorbezeichnete Grundsatzfrage dürfte dann dort geklärt werden.
Klage wegen Thermofenster
In dem Fall, der im Dezember vor dem BGH verhandelt werden soll, geht es um das sogenannte „Thermofenster“ bei der Abgasreinigung. Innerhalb dieses Temperaturbereichs arbeitet die Abgasrückführung vollständig. Der Kläger, der 2016 einen gebrauchten Mercedes E 350 CDI mit dem Motor des Typs OM 642 und der Schadstoffklasse Euro 5 gekauft hat, wirft Daimler vor, dass die Abgasrückführung bei seinem Fahrzeug schon bei Außentemperaturen unter 7 Grad um bis zu 45 Prozent reduziert und schließlich ganz abgeschaltet wird. Dies sei eine unzulässige Abschalteinrichtung, die dafür sorgt, dass die Grenzwerte für den Emissionsausstoß zwar im Prüfmodus, nicht aber im realen Straßenverkehr eingehalten werden. Daimler beruft sich darauf, dass die Funktion aus Gründen des Motorschutzes zulässig sei. Die Abgasrückführung werde zudem erst bei Außentemperaturen unter -50 Grad ganz abgeschaltet.
Das OLG Koblenz hatte die Klage mit Urteil vom 10. Februar 2020 noch abgewiesen (Az.: 12 U 1039/19). Unabhängig davon, ob das Thermofenster eine zulässige oder unzulässige Funktion ist, sei Daimler zumindest keine Sittenwidrigkeit vorzuwerfen. Es könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass Daimler in dem Bewusstsein agiert hätte, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.
Daimler unter Druck
Mittlerweile hat sich in der Rechtsprechung einiges getan. Verschiedene Gerichte sehen Daimler in der sekundären Darlegungslast. Daimler kann sich also nicht länger hinter Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen verstecken, sondern muss sich zur Funktionsweise der Abschalteinrichtungen konkret äußern und darlegen, warum sie ausnahmsweise zulässig sein sollten.
OLG Naumburg verurteilt Daimler
Bei der Verhandlung vor dem BGH geht es um das Thermofenster bei der Abgasrückführung. Auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) musste Daimler eine ganze Reihe von Fahrzeugen zurückrufen. Beispielsweise hatte das KBA die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft, die entfernt werden muss. Daimler bestreitet in den meisten Fällen bereits das Vorliegen eines Thermofensters und im Weiteren die Unzulässigkeit eines solchen. Die Thermofenster wären zumindest aus Motorschutzgründen zulässig. Das OLG Naumburg entschied mit Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U/20, als erstes Oberlandesgericht, dass Daimler einen Mercedes GLK 220 CDI zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten muss.
EUGH-Generalanwältin: Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig
Das Argument, dass die Funktionen aus Motorschutzgründen zulässig sind, überzeugt nicht. Auch die EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston hat am 30.04.2020 erklärt, dass sie Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig hält, wenn sie im realen Straßenverkehr zu einem erhöhten Emissionsausstoß führen. Ausnahmen seien nur in sehr engen Grenzen und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung zulässig. Funktionen wie ein Thermofenster, die den Motor langfristig vor Versottung schützen sollen, zählen dementsprechend nicht zu den zulässigen Ausnahmen.
Grundsatzentscheidung erst im Dezember
Aufgrund des Wandels in der Rechtsprechung und der neuen technischen Erkenntnisse, geht man davon aus, dass der BGH in der für den 14.12.2020 angesetzten Verhandlung, verbraucherfreundlich entscheiden wird. Ebenfalls am 14.12.2020 verhandeln die Karlsruher Richter einen weiteren VW-Fall. Dann geht es um die umstrittene Frage der Verjährung.
