Sportrecht/Arbeitsrecht – Auch einseitig freigestellte Fußballtrainer bekommen Geld
Sportrecht/Arbeitsrecht – Auch einseitig freigestellte Fußballtrainer bekommen Geld
„Ist mit einem Fußballtrainer für den Fall des Aufstiegs in eine höhere Liga die Zahlung einer Prämie sowie eine Gehaltserhöhung vereinbart, stehen diese Ansprüche auch einem Fußballtrainer zu, der zum Zeitpunkt des Aufstiegs einseitig von der Arbeitsleistung freigestellt war.“
(Arbeitsgericht Krefeld, Urteil vom 07.02.2019, Az.: Ca 1955/18).
Sachverhalt
Das Arbeitsgericht Krefeld hat entschieden, dass dem ehemaligen Trainer der 1. Herrenmannschaft des KFC Uerdingen 05 noch Zahlungsansprüche in Höhe von ca. 180.000 € zustehen. Der Kläger wurde im März 2018 von seiner vertraglich vereinbarten Aufgabe einseitig entbunden. Er machte dennoch Ansprüche aus einer vereinbarten Gehaltserhöhung bei einem Aufstieg in die 3. Liga sowie Prämienansprüche geltend. Die Beklagte hat für verschiedene Monate bis einschließlich Januar 2019 das vertraglich vereinbarte Gehalt nicht gezahlt. Soweit Zahlungen zwischenzeitlich für einzelne Monate erfolgten, berücksichtigten diese nicht die Gehaltserhöhung, die bei Teilnahme am Spielbetrieb in der 3. Liga des DFB vereinbart war.
ArbG Krefeld: Vertragliche Vereinbarung entscheidend
Die Klage war weitgehend erfolgreich. Die Beklagte hat sich zu Unrecht darauf berufen, dass diese Erhöhung nur zu zahlen ist, sofern der Kläger selbst als Trainer in der 3. Liga aktiv ist. Nach den vertraglichen Vereinbarungen ist maßgeblich allein, dass die 1. Herrenmannschaft der 3. Liga teilnimmt. Dem Kläger steht zudem eine Platzierungsprämie für das Erreichen des 1. Platzes und zusätzlich die vertraglich vereinbarte Aufstiegsprämie für den Aufstieg in die 3. Liga zu. Auch insoweit ist es nicht von Bedeutung, ob der Kläger tatsächlich als Trainer an den letzten und entscheidenden Spielen teilgenommen hat. Zudem hat die Beklagte nicht widerlegen können, dass eine Anrechnung der Platzierungsprämie auf die Aufstiegsprämie nicht vereinbart war. Der Kläger kann zudem verlangen, dass ihm entsprechend den vertraglichen Zusagen Mietwagenkosten und die von ihm verauslagte Miete für die Wohnung erstattet werden. Er hat zudem Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, da ihm kein Dienstwagen mehr zur Verfügung gestellt wurde. Die Klage hatte keinen Erfolg, soweit der Kläger die Erstattung seiner Anwaltskosten verlangt hat. Ein solcher Kostenerstattungsanspruch ist im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht ausgeschlossen.
Diese Entscheidung zeigt erneut, dass es bei der Vertragsgestaltung entscheidend darauf ankommt, vorausschauend und detailliert verschiedenste Sachverhaltskonstellationen zu prüfen und diese vertraglich zu regeln. Der beklagte Fußballverein hätte sich hier eine erhebliche Summe sparen können, wenn die Klausel im Arbeitsvertrag präziser ausgestaltet gewiesen wäre. In unserer auf das Arbeitsrecht und Sportrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei etwaigen Vertragsgestaltungen wie auch bei der Prüfung von Ansprüchen gegen Ihren Arbeitgeber kompetent zur Seite.
Insolvenzrecht: Die Haftung der Geschäftsleitung bei verspäteter Insolvenzantragstellung nach der Neuregelung in § 15 b Insolvenzordnung
Insolvenzrecht: Die Haftung der Geschäftsleitung bei verspäteter Insolvenzantragstellung nach der Neuregelung in § 15 b Insolvenzordnung
Zum 1.Januar 2021 ist das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) in Kraft getreten. Nach dem neuen § 15 b Abs. 2 S. 2 InsO sind Zahlungen erlaubt, die der nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife dienen. Weiter sind nach Abs. 2 S. 1 Zahlungen erlaubt, die der Aufrechterhaltung des Betriebs dienen. Davon sind insbesondere auch Zahlungen für Dienstleistungen erfasst. Diese Neuregelungen vermindern die Haftungsgefahr für Zahlungen bei Insolvenzreife gegenüber der bisherigen Regelung in § 64 GmbHG, der weggefallen ist. Die Haftung ist nunmehr rechtsformneutral und damit für alle in Betracht kommenden Rechtsformen und Vertreter in § 15 b InsO geregelt.
