BGH verlangt Neuberechnung der Zinsen in Prämiensparverträgen

Erbrecht-Testamentswiderruf/Erbschein

Banken und Sparkassen können den Zinssatz bei Prämiensparkonten nicht beliebig absenken. Das entschied der BGH und folgte damit weitgehend den Argumenten von Verbraucherschützern (Urteil vom 06.10.2021 – VI ZR 234/20).

Der unter anderem für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige sechste Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 06.10.2021 über die Revisionen des Musterklägers, eines Verbraucherschutzverbands, und der Musterbeklagten, einer Sparkasse, gegen das Musterfeststellungsurteil des Oberlandesgerichts Dresden vom 22.04.2020 über die Wirksamkeit von Zinsänderungsklauseln in Prämiensparverträgen entschieden.

Hintergrund und bisheriger Prozessverlauf

Die beklagte Sparkasse schloss seit dem Jahr 1994 mit Verbrauchern sogenannte Premiumsparverträge ab, die eine variable Verzinsung der Spareinlage und ab dem dritten Sparjahr eine der Höhe nach bis zu 50 % der jährlichen Spareinlage ab dem 15. Sparjahr gestaffelte verzinsliche Prämie vorsehen. In den Vertragsformularen heißt es unter anderem: „Die Spareinlage wird variabel, zur Zeit mit … Prozent p.A.. verzinst“.

In den in die Sparverträge einbezogenen Bedingungen für den Sparverkehr heißt es weiter: „Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist“.

Der Musterkläger hält die Regelungen zur Änderung des variablen Zinssatzes für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge von der Musterbeklagten vorgenommene Verzinsung der Spareinlagen für zu niedrig. Er verfolgt mit seiner Musterfeststellungsklage sieben Feststellungziele. Mit diesen macht er die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel, die Bestimmung eines Referenzzinssatzes und eines monatlichen Zinsanpassungsintervalls sowie die Verpflichtung der Beklagten geltend, die Zinsanpassungen nach der Verhältnismethode vorzunehmen. Darüber hinaus möchte er festgestellt wissen, dass die Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens ab der wirksamen Beendigung der Sparverträge fällig werden, dass mit der Kenntnis der Höhe der tatsächlich vorgenommenen Zinsgutschriften im Sparbuch keinen den verjährungslauf in Gangsetzende Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen begründenden Umstände verbunden ist und dass die widerspruchslose Hinnahme der Zinsgutschriften im Sparbuch nicht dazu führt, dass das Umstandsmoment für eine Verwirkung der Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen gegeben ist.

Das OLG hat der Musterfeststellungsklage teilweise stattgegeben. Der Musterkläger verfolgt seine Feststellungsziele mit der Revision weiter, soweit das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen hat. Die Musterbeklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidung des BGH

Der sechste Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die angegriffene Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität der Verzinsung der Spareinlagen unwirksam ist und dass die in den Prämiensparverträgen insoweit entstandene Regelungslücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. Auf die Revision des Musterklägers hat er das Musterfeststellungsurteil des OLG aufgehoben, soweit dieses keinen für die Höhe der variablen Verzinsung maßgebenden Referenzzinssatz bestimmt hat. Insoweit hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen. Darüber hinaus hat er entschieden, dass die Zinsanpassungen von der Musterbeklagten monatlich unter Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstands des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz vorzunehmen sind. Er hat zudem entschieden, dass Ansprüche der Verbraucher auf Zahlung von weiteren Zinsbeträgen frühestens mit Beendigung der Sparverträge fällig werden. Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung hat er jeweils als unzulässig zurückgewiesen.

Die vom Musterkläger verfolgten Feststellungsziele zu Teilaspekten der Verjährung und Verwirkung sind im Musterfeststellungsverfahren unzulässig, weil sie nicht verallgemeinerungsfähig sind. Die Frage, ob ein bestimmter Umstand geeignet ist, einem Verbraucher Kenntnis oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis von seinem Anspruch auf weitere Zinsbeträge zu verschaffen, lässt sich nur individuell abhängig von der Person des Verbrauchers beantworten. Die Verwirkung eines Anspruchs wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Zeit- und Umstandsmoment können dabei nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Die Frage, ob ein Umstandsmoment vorliegt, das zusammengenommen mit dem Zeitmoment eine Verwirkung des Anspruchs des Verbrauchers rechtfertigt, kann daher nur individuell und nicht in einem Musterverfahren beantwortet werden.

Der BGH hat die Rechte von Prämiensparern somit gegenüber den Banken gestärkt. In der Entscheidung ging es um langfristige Sparverträge mit variablem Zinssatz. Angesichts der Niedrigzinsphase hatten Kreditinstitute die Zinsen deutlich gesenkt, die Kriterien im Vertrag aber nicht konkret benannt. Der BGH machte nun eindeutige Vorgaben, wie Zinsanpassungen zu berechnen sind. Mit der jetzigen Entscheidung hatte die Klage der Verbraucherzentrale überwiegend Erfolg.

 

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BGH - erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer Provisionszahlung trotz betrügerischen Schneeballsystem

BGH - erfolgreiche Insolvenzanfechtung einer Provisionszahlung trotz betrügerischen Schneeballsystem

„Zahlt ein Schuldner vereinbarungsgemäß Maklerlohn für die Vermittlung von Verträgen, stellt die Zahlung der sich an der Höhe der in den Hauptverträgen vereinbarten Vergütung orientierenden Provision keine unentgeltliche Leistung dar, auch wenn die Hauptverträge zivilrechtlich anfechtbar sein oder die Kunden des Schuldners verlangen könnten, schadensersatzrechtlich so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden sein, weil der Schuldner sie bei Abschluss der Verträge betrogen hat.“

(BGH, Urteil vom 10.6.2021- IX ZR 157/20).