Sollte auch Ihr Fahrzeug vom Daimler Abgasskandal betroffen sein, ist jetzt die Zeit zum Handeln. Erste Oberlandesgerichte haben bereits zugunsten geschädigter Daimler Kunden entschieden und es ist davon auszugehen, dass der BGH sich im Dezember diesen Rechtsauffassungen anschließen wird. Betroffene Autobesitzer, die gegen den VW-, Audi- oder Porsche-Konzern vorgehen erzielen in der Regel Urteile, wonach die Fahrzeuge zurückzugeben sind und die Geschädigten im Gegenzug den Kaufpreis unter Abzug einer Nutzungsentschädigung zurückerhalten. Zögern Sie nicht Ihre Rechte geltend zu machen und vermeiden Sie einen Vermögensverlust. Mittlerweile decken auch nahezu alle Rechtschutzversicherer die jeweiligen Klagen gegen die Hersteller ab. Voraussetzung ist, dass die Rechtschutzversicherung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses existent war. Mit der Rechtschutzversicherung im Hintergrund besteht also kaum ein Prozessrisiko. Unsere Kanzlei steht Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche kompetent zur Seite.
Eintrittspflicht Betriebsausfallversicherung wegen Corona – Landgericht München spricht Gastronom Millionenbetrag zu
Eintrittspflicht Betriebsausfallversicherung wegen Corona – Landgericht München spricht Gastronom Millionenbetrag zu
Das LG München I hat am 01.10.2020 ein richtungsweisendes Urteil verkündet, in dem es einem Gastwirt aus München eine Versicherungsentschädigung in Millionenhöhe zugesprochen hat (Az.: 12 O 5895/20).
Hintergrund
Im Zuge der Coronapandemie und dem bundesweiten Lockdown im Frühjahr befinden sich zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen in der Krise. Eine große Anzahl an Unternehmern gingen davon aus, dass sie mit einer Betriebsausfallversicherung gut gegen die finanziellen Einbußen gewappnet sind. Doch viele Unternehmer wurden enttäuscht. Von Seiten der Versicherer hieß es, dass kein Versicherungsschutz bestehe, weil das Covid-19-Virus nicht explizit in den Versicherungsbedingungen oder dem Infektionsschutzgesetz aufgeführt sei oder nicht das Gesundheitsamt die Schließung des Betriebes, sondern die Landesregierungen für sämtliche Unternehmen der betroffenen Branche eine Schließung angeordnet haben. Es würde kein spezieller Einzelfall im Unternehmen vorliegen, der durch eine Betriebsschließungsversicherung abgesichert sei. Als Beispiel gelten aus Sicht der Versicherer Krankheitserreger oder Infektionen im Betrieb, die eine Schließung nötig machen. In der Vergangenheit gehörten hierzu ein Salmonellenbefall in einer Eisdiele, eine Norovirus-Erkrankung bei Hotelangestellten und Coli-Bakterien in einer Metzgerei. Dazu kommt, dass Pandemien in manchen Policen bisher nicht abgedeckt wurden. Die Ernüchterung der Unternehmer war groß. Die Kosten liefen während des Lockdowns weiter und viele Unternehmen gerieten so in eine finanzielle Schieflage.
Bereits Ende April 2020 sprach das Landgericht Mannheim einem Gastronomen einen Anspruch aus seiner Betriebsausfallversicherung zu (Urteil vom 29.04.2020, Az.: 11 O 66/20). Die Richter stellten darauf ab, dass die für den Vertrag geltenden Versicherungsbedingungen nur pauschal auf das Infektionsschutzgesetz verweisen würden. Da die Versicherungsbedingungen in der Regel einseitig von den Versicherern vorgegeben werden, wird bei der Auslegung unklarer Formulierungen darauf abgestellt, was der in Versicherungsangelegenheiten ungeübte Versicherungsnehmer darunter verstehen durfte. Das geht regelmäßig zu Lasten des Versicherers.
In der letzten Zeit gingen einige Versicherer dazu über, ihren Versicherungsnehmern Pauschalangebote zur Abgeltung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu unterbreiten. Den Versicherungsnehmern wurden unter enormen Zeit- und Kostendruck Zahlungen angeboten, die weit unter den eigentlichen Versicherungssummen liegen.