Grundsatz
Auch in der gesetzlichen Neuregelung des § 15 b InsO verbleibt es bei dem Grundsatz der sog. Massesicherungspflicht und damit dem Umstand, dass die Geschäftsleitung nach Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit keine Zahlungen mehr aus dem Gesellschaftsvermögen leisten darf.
Dies gilt jedoch nicht „für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind.“ Diese Ausnahme kennt man bereits aus § 64 S. 2 GmbHG. Allerdings wird der Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters konkretisiert. Als Beispiel für diese Ausnahmeregelung werden in § 15 b Abs. 2 S. 1 InsO die Zahlungen erwähnt, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen. Dies ist aber nur während des Zeitraumes, der für die Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO besteht, möglich. Dies sind:
- drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit;
- und max. sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung.
In diesem Zeitraum muss man als Geschäftsleitung tätig werden, denn die Sorgfaltsvermutung eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gilt nur solange wie auch Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung des Insolvenzantrages betrieben werden.
Eine der Sorgfaltspflicht entsprechende Zahlung kann gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 InsO auch in der Zeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung liegen. Werden in diesem Zeitraum Zahlungen mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen, gelten diese als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.
In § 15 b Abs. 3 InsO findet sich eine umgekehrte Vermutung, wonach Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Dies dann, wenn der Zeitraum für die rechtzeitige Antragstellung nach § 15 a InsO verstrichen ist und ein Antrag nicht gestellt wurde. In diesem Zeitraum sind Zahlungen nur in Ausnahmefällen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers vereinbar. Hierzu zählen die Notgeschäftsführung zum Schutz verderblicher Waren oder die Eindämmung von Schäden.
Abkehr von der bisherigen BGH- Rechtsprechung
Der neue § 15 b InsO weicht damit erheblich von der bisherigen Rechtsprechung des BGH ab. Nach bisheriger Auffassung des BGH sin Zahlungen nur dann mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn der Zahlung eine unmittelbare wirtschaftliche Gegenleistung gegenübersteht. Voraussetzung war hierbei, dass die Gegenleistung von den Gläubigern sinnvoll verwendet werden konnte. Arbeits- und Dienstleistungen, Energielieferungen oder Telekommunikationsdienstleistungen können nach bisheriger BGH-Rechtsprechung nicht von den Gläubigern verwertet werden. Aus diesem Grund waren Zahlungen auf solche Leistungen bis jetzt nicht privilegiert. Wenn der Geschäftsführer derartige Zahlungen bei Insolvenzreife vorgenommen hat, war er der Gesellschaft gegenüber nach § 64 GmbHG zum Ersatz verpflichtet. Hiervon waren bislang nur Zahlungen ausgenommen, wenn anderenfalls eine konkrete Chance auf Sanierung oder Fortführung des Unternehmens im Insolvenzverfahren zunichtegemacht werden würde.
Problematisch an dieser Rechtsprechung war, dass es der Geschäftsleitung faktisch unmöglich war, das Unternehmen nach Eintritt der Insolvenzreife fortzuführen. Auch bestand eine erhebliche Unsicherheit darüber, welche Zahlungen vorgenommen werden durften ohne sich ersatzpflichtig zu machen. Dies insbesondere auch deshalb, da die Beantwortung der Frage, ob eine konkrete Sanierungs-Chance besteht, einer umfangreichen Prüfung bedarf.
Neue Regelung: Geschäftsleitung darf Zahlungen zur Aufrechterhaltung leisten
- 15 b Abs. 2 InsO beseitigt nun derartige Unsicherheiten, in dem er klarstellt, dass ein Geschäftsleiter Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes leisten darf. Dies gilt insbesondere auch für die Zahlungen von Dienstleistungen. Diese Privilegierung in § 15 b Abs. 3 InsO gilt allerdings nur für den Zeitraum bis zum Ende der Insolvenzantragsfrist nach § 15 a InsO.
Keine Haftung bei Zahlung auf strafbewehrte Steuer- oder Sozialversicherungsverbindlichkeiten
Durch die neuen Regelungen hat der Gesetzgeber nun endlich auch der Zwangslage der Geschäftsleitung Rechnung getragen, wonach diese zwischen Insolvenzantragstellung und Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Insolvenzeröffnung einerseits strafbewehrte Zahlungen leisten müssen (bspw. Steuerzahlung oder die Abführung von Sozialversicherungsbeträgen), andererseits diese Zahlungen nicht mehr leisten können, ohne sich ersatzpflichtig zu machen (bspw. nach § 69 Abs. 1 AO). Diese Pflichtenkollision kann nun vermieden werden, wenn die Geschäftsleitung nun nach § 15 b Abs. 8 InsO rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt.