Hintergrund

Der Kläger ist Verwalter in dem im Mai 2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M. GmbH. Diese warb in den Jahren 2013 und 2014 bei einer Vielzahl von Kunden Geldmittel ein. Sie behauptete, ein sogenanntes „Affiliate“-Netzwerk zu betreiben, bei dem Händler und Dienstleister auf der einen Seite ihre Kauf- und Dienstleistungsangebote bewerben und die Affiliates auf der anderen Seite Werbeplatz für die Werbemittel der Händler und Dienstleister auf Ihren Internetseiten gegen ein Entgelt (Provisionen) zur Verfügung stellen konnten. Interessierten Kunden bot sie an, sich durch den Erwerb von Servicepaketen an dem Geschäftsmodell zu beteiligen und in Abhängigkeit von den erzielten Werbeeinnahmen Provisionen zu erhalten. Zusätzlich sollten Provisionen für die Vermittlung von Neukunden gezahlt werden. Tatsächlich erbrachte die Schuldnerin, wie von vornherein von ihr geplant, die versprochenen Leistungen nicht, sondern verwendete die eingeworfenen Geldbeträge teilweise, um Provisionen für vorgetäuschte Werbeeinnahmen und für die Vermittlung neuer Kunden auszuzahlen. Die Verantwortlichen wurden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und wegen Betrugs verurteilt. Auch der Beklagte erwarb im Vertrauen auf die Angaben der Schuldnerin zwei Servicepakete und vermittelte in der Folgezeit den Verkauf von Paketen an weitere Geschädigte. Er erhielt von der Schuldnerin in den Jahren 2013 und 2014 etwa € 12.000,00 für die Vermittlung von Neukunden ausbezahlt.

Der Kläger hat die Auszahlungen gemäß § 134 InsO angefochten und die Rückgewähr gemäß § 143 InsO gerichtlich geltend gemacht mit der Begründung, die Schuldnerin habe eine Geschäftstätigkeit nur vorgetäuscht und ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben. Das Landgericht wies die Klage ab, das OLG gab dem Kläger weitgehend Recht.

 

BGH: kein Rückgewähranspruch wegen Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung

Die Karlsruher Richter sind der Auffassung, dass der Kläger keinen Rückgewähranspruch wegen Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung hat, da die Auszahlungen an den Beklagten nicht unentgeltlich im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO erfolgten. Denn die Auszahlungen i.H.v. € 12.000,00 erfolgten für die Vermittlung von Neukunden. Insoweit erfolgten die Provisionszahlungen der Schuldnerin nicht ohne Rechtsgrund, sondern dienten der Erfüllung einer Verpflichtung der Schuldnerin aus einem wirksamen entgeltlichen Vertrag. Der Beklagte hatte gegen die Schuldnerin diesbezüglich einen wirksamen Anspruch auf Zahlung der Provisionen aus § 652 Abs. 1 BGB. Der Beklagte und die Schuldnerin haben einen Maklervertrag gemäß der §§ 652 ff. BGB geschlossen, weil die Schuldnerin dem Beklagten für die Vermittlung eines Vertrags (Servicepaket) einen Maklerlohn (Provision) versprochen hat. Dieser Maklervertrag war nicht nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig, sondern wirksam. Dies gilt insoweit auch für die vom Beklagten vermittelten Hauptverträge. Der Wirksamkeit dieser Verträge steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin die vermittelten Hauptverträge von vornherein nicht erfüllen, sondern die Geschäftspartner im Sinne von § 263 StGB betrügen und den Beklagten als vorsatzlos handelndes Werkzeug zur Vermittlung weiterer Geschädigter einsetzen wollte.

 

Keine Nichtigkeit gemäß § 138 BGB

Eine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen § 138 BGB wäre nur dann anzunehmen, wenn der gemeinsame Zweck der Vertragspartner darauf gerichtet gewesen wäre, ein sittenwidriges Geschäft zu betreiben. Dies war hier nicht der Fall. Der Beklagte und die Geschäftspartner wurden von der Schuldnerin darüber getäuscht, dass diese in den Hauptverträgen vereinbarten Tätigkeiten nicht entfalten und den Beklagten als vorsatzlos handelndes Werkzeug einsetzen wollte. Sittenwidrig waren somit allein die von vornherein beabsichtigte Untätigkeit der Schuldnerin und ihre Täuschungen, nicht aber die mit den gutgläubigen Vertragspartnern und dem gutgläubigen Beklagten vereinbarten Verträge.

 

Keine Nichtigkeit nach § 134 BGB

Die Verträge sind auch nicht nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig, da die Geschäftspartner von der Schuldnerin im Hinblick auf das von ihr installierte Schneeballsystem betrogen worden sind (§ 263 StGB). Richtet sich das gesetzliche Verbot – wie vorliegend – nur gegen eine Partei, kann regelmäßig angenommen werden, dass verbotswidrige Geschäft solle Wirkungen entfalten. Verletzt eine der Vertragsparteien durch den Abschluss eines Vertrages ein gesetzliches Verbot, ist der Vertrag in der Regel gültig. § 652 Abs. 1 BGB macht das Entstehen eines Provisionsanspruchs des Maklers vom Zustandekommen des Hauptvertrags abhängig. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die von dem Beklagten vermittelten Kunden aufgrund der Vermittlung die Servicepakete erworben und die vermittelten Verträge sind zustande gekommen. Diese waren, wie ausgeführt, weder nach § 134 noch nach § 138 BGB unwirksam.