Das OLG Hamm hat im Juli zugunsten eines Versicherers entschieden (Beschluss vom 15.07.2020, Az.: W 21/20). In diesem Fall waren die Versicherungsbedingungen deutlich detaillierter gefasst als in dem Fall des LG Mannheims. Die Krankheiten des Infektionsschutzgesetzes waren hier abschließend aufgezählt. In den Augen der Richter wurde dem Versicherungsnehmer so ausreichend deutlich gemacht, aufgrund welcher Krankheiten, die eine Betriebsschließung nach sich ziehen, die Versicherung eintrittspflichtig sein will.
Entscheidung des LG München
Vor dem Landgericht München I wurde die Klage des traditionsreichen Wirtshauses am Nockherberg verhandelt. Der klagende Gastwirt ist seit 2010 Pächter der Traditionsgaststätte und machte Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona-Krise gegenüber seiner Versicherung, der Allianz, geltend. Das Gericht hat sich in seinem Urteil umfassend und detailliert mit den Vertragsbedingungen der Versicherung und insbesondere mit der Frage, in welchem Umfang auf das Infektionsschutzgesetz als Basis des Versicherungsfalls verwiesen wurde, beschäftigt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass in diesem konkreten Fall die Versicherungsbedingungen so formuliert waren, dass der Versicherungsnehmer davon ausgehen durfte, dass eine Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung aufgrund des Corona-Virus von der Versicherung abgedeckt sei. Die Richter warfen der Versicherung des Klägers, der Allianz, Intransparenz vor. Die Kunden könnten nicht erkennen, für welche Fälle der Versicherungsschutz gelte und für welche nicht.
Keine pauschale Beurteilung der Versicherungsverträge
Die bisher ergangenen Entscheidungen machen deutlich, dass eine pauschale Beurteilung der unterschiedlichen Verträge nicht möglich ist. Vielmehr kommt es auf die individuellen Vertragsklauseln an, die im Einzelfall betrachtet werden müssen.
Versicherer in der Pflicht
Gerade Gastronomen ziehen in letzter Zeit gegen ihre Versicherer vor Gericht. Allein in München sind inzwischen 71 Klagen am Landgericht eingegangen. Zwar gab es bereits zu Beginn des Sommers eine Vereinbarung der bayerischen Staatsregierung und dem Hotel- und Gaststättenverband mit den Versicherern, die dem Gastgewerbe 15 Prozent der vertraglich vereinbarten Tagesentschädigung zusicherten. Dies war vielen Gastronomen aber zu wenig, weshalb sie gerichtlich gegen ihre jeweilige Versicherung vorgingen. Den Versicherern drohen Einbußen in Millionenhöhe. Nach Schätzungen des Branchenverbandes GDV haben knapp ein Viertel der Hotels und Gaststätten in Deutschland eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Von 73.000 Policen bundesweit ist die Rede
Sollte Ihnen von Ihrer Versicherung auch ein entsprechendes Angebot unterbreitet worden sein oder sind Sie der Meinung, dass eine bereits geleistete Zahlung ihrer Versicherung nicht rechtmäßig ist oder sind Sie unsicher, ob Ihnen überhaupt ein Anspruch gegenüber ihrer Versicherung zusteht, prüfen wir für Sie gerne, ob und in welchem Umfang Sie Leistungen von ihrem Versicherer erfolgreich fordern können.
BGH: Entscheidung im Dieselverfahren gegen die Daimler AG am 27.10.2020
BGH: Entscheidung im Dieselverfahren gegen die Daimler AG am 27.10.2020
Am 27.10.2020 trifft der BGH endlich die langersehnte Entscheidung gegen die Daimler AG in Bezug auf die sogenannten Thermofenster. Bisher weist Daimler die Vorwürfe zurück, dass auch in ihren Autos unzulässige Abschalteinrichtungen in Gestalt eines Thermofensters vorliegen.