Haftung nur in Höhe des tatsächlichen Schadens
Hinsichtlich des Haftungsumfangs kann die Geschäftsleitung nun die Vermutung eines Gesamtgläubigerschadens in Höhe der verbotswidrigen Zahlungen widerlegen. Eine Haftung ist daher nur noch in Höhe des tatsächlich entstandenen Schadens möglich. Die Geschäftsleitung muss dabei gemäß § 15 b Abs. 4 InsO nachweisen, dass der tatsächliche Schaden geringer ist als die Gesamthöhe der geleisteten Zahlungen.
Abdeckung durch D & O Versicherung
In § 15 b Abs. 4 S. 2 InsO heißt es, „ist der Gläubigerschaft der juristischen Person ein Schaden entstanden, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den Ausgleich dieses Schadens.“ Da hier von einem Schaden der Gläubigerschaft gesprochen wird, kann gefolgert werden, dass die Ersatzpflicht der Geschäftsleitung als Schadensersatzanspruch ausgestaltet und daher von einer D & O – Versicherung abgedeckt ist.
Bewertung aus Sicht der Geschäftsleitung
Die neue Haftungsnorm des § 15 b InsO regelt einzelne Sachverhaltskonstellationen konkreter als im bisherigen § 64 GmbHG. Durch die Privilegierung in § 15 b InsO wird auch die Rechtssicherheit und Haftungserleichterung für die Geschäftsleitung eines Unternehmens deutlich erhöht. Positiv aus der Sicht potentiell haftender Geschäftsleitungen ist in der gesetzlichen Neuregelung, dass der Grundsatz der Schadensberechnung nunmehr Berücksichtigung findet und damit zu einer tendenziell geringeren Höhe der Ersatzpflicht der Geschäftsführung führen kann. Dennoch muss die Geschäftsleitung, sobald Insolvenzreife eingetreten ist, unverzüglich Maßnahmen einleiten, die der Sanierung oder der Vorbereitung eines Insolvenzantrages dienen. Bei Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit müssen die Maßnahmen binnen drei Wochen bzw. bei eingetretener Überschuldung sechs Wochen auf den Weg gebracht werden. Es verbleibt daher bei dem Grundsatz, dass die Geschäftsführerhaftung auch weiterhin für die Geschäftsleitung ein hohes Gefahrenpotential mit sich bringt.
Handeln Sie als Geschäftsleitung daher rechtzeitig. Bei Fragen rund um das Thema Insolvenzantragspflicht stehen wir Ihnen auch im Hinblick auf Restrukturierung, Sanierung und Eigenverwaltung durch unsere Fachanwälte für Insolvenzrecht mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.
Sportrecht/Vertragsrecht- Dybala-Prozess in Nürnberg – Juve-Star kickte nicht in Puma Schuhen
Sportrecht/Vertragsrecht- Dybala-Prozess in Nürnberg – Juve-Star kickte nicht in Puma Schuhen
Paulo Dybala ist ein internationaler Fußballstar. Der Argentinier spielt für den italienischen Rekordmeister Juventus Turin und in der Nationalmannschaft seines Heimatlandes.
Sponsoring-Vertrag zwischen Management und Puma
2017 schloss der fränkische Sportartikelhersteller Puma einen millionenschweren Sponsoring-Vertrag mit Dybalas Management ab, der „Star Image Limited“, einer Agentur, die zahlreiche Sportler vermarktet. Puma wollte mit ihm eine Kampagne starten und hatte dafür sogar eine auf ihn zugeschnittene „Signature-Collection“ entworfen. Der Sponsoring-Vertrag enthielt die Verpflichtung, dass der Fußballspieler die klägerischen Produkte bewirbt, indem er sie beispielsweise bei bestimmten Anlässen trägt.
Vertrag mit Agentur bereits vorher gekündigt
Das Problem, das dann auch zur gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth führte, war der Umstand, dass Paulo Dybala seinen ursprünglichen Langzeitvertrag (10 Jahre) mit der Agentur schon vor deren Vertragsschluss mit Puma gekündigt hatte. Deshalb hielt er sich an keine der Vereinbarungen, die die Agentur in seinem Namen abgeschlossen hatte. Zudem hatte Dybala bereits einen Vertrag mit einem anderen Sportartikelhersteller abgeschlossen. Dort wirkte er auch an entsprechenden Werbeaktionen mit.