Allerdings hätten die von der Beklagten vermittelten Geschäftspartner die Verträge mit der Schuldnerin wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB anfechten oder nach § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen können, so gestellt zu werden, als ob die Verträge nicht geschlossen worden wären, weil sie von der Schuldnerin über deren Bereitschaft, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, getäuscht worden sind. Die Anfechtbarkeit des Vertrags oder die Möglichkeit, vom Vertragspartner verlangen zu können so gestellt zu werden als wäre der Vertrag nicht geschlossen worden, lassen den Provisionsanspruch des Maklers aber noch nicht entfallen.

 

 

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BGH zur Insolvenzanfechtung im Schneeballsystem

BGH zur Insolvenzanfechtung im Schneeballsystem

Am 11.10.2021 findet vor dem BGH in Karlsruhe die Hauptverhandlung in dem Strafverfahren über die Strafbarkeit der Verantwortlichen der Infinus Gruppe wegen Banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug statt. Eine Gesellschaft dieser Infinus Gruppe war die Prosabus KG, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter focht Ausschüttungen im Rahmen eines Schneeballsystems nach § 134 InsO an. Dass dies kein leichtes Unterfangen war und auf welche rechtlichen Hindernisse er dabei gestoßen ist, lässt sich der obergerichtlichen Rechtsprechung sowie auch Entscheidungen des BGH entnehmen.

Hintergrund

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Prosabus KG, deren alleiniger Vorstand Jörg B. gewesen ist. Die Schuldnerin war zusammen mit anderen Gesellschaften der sogenannten Infinus Gruppe auf dem unregulierten Kapitalmarkt tätig. Die von dem Insolvenzverwalter Beklagten bezeichneten jeweils Genussrechte, die in den AGB zugrunde lagen, wonach Genussrechtsinhabern unter bestimmten Bedingungen und abhängig von Jahresüberschüssen jährlich eine Basisdividende und eine Übergewinnbeteiligung ausgeschüttet werden sollten. Der Insolvenzverwalter forderte diese Ausschüttungen zurück, da nach den von ihm in Auftrag gegebenen neuen Jahresabschlüssen für die Jahre 2009/2010 und 2012/2013 bereits kein Überschuss erzielt und zudem ein Schneeballsystem betrieben wurde.

 

Die von der Schuldnerin erstellten Jahresabschlüsse zum 31.03.2010, zum 31.03.2011 und zum 31.10.2012 wiesen jeweils Jahresüberschüsse aus. Dementsprechend erhielten die Anleger (Beklagten) jeweils Zahlungen auf Basisdividende und Übergewinnbeteiligung für die Geschäftsjahre 2009/2010, 2010/2011, 2011/2012 und 2012/2013.

 

Verdacht des Kapitalanlegebetrugs

Die hinter der Infinus Gruppe stehenden Akteure gerieten wegen des Verdachts des Kapitalanlagebetrugs in den Blick der zuständigen Staatsanwaltschaft beim LG Dresden. Am 13.11.2013 wurde beim zuständigen Insolvenzgericht ein Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin gestellt. Im Juli 2018 wurden Jörg B. und andere Verantwortliche der Infinus Gruppe – nicht rechtskräftig – wegen Banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in Tateinheit mit Kapitalanlagebetrug, bzw. der Beihilfe verurteilt (Hauptverhandlung vor dem BGH am 11.10.2021).

 

Insolvenzanfechtung der Jahresabschlüsse

Der Insolvenzverwalter focht die Feststellung der Jahresabschlüsse der Schuldnerin für die streitgegenständlichen Jahre an, soweit diese nach § 325 Abs. 2 HGB im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden sind (§§ 256, 257 AktG). Eine rechtskräftige Entscheidung hierüber steht noch aus.

 

OLG Schleswig – Ausschüttungen der Basisdividenden und Übergewinnbeteiligung nicht nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar

Das OLG Schleswig hielt die Ausschüttungen der Basisdividenden und Übergewinnbeteiligungen nicht nach § 134 Abs. 1 InsO für anfechtbar. Unterstellt, dass Ausschüttungen ohne Rechtsgrund erfolgt sind, fehlt die Kenntnis der Nichtschuld (§ 814 BGB) und es greift auch die Kondiktionssperre aus § 817 S. 2 BGB nicht. Es liegt damit keine unentgeltliche Leistung nach § 134 InsO vor. Selbst wenn man auf die Kenntnis der gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin abstellt, würden die Voraussetzungen des § 814 BGB nicht vorliegen.