Hintergrund
In dem zu entscheidenden Fall (VI ZR 162/20) erwarb der Kläger am 04.02.2017 von einem privaten Verkäufer ein gebrauchtes Fahrzeug vom Typ Mercedes Benz C 220 CDI, Erstzulassung 07.11.2011. Die Laufleistung betrug 69.838 km, der Kaufpreis € 13.000,00. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor der Baureihe OM 651 verbaut. Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typengenehmigung nach der Verordnung EG Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.
Bei dem von dem Kläger erworbenen Fahrzeug wird ein variabler Anteil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Das Ausmaß der Abgasrückführung hängt unter anderem von der Außentemperatur ab, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Der Kläger behauptet, dass bei Temperaturen unter 7 Grad Celsius keine Abgasrückführung mehr stattfinde. Er sieht in der Steuerung der Abgasrückführung eine unzulässige Abschalteinrichtung, die bewirke, dass die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden. Die Beklagte macht geltend, dass die fragliche Steuerung, die diverse Parameter berücksichtige, schon keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung EG Nr. 715/2007 darstelle, jedenfalls aber zum Schutz des Motors zulässig sei.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten im Wesentlichen die Erstattung des gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs.
Bisheriger Prozessverlauf
Das Landgericht Mainz hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Koblenz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es in erster Linie ausgeführt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB gegen die Beklagte zustehe. Das Inverkehrbringen des später vom Kläger erworbenen Fahrzeuges sei nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen, unabhängig von der objektiven Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des in der Motorsteuerung installierten „Thermofensters“. Es könne nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen bei der Beklagten in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Gesetzeslage sei hinsichtlich der Zulässigkeit von Thermofenstern – anders als hinsichtlich der Prüfstandserkennung im VW Motor EA 189 – nicht eindeutig.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Gute Chancen für Daimler Kunden: Generalanwältin des EuGH hält Thermofenster für unzulässig
Aktuell kann man davon ausgehen, dass der BGH seiner verbraucherfreundlichen Linie treu bleibt, und auch in Bezug auf die sog. Thermofenster zugunsten der Geschädigten entscheiden wird. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass nach den Schlussanträgen der Generalanwältin des EuGH, auch, wohl auch der EuGH die Thermofenster als unzulässig einstufen wird. Dazu hat die Generalanwältin festgestellt, „dass nur unmittelbare Beschädigungsrisiken, die die Zuverlässigkeit des Motors beeinträchtigen und eine konkrete Gefahr bei der Lenkung des Fahrzeugs darstellen, das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung rechtfertigen können“. An anderer Stelle schreibt sie, Ausnahmen seien nur zum Schutz des Motors erlaubt „vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden (und nicht vor langfristigeren Auswirkungen wie Abnutzung oder Wertverlust)“. Eine Versottung von Abgasrückführungsventilen, wie von den Autokonzernen unter anderem als Begründung aufgeführt, zählt nach Meinung von Experten gerade nicht dazu.
Erstes OLG verurteilt Daimler AG zu Schadensersatz
Nachdem bereits mehrere Landgerichte zugunsten der Geschädigten entschieden, verurteilte nunmehr das OLG Naumburg mit Urteil vom 18.09.2020, Az.: 8 U/20, die Daimler AG zur vollständigen Rückabwicklung des Kaufvertrages über einen Mercedes Benz GLK 220 CDI. Auch aktuell erhalten Besitzer von Fahrzeugen der Marke Mercedes-Benz, in denen insbesondere Motoren mit der Typenbezeichnung OM 651 und OM 642 verbaut worden sind, weiterhin unerwünschte Post. Hierin wird im Rahmen einer – derzeit noch – „freiwilligen Servicemaßnahme“ oder einer verpflichtenden „Rückrufaktion“ zu einem „Software-Update für Ihren Dieselmotor“ aufgerufen. Zahlreiche Betroffene wollen ihre manipulierten Kfz daher zurückgeben und verklagen die Daimler AG auf Schadensersatz. Da die Manipulationen bei Dieselfahrzeugen der Marke Mercedes-Benz in ihrer gesamten Tragweite erst mehr und mehr ans Licht kommen, kann es noch nicht die „Urteilsflut“ wie gegen die Volkswagen AG in Bezug auf EA189-Motoren geben.