Puma reichte Klage beim LG Nürnberg-Fürth ein
Puma reichte eine Klage beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein und forderte im Wege einer offenen Teilklage 2,7 Millionen Euro pauschalen Schadensersatz. Das LG Nürnberg-Fürth (Az.: 3 HK O 1292/18) und das Oberlandesgericht Nürnberg (Az.: 3 U 2801/19) gaben Puma Recht: Die Star Image Limited hatte sich vertraglich dazu verpflichtet, die aktive Mitwirkung des Paulo Dybala – etwa in bestimmten Schuhen Fußball zu spielen – zu erfüllen. Juristisch ausgedrückt ist der Spieler damit Erfüllungsgehilfe der Star Image Limited. Eine Dreiecks-Konstellation, in der letztlich die Star Image Limited die Aufgabe hatte, die Pflicht des Spielers Paulo Dybala gegenüber des Sponsors Puma zu erfüllen.
Verfahren vor dem Schiedsgericht
Die Star Image Limited hat bereits ein 40-Millionen Euro schweres Verfahren gegen Paulo Dybala vor einem Schiedsgericht rechtshängig gemacht.
Dieser Fall zeigt, wie eng Sportrecht und Vertragsrecht miteinander verknüpft sind. Dies betrifft im Kern insbesondere das Rechtsverhältnis zwischen Athleten und Verein oder Verband. So kann man insbesondere das Arbeitsrecht, das Sporthaftungsrecht sowie das Medien- und Sponsoringrecht exemplarisch nennen. Bei diesen Schwerpunkten beraten wir Sie engagiert und kompetent.
Erstes OLG-Urteil zu VW EA 288: Volkswagen muss Schadensersatz bezahlen
Erstes OLG-Urteil zu VW EA 288: Volkswagen muss Schadensersatz bezahlen
Das OLG Naumburg hat als erstes Oberlandesgericht mit Urteil vom 09.04.2021 den Volkswagen-Konzern im zweiten Diesel-Abgasskandal um den Motor VW EA 288 aufgrund vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verurteilt (Urteil vom 09.04.2021, Az.: 8 U 68/20).
Es handelt sich um das erste erfolgreiche obergerichtliche Urteil gegen die Volkswagen AG zu einem Fahrzeug, in dem ein Motor EA 288 installiert ist und bei dem die Beklagte vor dem Oberlandesgericht auch mündlich verhandelt hat. Zuvor waren lediglich Versäumnisurteile ergangen. Bei dem Motor EA 288 handelt es sich um den Nachfolgemotor des seinerzeit den Abgasskandal auslösenden EA 189.
Hintergrund
Im Verfahren ging es um einen Golf VII 2.0 TDI, in dem ein VW-Motor EA2 88 der Norm Euro 6 verbaut ist. Das Fahrzeug wurde am 10.10.2017 gebraucht erworben, das Datum der Erstzulassung ist der 04.09.2015. Für das Fahrzeug gab es keinen amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes. Der Kläger war der Ansicht, dass auch in dem Nachfolgemotor EA 288 eine illegale Abschalteinrichtung installiert und genutzt wird. Diese Rechtsansicht hat das Oberlandesgericht Naumburg nun bezüglich einer genutzten Zykluserkennung, der sogenannten Fahrkurvenerkennung, bestätigt. Das erstinstanzlich vor dem Landgericht Halle geführte Verfahren ging noch verloren. Das Landgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kläger nicht ausreichend substantiiert zu Abschalteinrichtungen vorgetragen habe. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung vor dem Oberlandesgericht Naumburg hatte Erfolg.
OLG Naumburg: Unzulässige Abschalteinrichtung
Das Oberlandesgericht Naumburg sieht es als erwiesen an, dass in dem streitgegenständlichen Golf VII 2.0 eine als illegal anzusehende Abschalteinrichtung installiert ist und das Verhalten der Volkswagen AG eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen würde. Folgerichtig wurde die VW als Beklagte zu Schadensersatz verurteilt. Im Rahmen der Entscheidungsgründe hat das Oberlandesgericht zu diversen Fragen Stellung genommen, die auch in anderen Verfahren um den Motor EA 288 immer wieder streitgegenständlich sind. VW dementierte stets das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Motoren des Typs EA 288 und verteidigte sich in Verfahren regelmäßig damit, Kläger würden das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht ausreichend belegen; zudem habe das Kraftfahrtbundesamt (KBA) bei Untersuchungen zum Motor EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.