 

OLG Koblenz – kein Anspruch auf Rückerstattung nach § 134 InsO, da keine Überzeugung zur Unentgeltlichkeit der Ausschüttungen

Auch das OLG Koblenz ist nicht davon überzeugt, dass die Ausschüttungen unentgeltlich erfolgt sind. Unentgeltlichkeit würde lediglich dann bestehen, wenn gemäß den vereinbarten Genussrechtsbedingungen kein Anspruch bestanden hätte und zudem die Schuldnerin vom Nichtbestehen des Anspruchs gewusst hätte. Bei letztgenannter Voraussetzung fehlt es. Es komme daher nicht darauf an, ob die Schuldnerin, bzw. die für sie verantwortlich handelnden Personen Kenntnis von einem auf Betrug ausgerichteten Schneeballsystem gehabt hätten, sondern allein darauf, ob Sie Kenntnis von bilanzrechtlich fehlerhaft ausgewiesenen Gewinnen gehabt hätten. Dieses Wissen erfordere auch bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre eine Vorstellung davon, was wann im konkreten Fall mit welchem Wert hätte bilanziert werden dürfen.

 

BGH – Bereicherungsanspruch schließt Anfechtungsanspruch aus

Nach dem BGH steht demjenigen Schuldner, der leistet, da er sich hierzu irrtümlich verpflichtet hält, hinsichtlich der Leistung ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, was einen endgültigen, vom Empfänger nicht auszugleichenden, freigiebigen Vermögensverlust des Schuldners und eine Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO ausschließt.

 

Leistung anfechtbar, wenn Gesetz- oder Sittenverstoß vorliegt

Anfechtbar ist die Leistung nach § 134 InsO nach den Karlsruher Richtern aber dann, wenn die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB eingreift und dem Leistenden neben dem Empfang einem Gesetzes- oder Sittenverstoß zur Last fällt, welcher den Bereicherungsansprüchen die gerichtliche Durchsetzbarkeit nimmt und eine rechtshindernde Einwendung begründet. Dann liegt eine unentgeltliche Leistung im Sinne des §§ 134 Abs. 1 InsO vor (BGH, Urteil vom 27.09.2019 – IX ZR 167/18).

 

Verträge über Genussrechte grundsätzlich wirksam

Gleiches gilt, wenn die Kondiktionssperre des § 814 BGB greift. Die von der Schuldnerin geleisteten Überweisungen sind Leistungen, die infolge des Vermögensabfluss eine Gläubigerbenachteiligung bewirkt haben. Derartige Verträge sind nicht bereits nach § 138 BGB nichtig. Verträge über Genussrechte sind wirksam und zwar unabhängig davon, ob die Schuldnerin schon vor Beginn ihrer geschäftlichen Tätigkeit an oder vor Abschluss der streitgegenständlichen Verträge ein betrügerisches Schneeballsystem betrieben hat und ihr bewusst war, dass sie keine hinreichenden Gewinne erwirtschaften würde, und den Erwartungen der Anleger zu entsprechen, sondern zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs Ausschüttungen an die Altanlieger mit dem Geld der Neuanleger vornehmen musste.

 

Nichtigkeit der Verträge erst bei gemeinsamen sittenwidrigen Zweck

Derartige Verträge sind nach dem BGH erst dann nichtig, wenn der gemeinsame Zweck der Vertragspartner darauf gerichtet gewesen wäre, ein sittenwidriges Geschäft zu betreiben. Sittenwidrig wäre zudem allenfalls das von der Schuldnerin tatsächlich betriebene System, während die mit den gutgläubigen Beklagten vereinbarte Kapitalanlage unwirksam ist. Auch betrügerisches Verhalten führt nicht zur Nichtigkeit der Verträge nach § 134 BGB. Allerdings bestehen nach dem klägerischen Vortrag keine Ansprüche auf Ausschüttungen. Die Auslegung ergibt, dass der Rechtsgrund der Ausschüttungen nur dann nach dem Verständnis der Anleger gefehlt hat, wenn die festgestellten Jahresabschlüsse nach § 256 AktG nichtig sind. So müssen allerdings die subjektiven Voraussetzungen des § 814 BGB beachtet werden. So muss der Leistende gewusst haben, dass er nicht zur Leistung verpflichtet war.

Der Schuldner hat dann Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund, wenn er weiß, dass er keine Gewinne, sondern im Gegenteil Verluste erwirtschaftet und ein betrügerisches Schneeballsystem betreibt, er also weiß, dass er lediglich Scheingewinne und Scheindividenden aus den Einzahlungen vom ihm getäuschter Geldgeber auszahlt.

Danach mussten die für die Schuldnerin handelnden Personen nicht wissen, ob die Versicherungen und die Edelmetallsparpläne im Anlage- oder Umlaufvermögen mit welchen Werten hätten bilanziert werden müssen. Die Parallelwertung in der Laiensphäre kann zur Schlussfolgerung führen, dass Ansprüche der Genussrechtsinhaber nicht bestanden haben.

 

Aufkauf von Lebensversicherungen

Konzept der Schuldnerin war es, Lebensversicherungen aufzukaufen und so lange weiterzuführen, bis sie den inneren Wert realisieren konnten (garantierte Versicherungssumme und Überschussbeteiligung). Dieses Konzept setzt voraus, dass die Lebensversicherungen langfristig weitergeführt werden. Wurde dieses Konzept aufgegeben und sollten die Lebensversicherungen auch kurzfristig, je nach Liquiditätslage, gekündigt werden, war den verantwortlich Handelnden auch bekannt, dass der mit den Anschaffungskosten gewählte Bilanzansatz unrichtig war. Dies gilt auch bei Goldsparplänen, da nach dem zu unterstellenden Klägervortrag zu wenig Gold angespart war, als dass damit – selbst unter Berücksichtigung der Steigerung des Goldwerts – die hohen Gebühren hätten ausgeglichen werden können. Die Forderung auf Zahlung der vereinbarten ratierlich auszuzahlenden Provisionen hingegen den Lebensversicherer wegen der Vermittlung der hochvolumigen Lebensversicherungen an Unternehmen der Finanzgruppe waren ebenfalls dem Umlaufvermögen zuzuordnen und auf den niedrigeren Wert zum Abschlussstichtag abzuschreiben.