Thermofenster in zahlreichen Modellen verbaut
Die streitgegenständliche Abschalteinrichtung ist bei verschiedensten Modellen und Motoren verbaut, insbesondere bei den Motoren mit der Typenbezeichnung OM 651 und OM 642. Auch die sogenannte „Bluetec“- Reihe ist betroffen. Nach der aktuellen Entscheidung des OLG Naumburg vom 18.09.2020, Az.: 8 U 8/20, haftet die Daimler AG dem Käufer eines Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Euro 5) wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf Schadensersatz. In seiner gut begründeten Entscheidung hob das Oberlandesgericht auch hier zunächst hervor, dass der Kläger das Vorhandensein einer Abschalteinrichtung ausreichend substantiiert vorgetragen habe. Der Stuttgarter Autobauer dementierte demgegenüber pauschal das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
Daimler Kunden sollten ihre Chance nutzen
Gerade nach der aktuellen Entscheidung des OLG Naumburg und im Hinblick auf die Entscheidung des BGH am 27.10.2020 sollten Mercedes Fahrer ihre Forderungen konsequent geltend machen. Allein aufgrund der vom Kraftfahrtbundesamt aufgefundenen illegalen Abschalteinrichtungen stehen genügend Tatsachen zur Verfügung, um Schadensersatzansprüche gegen die Daimler AG durchzusetzen.
In unserer Kanzlei haben wir bereits viele Geschädigte im Abgasskandal beraten und erfolgreich vertreten. Wir stehen Ihnen bei der Geltendmachung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche kompetent zur Seite. Insbesondere wenn Sie über eine Rechtschutzversicherung verfügen, so ist das Kostenrisiko für Sie in den meisten Fällen überschaubar.
Insolvenzantragspflicht bleibt ausgesetzt bis zum Jahresende
Insolvenzantragspflicht bleibt ausgesetzt bis zum Jahresende
Der Bundesrat hat am 18. September 2020 die Verlängerung einer Ausnahmeregelung für überschuldete Firmen in der Corona-Krise gebilligt, die der Bundestag am Vorabend verabschiedet hatte. Damit bleibt die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages bis zum Jahresende ausgesetzt. Die verlängerte Aussetzung gilt nur für Unternehmen, die überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Diese sollen die Möglichkeit haben, sich weiterhin unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote oder durch außergerichtliche Verhandlungen zu sanieren und zu finanzieren.
Bereits in unseren Blogs vom Juni und August 2020 haben wir uns mit der Suspendierung der Insolvenzantragspflicht im Zuge der Corona-Pandemie beschäftigt und darauf hingewiesen, wie wichtig es ist frühzeitig die Weichen zwischen der Einleitung eines Insolvenzverfahrens ggf. in Eigenverwaltung oder Sanierung und Restrukturierung zu stellen und als Geschäftsführer zur Haftungsvermeidung die Insolvenzgründe laufend im Blick zu haben.
Grundsatz: Unverzügliche Antragstellung
Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist grundsätzlich unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb einer Höchstfrist von drei Wochen ein Insolvenzantrag zu stellen. Erfolgt dies nicht, kann die Geschäftsführung in einem späteren Insolvenzverfahren persönlich in Haftung genommen werden, was oft zum Vermögensverfall des Geschäftsführers führt. Auch strafrechtliche Ermittlungen und Verurteilungen wegen Bankrottdelikten im Falle einer Insolvenzverschleppung sind regelmäßige Folge einer verspäteten oder unterlassenen Antragstellung. Beachten sollte man auch, dass die vorgenannten Ansprüche im Falle einer Insolvenz „rückwirkend“ geltend gemacht werden können, also für eine unterlassene Antragstellung, die regelmäßig mehrere Jahre zurückliegt. Dies gilt es jedoch frühzeitig durch Überwachung des Vorliegens der Insolvenzgründe zu verhindern.