Dieser Auffassung erteilt das Oberlandesgericht in seinem Urteil eine klare Absage. Das Gericht stellte fest, dass sich die Volkswagen AG nicht darauf berufen kann, dass „(auch) nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes eine Abschalteinrichtung nicht unzulässig sei, sofern auch bei ihrer Deaktivierung die Grenzwerte eingehalten würden.“ Dies insbesondere deshalb nicht, weil insoweit „nicht die Beklagte bei der Installierung der Abschalteinrichtung einer diesbezüglich bestehenden Rechtsauffassung des Kraftfahrt-Bundesamtes gefolgt“ sei, sondern vielmehr das Kraftfahrt-Bundesamt „der von der Beklagten nach Offenlegung der im EA288 verbauten Abschalteinrichtung hierzu vertretenen und in jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrenden Rechtsauffassung angeschlossen“ hat. Das Gericht geht davon aus, dass VW „unter Vorlage entsprechender eigener Messergebnisse an das KBA herangetreten ist, diesem versichert hat, dass infolge fehlender Grenzwertkausalität keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und das KBA diesen Standpunkt übernommen hat“.
Zur Frage der Sittenwidrigkeit des Verhaltens führt das Gericht aus, dass sich diese allein aus dem vom Profitinteresse der Beklagten geleiteten Handeln, sowie aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine öffentliche Institution, nämlich dem Kraftfahrt-Bundesamt, und unter Inkaufnahme einer Schädigung nicht nur der Käufer, sondern auch der Umwelt ergäbe.
Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, die Beklagte kann noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen. Die Revision wurde allerdings ausdrücklich nicht zugelassen, weil das Gericht die Angelegenheit für abschließend geklärt hält und eine Vorlage zum BGH für nicht nötig erachtet. Hierdurch werden die Ansprüche betroffener VW Kunden schon jetzt gestärkt. Auch wenn die Volkswagen AG im Rahmen einer Online-Kampagne die Situation für Fälle zum Motor EA 288 als nahezu aussichtslos darzustellen versucht, steht fest, dass nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 17. Dezember 2020 (Az. C-693/18) und dem aktuellen Urteil des OLG Naumburg die Chancen auf Schadensersatz für Verbraucher im Dieselskandal um den Motor EA 288 enorm gestiegen sind.
Sind Sie Halter eines Fahrzeugs mit dem VW Motor EA 288? Gerne prüfen wir für Sie die Möglichkeit einer Schadensersatzforderung. In den meisten Fällen tragen die Rechtschutzversicherungen die Kosten eines Verfahrens, weshalb Ihr Kostenrisiko fast entfällt und sich in der Regel auf die mit der Versicherung vereinbarten Selbstbeteiligung reduziert.
Corona – Update zur Insolvenzantragspflicht
Corona – Update zur Insolvenzantragspflicht
Chronologie
Bundestag und Bundesrat hatten zunächst beschlossen, die Insolvenzantragspflicht für pandemiebedingte Krisensituationen vorübergehend vollumfänglich auszusetzen. Das betraf den Zeitraum von März bis September 2020. Seit dem 1. Oktober 2020 ist die Insolvenzantragspflicht nur noch eingeschränkt ausgesetzt, und die Voraussetzungen für die ausgesetzte Antragspflicht haben sich verändert. Die Regelungen, wann grundsätzlich ein Insolvenzantrag gestellt werden muss und daher auch, wann diese Pflicht pandemiebedingt ausgesetzt ist, gelten unabhängig von der Gesellschaftsform. Eine Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, besteht bei Vorliegen der Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung bei allen haftungsbeschränkten Gesellschaften. Die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht betrifft damit insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), einschließlich der Unternehmergesellschaft (UG (haftungsbeschränkt)), die GmbH & Co. KG und die Aktiengesellschaft (AG).
Ursprüngliche Regelung bis zum 30. September 2020
Die Aussetzung galt zunächst ab dem 1. März 2020 bis zum 30. September 2020 sowohl für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit als auch für den Insolvenzgrund der Überschuldung. Voraussetzung für die Aussetzung war, dass die Schwierigkeiten pandemiebedingt sind. Das bedeutet, dass die Insolvenzreife auf den Folgen der Corona-Pandemie beruhen musste und die Aussicht bestehen musste, dass die Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden kann. Wenn bis zum 31. Dezember 2019 keine Zahlungsunfähigkeit bestand, wird vermutet, dass diese beiden Voraussetzungen vorliegen.
Änderungen vom 1. Oktober 2020 bis zum 31.Dezember 2020
Für Gesellschaften, die nicht bereits zahlungsunfähig sind und bei denen eine Überschuldung pandemiebedingt ist, wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31. Dezember 2020 verlängert. Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage sollte dadurch zusätzliche Zeit eingeräumt werden, durch Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Für zahlungsunfähige Unternehmen galten vom 1. Oktober 2020 an dagegen zunächst wieder die bisherigen Regelungen.