 

Hohes Risiko, dass Prämienzahlungen nicht dauerhaft geleistet werden können

Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vortrag bestand ein hohes Risiko, dass die hohen Prämienzahlungen, von den Provisionen abhingen, nicht dauerhaft würden geleistet werden können. Auch diese benannten Bilanzierungsregeln mussten nicht in Einzelheiten bekannt sein, dafür die Parallelwertung in der Laiensphäre das Wissen genügen, dass Versicherungsprämien dauerhaft gezahlt werden mussten und diese wohl nicht dauerhaft aufgebracht werden konnten.

 

Schneeballsystem

Im Weiteren ist auch von Bedeutung, dass die Schuldnerin bewusst ein betrügerisches Schneeballsystem betrieb. Zwar sagt Schneeballsystem für sich genommen noch nichts dazu aus, ob lediglich Scheingewinne erwirtschaftet würden. Die Liquiditätsbetrachtung, ob neu angeworbene Gelder genügen, um Altanleger zu befriedigen, hat dabei keine Bedeutung für die Frage, ob ein Unternehmen Gewinne erwirtschaftet. Auch sagt das Schneeballsystem nichts dazu aus, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 134 InsO erfüllt sind, da es „das Schneeballsystem“ allein nicht gibt.

 

Wenn jedoch ein Schuldner, der seinen Vertragspartnern gewinnabhängige Ausschüttungen schuldet, weiß, dass er nur von den Anlegern Geld ansammelt und keine eigenen Geschäftsteile entfaltet, weiß er auch, dass er keine Gewinne erwirtschaftet und Jahresabschlüsse, welche für ihn dennoch Gewinne ausweisen, fehlerhaft sind, weil es sich um Totalfälschungen handelt. Ein Schuldner, der weiß, dass er zwar in einem geringen Umfang eine gewinnbringende Geschäftstätigkeit entfaltet, im Übrigen aber von den neuen Anlegern Geld ansammelt, um dieses an die Altanleger auszuzahlen, weiß, dass die über die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne weitere Gewinne auszuweisenden Jahresabschlüsse fehlerhaft sind, weil sie gefälscht sind oder unzulässige Bewertungen enthalten.

 

Erwirtschaftung von Verlusten indiziert Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund

Nach diesen Maßstäben hat ein Schuldner deswegen Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund, wenn er weiß, dass er keine Gewinne, sondern im Gegenteil Verluste erwirtschaftet, und damit weiß, dass er ein betrügerisches Schneeballsystem betreibt und damit also weiß, dass er an die Genussrechtsinhaber statt der versprochenen Gewinne und Dividenden lediglich Scheingewinne und Scheindividenden aus der Einzahlung der von ihm getäuschten Geldgeber auszahlt. Die Ausschüttungen hatten vorliegend ihre Grundlage in dem nicht zu beanstandenden Genussrechtsvertrag, der selbst nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstieß (BGH, Urteil vom 01.10.2020 – IX 247/19; BGH, Urteil vom 22.07.2021 – IX ZR 26/20).

 

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DFB vor dem BGH: Verbandsautonomie und Verschuldensprinzip - Wer haftet für Pyroeinsätze der Fans?

DFB vor dem BGH: Verbandsautonomie und Verschuldensprinzip - Wer haftet für Pyroeinsätze der Fans?

Wegen Bengalos und andere Pyrotechnik in Fanblöcken verhängt der DFB regelmäßig hohe Geldstrafen gegen Vereine. Grundsatzfrage ist seit jeher, ob er dies überhaupt darf. Diese Frage klärt nun der Bundesgerichtshof (BGH). Das Verfahren hat der Regionalist FC Carl Zeiss Jena angestoßen. Zwischen den Parteien wird über die Haftung für Pyroeinsätze der Fans im Stadium gestritten. Die Verbandsstatuten des DFB ziehen es vor, dass der Verein zahlen muss, wenn Fußballfans im Stadion Pyrotechnik verwenden. Solche Vorfälle sind nicht die Regel, kommen aber gelegentlich vor. Der Verband verhängt dann eine Geldstrafe gegen den Verein. Rekordhalter ist ein Spiel zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli: Wegen einem Feuerwerk bei dem Zweitliga Nordderby musste St. Pauli 180.000,00 €, der HSV sogar 250.000,00 € Strafe zahlen. Bei dem Viertligisten FC Carl Zeiss Jena geht es um 24.900,00 €. Diesen Betrag macht der DFB von dem Verein für drei Vorfälle aus dem Jahr 2018 geltend. Jena Fans sollen Pyrofeuerwerk abgefackelt und Gegenstände auf das Spielfeld geworfen haben. Nach weiteren Vorfällen beläuft sich der Betrag inzwischen auf knapp 100.000,00 €. Zwar hat der Verein die Strafe beglichen, fordert sie aber nun vom DFB zurück, da sie unrechtmäßig sei.