Die verlängerte Aussetzung soll nur für Unternehmen gelten, die überschuldet aber nicht zahlungsunfähig sind.
Zahlungsunfähigkeit
Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 InsO). Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 24.05.2005 – IX ZR 123/2004, ZinsO 2005/807 – 810). Sofern die Gemeinschuldnerin ihre Zahlungen bereits eingestellt hat, wird die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet.
Überschuldung
Eine Überschuldung liegt gemäß §°19 Abs. 2 InsO vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Die Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen für die gemäß § 39 Abs. 2 InsO zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen. Nachdem nunmehr dauerhaft anwendbaren zweistufigen Überschuldungsbegriff kann eine Überschuldung erst angenommen werden, wenn das Vermögen der Gesellschaft bei Ansatz von Liquidationswerten unter Einbeziehung der stillen Reserven die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt (rechnerische Überschuldung) und die Finanzkraft der Gesellschaft nach überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig – damit ist das laufende und das nächste Geschäftsjahr gemeint – nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht (BGH, Urteil vom 15.03.2011 – II ZR 204/09, WM 2011 Seite 979 Rn. 30 ff.).
Ist ein Unternehmen noch nicht zahlungsunfähig, sondern nur überschuldet, soll es von der Insolvenzantragspflicht befreit werden. So soll insbesondere verhindert, werden, dass bereits zahlungsunfähige Unternehmen noch weiter mitgeschleppt werden und den Geschäftsverkehr schädigen.
Handeln Sie rechtzeitig!
Die Geschäftsführer von Unternehmen in der Krise sollten bereits jetzt frühzeitig laufend die Liquiditätsentwicklung im Rahmen einer wochengenauen Liquiditätsprüfung überwachen und Sanierungsoptionen prüfen. Bei absehbaren oder bereits eingetretenen Liquiditätsengpässen ist derzeit die Prüfung von kurzfristigen Finanzierungsmaßnahmen, z.B. Steuerstundungen, Stundung von Verbindlichkeiten (Miete, Kredite, Leasing), Entlastung von Lohnzahlungen oder die Inanspruchnahme von staatlichen Hilfen auf Bundes und Landesebene (u.a. direkte Zuschüsse und KfW-verbürgte Kredite) und die Beantragung von Kurzarbeitergeld zu prüfen.
Ist das Unternehmen bereits in der Krise stellt sich die Frage nach der richtigen Strategie. Neben der außergerichtlichen Sanierung und Restrukturierung des Unternehmens stellt auch die Insolvenz in Eigenverwaltung eine gute Option dar, sollten sich die Insolvenzgründe nicht kurzfristig beseitigen lassen.
Als auf das Insolvenzrecht spezialisierte Kanzlei beraten wir Sie als Geschäftsführer oder Unternehmer gerne haftungsvermeidend zur Frage der Insolvenzantragspflicht und der ggf. gleichwohl bestehenden Weichenstellung zwischen Insolvenzverfahren ggf. in Eigenverwaltung oder außergerichtlicher Sanierung und Restrukturierung, Fortführung unter Neukreditierung bzw. Ermittlung eines Investors oder Liquidation.
Neue Entwicklung in den Insolvenzverfahren der P&R-Gruppe: Abschlagszahlung für Gläubiger des Containerbetriebs rückt näher
Neue Entwicklung in den Insolvenzverfahren der P&R-Gruppe: Abschlagszahlung für Gläubiger des Containerbetriebs rückt näher
Die 54.000 Anleger der insolventen P&R Gruppe erhalten derzeit Briefe vom Insolvenzverwalter der vier insolventen Containerbetriebsgesellschaften von P&R, Michael Jaffé aus München. Mehr als 400 Millionen Euro konnten Jaffé und sein Team seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des früheren Containervertriebs sichern, heißt es in dem Schreiben. Das Geld sei auf einem gesonderten Insolvenzanderkonto hinterlegt und soll so schnell wie möglich in einem ersten Abschlag an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Daher stellen die Insolvenzverwalter in dem Schreiben den Vorschlag zur Abstimmung, die Erlöse anteilig je nach Schadenshöhe der Anleger auf die einzelnen P&R-Gesellschaften zu verteilen. Die Frist für das Votum der Gläubiger läuft bis zum 17.November 2020.