Änderungen vom 1. Januar 2021 bis zum 30. April 2021
Die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde im Januar 2021 verlängert und unter weiteren Bedingungen erneut auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit erweitert. Die Voraussetzungen dafür: Die Schwierigkeiten müssen ihre Ursache in der Pandemie haben und die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit darf nicht aussichtslos sein. Allerdings greift die Aussetzung nur, wenn ein Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen (Novemberhilfe, Dezemberhilfe etc. im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2020 gestellt worden ist (bzw. eine Antragsberechtigung vorlag, der Antrag aber nicht gestellt werden konnte) und
der Antrag auf die Hilfeleistung nicht aussichtslos ist und die Hilfeleistung zur Beseitigung der Insolvenzreife ausreicht. Die Anspruchsberechtigung eines betroffenen Unternehmens hinsichtlich der unterschiedlichen Corona-Hilfen ist wiederum von weiteren Bedingungen abhängig, die im Einzelfall vorliegen müssen. Dies gilt auch für Unternehmen die bis zum 28.2.2021 zwar (noch) keinen Antrag gestellt haben, aber grundsätzlich antragsberechtigt sind. Die Insolvenzantragspflicht setzt jedenfalls ein, wenn der Antrag auf Unterstützung abgelehnt wird oder die erlangbaren Mittel die Insolvenzreife des Unternehmens nicht beseitigen. Zudem muss die Zahlungsunfähigkeit pandemiebedingt sein.
Geschäftsführer aufgepasst! Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, Haftung aber nicht
Treffen die vorbezeichneten Voraussetzungen auf Ihr Unternehmen nicht zu, gelten die gesetzlichen Bestimmungen weiter. Dann muss die Geschäftsleitung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung Insolvenzantrag beim zuständigen Insolvenzgericht stellen. Dies muss unverzüglich geschehen. Stark vereinfacht kann man sagen: Ein Unternehmen ist immer dann zahlungsunfähig, wenn seine Liquidität nicht ausreicht, um den fälligen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen. Geschäftsführern, die nicht rechtzeitig Insolvenzantrag stellen, obwohl sie Kenntnis von der Insolvenzreife ihres Unternehmens haben, droht eine umfangreiche Haftung.
Für die Beurteilung, ob die Verlängerung des COVInsAG dem jeweiligen Unternehmen zugutekommt, bedarf einer umfassenden insolvenzrechtlichen Beratung. Handeln Sie rechtzeitig. Als Fachanwälte für Insolvenzrecht stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
BGH – Insolvenzanfechtung: Eintritt der rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung; Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung bei mittelbarer Zuwendung; Tilgung der Steuerschuld einer GmbH durch Zahlung vom Privatkonto ihres Geschäftsführers
BGH Sensationsurteil - Hohe Rückzahlungen für Privatversicherte
- „Die rechtlichen Wirkungen einer Rechtshandlung treten ein, wenn eine Rechtsposition begründet wird, die ohne Anfechtung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens beachtet werden müsste; auf den Eintritt einer Benachteiligung der Gläubigergesamtheit kommt es nicht an“.
- „Wird eine mittelbare Zuwendung gegenüber dem Leistungsempfänger angefochten, die in der Weise bewirkt worden ist, dass ein Geldbetrag auf das Konto einer Zwischenperson überwiesen wurde und diese den Betrag an den Leistungsempfänger durch Überweisung weitergeleitet hat, ist die Wertstellung auf dem Konto des Leistungsempfängers der für die Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung maßgebliche Zeitpunkt“.
- „Werden Steuerverbindlichkeiten einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch Zahlungen vom Privatkonto ihres Geschäftsführers beglichen, steht es der Kenntnis des Finanzamts von einer nach den objektiven Umständen anzunehmenden, die Gesamtheit ihrer Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung der GmbH nicht ohne weiteres entgegen, dass der Geschäftsführer infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung für die Verbindlichkeiten haftet“.
BGH, Urteil vom 28.01.2021 – IX ZR 64/20
BGH- GmbH & Co. KG: Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH bei vorbehaltsloser Entlastung der Komplementärin; Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft
BGH- GmbH & Co. KG: Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH bei vorbehaltsloser Entlastung der Komplementärin; Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft
- „Die vorbehaltlose Entlastung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG durch ihre Mitgesellschafter bewirkt zugleich die Entlastung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur Kommanditgesellschaft“.
- Der Geschäftsführer der Komplementärin einer personalistisch strukturierten GmbH & Co. KG hat bei der Führung der Geschäfte der Gesellschaft auch dann die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, wenn er Gesellschafter der Kommanditgesellschaft ist“.