Auch DFB kann Pyroeinsätze nicht verhindern
Der FC Carl Zeiss Jena möchte die verhängte Geldstrafe nicht akzeptieren und argumentierte insbesondere damit, dass seitens des Vereins alles versucht worden sei, um Pyrotechnik im Stadion zu verhindern. Manche Fans würden aber trotzdem Mittel und Wege finden, die der Verein auch mit höchsten Sicherheitsmaßnahmen nicht verhindern könne. Außerdem verteidigt sich der Verein mit dem Verweis auf ein DFB-Pokalfinale. Bei diesen Spielen ist der DFB selbst Veranstalter, doch auch hier kommt es zu Pyroeinsätzen. Jena verweist also darauf, dass es dem DFB selbst nicht gelinge, Pyrotechnik zu verhindern. Dies sei ein Beweis dafür, dass es schlicht nicht zu verhindern sei.

FCC unterlag in allen Instanzen
Mit dieser Argumentation hatte der FCC bislang keinen Erfolg. Bereits in der Sportgerichtsbarkeit unterlag Jena vor dem DFB Bundesgericht. Dieses ist zum einen als Rechtsmittelinstanz gegen Entscheidungen des Sportgerichts des DFB zuständig, aber auch in erster Instanz für Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung eines Verwaltungsorgans des DFB – sogenannte Verwaltungsbeschwerdeverfahren. Anschließend unterlag der FCC auch vor dem ständigen Schiedsgericht für die dritte Liga. Auch vor dem anschließenden Zivilgericht, dem OLG Frankfurt am Main, konnte der Viertligist keinen Erfolg verbuchen. Das OLG entschied, dass der Schiedsspruch des ständigen Schiedsgerichts der dritten Liga nicht aufzuheben sei und es bei der verhängten Geldstrafe bleibt. Beim Sportgericht handle es sich um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der ZPO und die Haftungsverteilung zulasten eines Vereins in punkto Pyroeinsätze verstoße nicht gegen allgemeine Grundsätze der öffentlichen Ordnung. Nun müssen die Karlsruher Richter entscheiden, ob sie den Schiedsspruch aufheben. Dies ist nur möglich, wenn er elementare Grundsätze der Rechtsordnung verletzt.

§ 9 a Rechts- und Verfahrensordnung DFB
Die Rechtsgrundlage für die geregelte Verbandsstrafenhaftung findet sich in § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Bei der Norm handle es sich, so das OLG, um eine nicht zu beanstandende Verbandsstrafenhaftung im Sinne einer objektiven Kausalhaftung für ein Fehlverhalten Dritter. In § 9a Abs. 1 der Ordnung wird normiert, dass ein Verein zunächst für das Verhalten von beispielsweise Spielern, Mitarbeitern und Zuschauern verantwortlich ist. Im zweiten Absatz heißt es weiter, dass der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art haften.

Zwischen den Fußballvereinen und dem DFB besteht demnach ein vertraglich festgehaltenes Rechtsverhältnis. Ein solches besteht allerdings nicht zwischen dem DFB und dem Fan, der Pyrotechnik im Stadion entzündet. Somit kann der Verband den eigentlichen Verursacher nicht in Haftung nehmen und greift durch § 9 a seiner Rechts- und Verfahrensordnung auf die Vereine zurück. Im Übrigen empfiehlt der DFB den Vereinen, sich die Gelder von den Verursachern zurückzuholen.

Mündliche Verhandlung vor dem BGH
In dem Rechtsstreit vor dem BGH wird es insbesondere um das Zusammenspiel von Verbandsautonomie und zivilrechtlichem Verschuldensprinzip gehen. Denn es gibt erhebliche Zweifel, ob die Haftungsregelung rechtmäßig ist. Es gibt zwar zum einen die verfassungsrechtlich garantierte Verbandsautonomie, auf die sich der DFB berufen könnte. Verbände können grundsätzlich selbst entscheiden und sich ein eigenes Regelwerk vorgeben. Doch zum anderen gibt es im deutschen Zivilrecht auch das Verschuldensprinzip, wonach einer sanktionierten Rechtsfolge eine schuldhafte Handlung vorausgehen muss. Dabei müssen Tatbestand und Rechtsfolge verhältnismäßig sein. Seitens des DFB wird darauf verwiesen, dass es eine solche Haftungsregelung auch in anderen Bereichen des Zivilrechts gibt, so beispielsweise im Straßenverkehr. Gemeint ist hierbei die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG, wonach der Halter eines Kraftfahrzeugs ohne Verschulden haftet, wenn bei dem Betrieb seines KFZ ein anderer verletzt oder getötet oder eine Sache beschädigt wird. § 7 Abs. 1 StVG stellt also auch eine Ausnahme des Verschuldensprinzips dar.

Den BGH wird daher insbesondere auch die Frage beschäftigen, ob eine vom DFB geregelte Ausnahme des Verschuldensprinzips Anwendung finden kann. Sollte dies der Fall sein, könnte es im Weiteren um die Verhältnismäßigkeit der Rechtsfolge gehen. Verbandsrechtler wie Johannes Arnold halten die hohen Geldstrafen für unverhältnismäßig. „Sie würden keine wettkampfsichernde Wirkung zeigen, weshalb sie als Sanktionsmaßnahmen im Rahmen einer verschuldensunabhängigen Haftung eher unwirksam seien.“

Die Entscheidung des BGH wird mit Spannung erwartet, da sie nicht nur die Grundsatzfrage klärt, wer bei Pyroeinsätzen von Fans haftet, sondern auch das zivilrechtliche Spannungsfeld zwischen Verbandsautonomie und Verschuldensprinzip genauer beleuchtet.