Die vier deutschen P&R Gesellschaften erhalten Erlöse gemeinschaftlich
Die Insolvenzverwalter der vier insolventen Containervertriebsgesellschaften von P&R aus Grünwald bei München verschicken derzeit Briefe und Stimmzettel an 54.000 Anleger, die Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Es wird vorgeschlagen, die Erlöse anteilig je nach Schadenshöhe der Anleger auf die einzelnen P&R-Gesellschaften zu verteilen. So wollen die Insolvenzverwalter eine Gleichbehandlung aller P&R-Anleger erreichen, egal bei welcher Gesellschaft sie Kunde waren. Die vier deutschen P&R-Gesellschaften haben Container an Anleger verkauft, diese für sie vermietet und nach dem Ablauf eines vereinbarten Zeitraumes wieder zurückgenommen. Das Vermieten an Leasinggesellschaften und andere Nutzer der vorhandenen Container, wurde bzw. wird von der nicht insolventen P&R Equipment & Finance Gruppe aus der Schweiz durchgeführt. Die Insolvenzverwalter haben mit dieser eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen, wonach alle Erlöse den insolventen, deutschen Gesellschaften gemeinschaftlich zustehen.
Erlöse sollen in entsprechend der Forderungen verteilt werden
Für die Verteilung der Erlöse aus der Containerverwertung zwischen den vier deutschen P&R Containerverwaltungsgesellschaften soll die Höhe der Schadensersatzansprüche der Anleger bei den jeweiligen P&R Containerverwaltungsgesellschaften maßgeblich sein. Die Erteilung der Erlöse erfolgt also in dem Verhältnis, in dem sich diese Ansprüche der Anleger prozentual auf die einzelnen P&R Containerverwaltungsgesellschaften verteilen. Durch die Verteilung der Erlöse im gleichen Anteil würden die Gläubiger in alles vier P&R-Gesellschaften gleichermaßen von den erzielten Erlösen profitieren, mithin keine P&R Containerverwaltungsgesellschaft einen – in Relation zu den jeweils berechtigten Forderungen der Anleger – höheren Anteil aus den Erlösen erhält als eine der anderen P&R-Gesellschaften, argumentieren die Insolvenzverwalter.
Dem ist zuzustimmen, denn Anleger haben sich in der Regel aufgrund der jeweiligen Konditionen der Container-Angebote für oder gegen eine Anlage entschieden und nicht weil sie Kunde einer bestimmten P&R-Gesellschaft werden wollten.
Wechselseitige Ansprüche der P&R-Gesellschaften sind nachrangig gem. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO
Die Insolvenzverwalter schlagen zudem vor, dass Forderungen und Verbindlichkeiten der vier Gesellschaften untereinander als nachrangig gelten. Es wurde festgestellt, dass in den Buchhaltungen der P&R Gesellschaften in ganz erheblichem Umfang wechselseitige Bilanzpositionen zwischen den vier deutschen Gesellschaften und der P&R AG verzeichnet sind. Dies offensichtlich deswegen, um die Gesellschaften, die Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen hatten, mit der nötigen Liquidität auszustatten. Die Insolvenzverwalter gehen davon aus, dass die Erlöse nicht ausreichen werden, um die erstrangigen Forderungen vollumfänglich zu bedienen, weshalb die nachrangigen Forderungen zwischen den Gesellschaften nicht zum Zug kommen werden.
Dieser Vorschlag ist sinnvoll. Das Verfahren wird hierdurch beschleunigt und es werden Kosten eingespart.