BGH, Urteil vom 22.09.2020 – II ZR 141/19
Achten Sie als Geschäftsführer der Komplementärin darauf, dass Sie auch als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht trifft. Gerne beraten wir Sie als Geschäftsführer umfassend über Ihre Pflichten und etwaige Haftungsrisiken.
BGH Sensationsurteil - Hohe Rückzahlungen für Privatversicherte
BGH Sensationsurteil - Hohe Rückzahlungen für Privatversicherte
Im Dezember 2020 hat der BGH in zwei Fällen entschieden, dass die Axa Krankenversicherung wegen der unzureichenden Begründung von Beitragserhöhungen ihren Kunden zu viel gezahlte Beiträge zurückzahlen muss. In den Urteilen hat der BGH konkretisiert, was die Voraussetzungen der Begründung einer Prämienerhöhung und die Folgen eines Begründungsfehlers sind. Den Versicherungen wird aber weiterhin ein großer Spielraum eingeräumt. (Az.: IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19).
Hintergrund
Eine privat Krankenversicherte hatte sich gegen Beitragserhöhungen in den Jahren 2014 bis 2017 gewandt, die die Versicherung auf Grundlage von § 203 Abs. 2 VVG vorgenommen hatte. Das Landgericht hatte geurteilt, dass die Prämienanpassungen unwirksam gewesen seien und die Versicherung verpflichtet sei, die erhöhten Beiträge zurückzuzahlen. Das Oberlandesgericht (OLG Köln, Urteil vom 28.01.2020, Az.: 9 U 138/19) sah auch eine Pflicht der Versicherung zur Rückzahlung eines Teils der erhöhten Beiträge, weil die Versicherung die Prämienanpassung nicht ausreichend begründet habe. Da der Versicherer die Begründung für die Prämienerhöhungen in den Klageerwiderung aber nachgeholt habe, sei der Mangel von diesem Zeitpunkt an geheilt gewesen. Die Prämienanpassungen seien deshalb zum 1. Januar 2018 wirksam geworden, so das OLG.
BGH: Versicherung muss Änderung konkret benennen, die zur Erhöhung führt
Der BGH hat in seiner Entscheidung bestätigt, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG diese erst dann in Lauf gesetzt werde, wenn dem Versicherten eine Begründung für die Anpassung zugekommen ist, die den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt. Konkret muss die Versicherung benennen, bei welcher der Rechnungsgrundlagen – Versicherungsleistungen, Sterbewahrscheinlichkeit oder bei beiden – eine nicht nur vorübergehende Veränderung eingetreten ist, die den festgelegten Schwellenwert überschritten hat und damit die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst wurde.
In der Mitteilung zur Begründung der Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG muss die Rechnungsgrundlage genannt werden, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, also
- die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen
- und/oder Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln.
Denn die Veränderung mindestens einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen ist in § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung einer Prämienanpassung genannt.
Allgemeine Hinweise nicht ausreichend
Der BGH wies darauf hin, dass eine allgemeine Mitteilung der Versicherung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, nicht genügt. Allerdings muss die Versicherung nicht über die konkrete Veränderung einer Rechnungsgrundlage informieren. Sie muss auch nicht angeben, ob der überschrittene Schwellenwert im Gesetz geregelt ist oder davon abweichend in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe solle dem Versicherungsnehmer zeigen, was der Anlass für die konkrete Prämienerhöhung gewesen sei. Dagegen habe die Mitteilungspflicht nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.
Keine rückwirkende Zahlung höherer Beiträge
Der BGH wies auch darauf hin, dass Versicherer fehlende Angaben zu den Gründen einer Prämienanpassung nachholen können. Die Frist für das Wirksamwerden der Erhöhung setze dann aber auch erst ab Zugang der Angaben beim Versicherungsnehmer an zu laufen. Eine rückwirkende Heilung einer ursprünglich unzureichenden Begründung gebe es nicht.
Fazit
Für Sie als Versicherte bedeutet dies, dass Sie ab dem Wirksamwerden der Erhöhung, die erhöhte Versicherungsprämie zahlen müssen, allerdings nicht rückwirkend. Für erhöhte Versicherungsbeiträge, die Sie gezahlt haben, bevor die Prämienerhöhung gesetzeskonform von der Versicherung begründet wurde, haben Sie einen Anspruch auf Rückerstattung der Beitragserhöhungen.
Hat auch Ihre Krankenversicherung die Beiträge erhöht? Gerne überprüfen wir für Sie, ob die Erhöhung gesetzeskonform begründet wurde und machen für Sie etwaige Rückerstattungsansprüche geltend.