Dieser Rechtsfall zeigt erneut, dass sich im Sportrecht häufig Verbandsrecht und staatliches Recht überschneiden und es oft schwierig zu beurteilen ist, welchem Recht der Vorzug zu geben ist.

In unserer auf das Zivil- und Sportrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei derartigen Grenzfällen kompetent zur Seite.


Altersdiskriminierung durch den DFB-Schiedsrichter -Gräfe verklagt den DFB

Altersdiskriminierung durch den DFB-Schiedsrichter -Gräfe verklagt den DFB

Der ehemalige Bundesliga Schiedsrichter Manuel Gräfe musste im Alter von 47 Jahren und nach 289 von ihm geleiteten Bundesligapartien altersbedingt seine Schiedsrichterkarriere beenden. Grund hierfür ist eine Altersgrenze, die der Deutsche Fußballbund e.V. (DFB) vorschreibt. Da der DFB an der starren Altersgrenze für seine Schiedsrichter festhält, hat Gräfe nun Klage erhoben. Sein Vorwurf: Altersdiskriminierung durch den DFB. Manuel Gräfe und seine ebenfalls altersbedingt ausgeschiedenen Kollegen Guido Winkmann und Markus Schmidt wünschten sich eine Fortsetzung der Tätigkeit als Schiedsrichter der Bundesliga für eine angemessene Zeit, da sie weiterhin fit genug und motiviert für die Fortsetzung ihrer aktiven Schiedsrichterkarriere sind. Der DFB blieb seiner alten Linien treu, welche lautet: Mit 47 ist Ende. Für Manuel Gräfe war damit am 22.05.2021 mit dem Spiel Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen Schluss. Dies nach 17 Jahren Bundesliga.

Der Berliner Schiedsrichter möchte das nicht hinnehmen und hat daher Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erhoben.

Gräfe erfüllt weiterhin alle Voraussetzungen
§ 13a der DFB-Schiedsrichterordnung (DFB-SO) regelt die Voraussetzungen für die Aufnahme von Schiedsrichtern in die DFB Schiedsrichterlisten für die Lizenzligen (erste und zweite Bundesliga) sowie die Dritte Liga. Demnach trifft die sogenannte „Schiedsrichterführung für den Elitebereich“ vor Beginn jeder Spielzeit die Entscheidung über die Aufnahme von Schiedsrichter/innen in die Spitzenligen und über deren Ausscheiden aus den Spitzenligen mit Einwilligung des DFB Präsidiums. Darüber hinaus konkretisiert die DFB-SO die Anforderungen an die fachliche und persönliche Eignung der Schiedsrichter/innen. Hierzu gehören Leistungsnachweise in Form von Spielleitungen unter professioneller Beobachtung, die Teilnahme an Lehrgängen, die sportmedizinische Untersuchung sowie das Bestehen der theoretischen und praktischen Leistungsprüfungen. Die für eine Zulassung infrage kommenden Schiedsrichter/innen müssen zudem einen Personalfragebogen unter Beifügung eines aktuellen Führungszeugnisses sowie einer aktuellen SCHUFA Auskunft vorlegen. Näheres hierzu regeln die Durchführungsbestimmungen zur DFB Schiedsrichterordnung.

Manuel Gräfe hätte auch für die neue Spielzeit 2021/2022 all diese Voraussetzungen vorweisen können. Physische oder kognitive Mängel waren bei den Spielleitungen Gräfes in der letzten Spielzeit nicht zu erkennen und solche konkreten Mängel wird der DFB auch nicht ernsthaft behaupten werden. Die Leistungen Gräfes, der nicht zu Unrecht als bester Deutscher Schiedsrichter gilt, war in der zurückliegenden Saison tadellos. Der einzige Grund für sein Ausscheiden ist sein Alter. Neben den erwähnten Anforderungen an die fachliche und persönliche Eignung besteht eine Regelung für den Eliteschiedsrichterbereich, wonach solche Schiedsrichter/innen nicht mehr für die nachfolgende Spielzeit nominiert werden, die das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Altersgrenze gilt einschränkungslos. Beim europäischen Fußballdachverband UEFA liegt die Altersgrenze für Schiedsrichter/innen bei nur 45 Jahren, wobei die UEFA, anders als der DFB, Ausnahmen zulässt. So konnte beispielsweise der niederländische Schiedsrichter Björn Küppers (48) das EM Finale zwischen Italien und England pfeifen. Bislang haben sich alle Schiedsrichter/innen in Deutschland der Altersgrenze des DFB gebeugt. Insbesondere auch deshalb, da viele von ihnen weiterhin in bestimmten Positionen beim DFB tätig werden wollen. Manuel Gräfe hingegen hat kein Interesse daran, seine Schiedsrichterkarriere in einer anderen Funktion fortzusetzen, so etwa als Videoschiedsrichter wie es seine ebenfalls altersmäßig ausgeschiedenen Kollegen Guido Winkmann und Markus Schmidt machen.