Insolvenzquoten können unterschiedlich sein
Auch wenn durch die vorbezeichneten Maßnahmen alle Gläubiger in allen vier Gesellschaften gleichermaßen von den erzielten Erlösen profitieren sollen, bedeutet das nicht unbedingt, dass auch die Quote in den jeweiligen Insolvenzverfahren identisch sein wird, da ggf. auch weitere Gläubiger, die keine Anleger sind, Ansprüche zur Insolvenztabelle angemeldet haben. Solche Ansprüche sind bislang allerdings nur in geringem Umfang zur Insolvenztabelle angemeldet worden, bspw. von der Finanzverwaltung oder ehemaligen Vermittlern. Zudem kann es sein, dass in einzelnen Insolvenzverfahren weitere Einnahmen erzielt werden können, bspw. aus der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Dritte oder Insolvenzanfechtungen, wenn diese nicht alle P&R-gesellschaften gleichermaßen betreffen.
Anleger können noch Vergleich mit Insolvenzverwalter abschließen
Anleger, die bisher noch keine Vergleichsvereinbarung mit den Insolvenzverwaltern abgeschlossen haben, können dies noch nachholen. Nach Angaben der Insolvenzverwalter wird im Herbst ein weiterer Prüfungstermin für Forderungen stattfinden, in dem die Forderungen noch vor der ersten Abschlagszahlung festgestellt werden können. Nur Anleger, die einen solchen Vergleich abgeschlossen haben, können an der ersten Abschlagszahlung teilnehmen, die die Insolvenzverwalter bei Annahme des Verteilungsschlüssels durch die Gläubiger in Kürze ausschütten wollen.
Votum der Gläubiger bis 17.November 2020
Das Votum der Gläubiger über die Vergleichsvereinbarung findet bis zum 17.11.2020 im schriftlichen Verfahren statt. Angesichts der Tatsache, dass eine Gläubigerversammlung, wie seinerzeit in der Olympiahalle aufgrund der Coronapandemie nicht durchgeführt werden kann, hat das Amtsgericht München – Insolvenzgericht – die Durchführung einer Gläubigerversammlung im schriftlichen Verfahren angeordnet. Gläubiger haben noch bis zum 17.11.2020 Zeit, ihre Stimmzettel abzuschicken.
Vergleichsvereinbarung zustimmen
Aus unserer Sicht ist es sinnvoll, als Gläubiger der vom Insolvenzverwalter und dem Sonderinsolvenzverwalter vorgeschlagenen Vergleichsvereinbarung über die Behandlung der wechselseitigen Ansprüche und Verbindlichkeiten sowie der Verteilung der aus der Containerverwertung erzielten Erlöse zuzustimmen. Werden die Erlöse im gleichen Anteil verteilt, profitieren die Gläubiger in allen vier Gesellschaften gleichermaßen von den Erlösen. Auch ist der Vorschlag, wonach die Forderungen zwischen den Gesellschaftern als nachrangig eingeordnet werden pragmatisch und zielführend, da das Verfahren hierdurch deutlich beschleunigt wird und unnötige Kosten eingespart werden. Im Übrigen sehen auch wir keine Alternative zur vorgeschlagenen Vergleichsvereinbarung. Eine streitige Auseinandersetzung zwischen den Insolvenzmassen (d.h. den einzelnen P&R Containerverwaltungsgesellschaften) mit dem Ziel einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage würde nicht nur erhebliche Kosten verursachen. Eine streitige Auseinandersetzung würde insbesondere dazu führen, dass über Jahre hinweg keine Gelder an die Gläubiger ausbezahlt werden.
Als Fachanwälte für Insolvenzrecht beraten wir Sie als Gläubiger in Insolvenzverfahren bezogen auf ihre individuelle Interessenlage gerne in Bezug auf Forderungsanmeldungen und zum Umgang mit etwaigen Vergleichsvorschlägen im Rahmen von Insolvenzverfahren.