Arbeitsrecht- Weniger Urlaub für Corona-Kurzarbeiter
Arbeitsrecht- Weniger Urlaub für Corona-Kurzarbeiter
Für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer wegen Kurzarbeit Null durchgehend nicht gearbeitet haben, erwerben sie keine Urlaubsansprüche. Der Arbeitgeber kann den Jahresurlaub daher anteilig kürzen, entschied das Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf. (LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2021, Az.: 6 Sa 824/20)
Aufgrund der derzeitigen Pandemie befinden sich viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Sie arbeiten weniger oder bei „Kurzarbeit Null“ gar nicht. Es stellte sich daher die Frage, ob Arbeitgeber den Urlaub der Mitarbeiter deswegen kürzen dürfen.
EuGH: Kürzung möglich
Nach Auffassung der Luxemburger Richter sind Arbeitgeber zu einer Kürzung berechtigt, da Arbeitnehmer den Anspruch auf Jahresurlaub nur für Zeiträume tatsächlicher Arbeitsleistung erwerben. Ob die Reduzierung der Arbeitszeit auf Null in der Kurzarbeit auch nach deutschem Recht zum Wegfall von Urlaubsansprüchen führt, ist bislang umstritten. Das LAG Düsseldorf entschied nun, dass der Arbeitgeber berechtigt war, die Urlaubstage einer Mitarbeiterin, die sich mehrere Monate in Kurzarbeit befand, zu kürzen.
Grundsätze der EuGH- Rechtsprechung zur Kurzarbeit Null übertragbar
Das LAG Düsseldorf verwies in seinem Urteil auf die Rechtsprechung des EuGH, nach der während „Kurzarbeit Null“ der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entsteht. Die Richter betonten, dass sich diese Fälle übertragen lassen und schlossen sich damit der EuGH-Argumentation an. Das deutsche Recht enthalte keine günstigere Regelung: Es existiere weder eine spezielle Regelung für Kurzarbeit, noch ergebe sich etwas anderes aus den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes. Insbesondere sei „Kurzarbeit Null“ nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit zu vergleichen. Auch der Umstand, dass der Anlass für Kurzarbeit vorliegend die Coronapandemie war, ändert nach Überzeugung des Gerichts nichts daran. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat die Revision zugelassen.
Fazit
Bis zur Klärung der deutschen Rechtslage sollten Arbeitgeber vorsorglich die anteilige Reduzierung bzw. den Wegfall von Urlaubsansprüchen bei Kurzarbeit ausdrücklich im Arbeitsvertrag oder in Zusatzvereinbarungen regeln. Auf lange Sicht wird sich in Deutschland die vorbezeichnete Rechtsauffassung durchsetzen, die insbesondere aus Arbeitgebersicht zu begrüßen ist.
Gerne stehen wir Ihnen als Spezialisten für Arbeitsrecht bei Fragen zum Thema Kurzarbeit zur Verfügung und erarbeiten mit Ihnen rechtswirksame Regelungen zum Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit bzw. überprüfen für Sie, ob Ihr Arbeitgeber zur Kürzung Ihres Urlaubsanspruchs berechtigt war.
Arbeitsrecht – BAG zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Massenentlassungen
Arbeitsrecht – BAG zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei Massenentlassungen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 18.02.2021 – Az.: 6 AZR 25/20 – entschieden, dass eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit einer Kündigung im Einzelfall führen kann.
Hintergrund
In dem vom BAG zu entscheidenden Fall stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Die Klägerin war seit Mai 2001 bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG mit Sitz in Berlin als Flugbereiterin beschäftigt. Die Schuldnerin bediente als Fluggesellschaft mit mehr als 6.000 Beschäftigten im Linienflugverkehr inner- du außereuropäische Ziele.
Kündigungsschutzklage
Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewandt. Sie sei unwirksam. Unter anderem sei die PV Kabine nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Dies gelte sowohl bezüglich des nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Konsultationsverfahrens als auch bezüglich der erforderlichen Anhörung vor Erklärung der Kündigung.
BAG gibt Revision statt
Die streitgegenständliche Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Dies hat der Senat in einem Parallelverfahren entschieden und nimmt auf die Begründung dieses Urteils Bezug (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 113 ff.). Die Schuldnerin hat entgegen der sorgfältig begründeten Annahme des Landesarbeitsgerichts insbesondere den Stand der Beratungen mit der PV Kabine gegenüber der Agentur für Arbeit nicht ausreichend dargelegt und dadurch gegen § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG verstoßen (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 135 ff.).
Sind auch Sie von einer Massenentlassung betroffen? Gerne überprüfen wir, als Spezialisten im Arbeitsrecht, ob Ihr Arbeitgeber die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Massenentlassungsanzeige eingehalten oder nicht. Wenn nicht, könnte die Ihnen gegenüber ausgesprochene Kündigung unwirksam sein.