Anwendbarkeit des AGG
Gräfe erhob Klage aufgrund eines Verstoßes gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das AGG schützt bestimmte Merkmale, die in § 1 AGG genannt sind:

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Diskriminierungen aufgrund des Alters sind demnach untersagt, altersbedingte Benachteiligungen sind nur im Rahmen des § 10 AGG erlaubt. Die Norm erlaubt eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters in Fällen, in denen sie objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Der Schutz der Altersdiskriminierung gilt auch im Arbeitsleben, wie § 7 AGG klarstellt. Danach dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Zwar besteht zwischen dem DFB und den Schiedsrichter/innen der Bundesliga kein Arbeitsverhältnis. Vielmehr gestalten sich die Rechte und Pflichten zwischen den Parteien durch getroffene Rahmenvereinbarungen. Doch der Schutz des AGG bezieht sich auch auf selbstständig tätige Personen, soweit die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit betroffen sind.

Starre Altersgrenze notwendig?
In dem Rechtsstreit wird es aller Wahrscheinlichkeit insbesondere darum gehen, ob die Regelung des DFB den Anforderungen des § 10 AGG entspricht oder nicht. Unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters sind nach dem AGG zulässig, wenn sie objektiv und angemessen sowie durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind. Die Mittel zur Erreichung des Ziels müssen wiederum angemessen und erforderlich sein. Dass dem DFB gelingen wird, Anhaltspunkte hierfür darzulegen, wird das Verfahren zeigen. Altersgrenzen für Spitzenschiedsrichter/innen haben nach der Argumentation der Fußballverbände den Zweck, dem Aspekt der tendenziell mit dem Alter abnehmenden sportlichen Leistungsfähigkeit und der steigenden Verletzungsgefahr Rechnung zu tragen. Zumal das Spieltempo im Spitzenfußball seit Jahren steigt. Kritisiert wird von Gräfe insbesondere, dass die Regelung zu starr sei. In einem Interview verwies der Schiedsrichter auf andere Regelungsmodelle, die Ausnahmen erlauben würden. Darüber hinaus hat sich das sportliche Niveau der Schiedsrichter/innen durch immer professionellere Trainings- und Fortbildungsmethoden in den letzten Jahren stetig gebessert. Auch haben die am Spielbetrieb teilnehmenden Clubs ein berechtigtes Interesse daran, dass sich die Riege der Schiedsrichter/innen in den Profiligen möglichst aus den Besten zusammensetzt. Dass die Altersgrenze des DFB in der jetzigen Form hält, ist sehr unwahrscheinlich. Die derzeitige starre Regelung dürfte in der Tat altersdiskriminierend sein.

Vergleich mit DFB wohl ausgeschlossen
Eine vergleichsweise Einigung scheint hier schwer vorstellbar, solange der DFB sich zumindest nicht für künftige Fälle auf einen Wegfall der starren Altersgrenze einlässt. Auf einen Deal in der Form „wir zahlen, du schweigst“ wird sich Gräfe nicht einlassen, da er insbesondere mitgeteilt hat, dass er das Verfahren auch deshalb führt, damit Kollegen in künftigen Fällen davon profitieren können.

Die Klage Gräfes wegen eines Verstoßes gegen das AAG hat gute Aussicht auf Erfolg. Der DFB wird sich mittelfristig über ein alternatives Konzept beispielsweise nach dem Vorbild der UEFA in Form einer weichen Altersgrenze mit Ausnahmemöglichkeiten Gedanken machen müssen.

In unserer auf das Arbeitsrecht und Sportrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen bei Fragen insbesondere in Bezug auf mögliche Verstöße gegen das AGG sowie Fragen rund um Verbandssatzungen und Richtlinien gerne zur Verfügung.


Arbeitsrecht-BAG zum Beweiswert einer AU-Bescheinigung

Arbeitsrecht-BAG zum Beweiswert einer AU-Bescheinigung

Legt ein Arbeitnehmer nach der Kündigung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Restlaufzeit vor, kann das den Beweiswert der Krankschreibung erschüttern. Arbeitnehmer müssen dann die Arbeitsunfähigkeit darlegen und beweisen.

Arbeitnehmer, die direkt nach einer Kündigung eine Krankschreibung vorlegen und der Arbeit so bis zum Auslauf der Kündigungsfrist fernbleiben, können nicht automatisch mit einer Gehaltsfortzahlung rechnen. Kündigt ein Arbeitnehmer und wird am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Bescheinigung auf Arbeitsunfähigkeit erschüttern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Zeitraum passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst, urteilte das BAG am vergangenen Mittwoch.
(BAG-Beschluss vom 08.09.2021, 5 A ZR 149/21).

Hintergrund

Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Mitarbeiterin einer Zeitarbeitsfirma Anfang Februar 2019 zum Monatsende gekündigt und am selben Tag eine AU eingereicht hat. Sie soll laut dem Arbeitgeber am Tag der Ausstellung einem Kollegen in Ihrem damaligen Einsatzbetrieb telefonisch angekündigt haben, nicht mehr zur Arbeit zu kommen. Von einer Arbeitsunfähigkeit sei in dem Gespräch keine Rede gewesen.

Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung. Die Frau machte hingegen geltend, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burn-out gestanden. Sie verlangte Lohnfortzahlung. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte der Klage der Frau stattgegeben und den Anspruch auf Lohnfortzahlung bestätigt.

BAG: Beweiswert der AU-Bescheinigung wurde erschüttert

Der Arbeitgeber hatte vor dem BAG mit seiner Revision jedoch Erfolg. Nach Ansicht des Senats wurde der Beweiswert der AU erschüttert, weil diese exakt die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses abdeckte. Deshalb hätten ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestanden. Die Klägerin hätte daher darlegen und beweisen müssen, dass sie tatsächlich nicht arbeiten konnte. Dieser Beweis könne dem Senat nach insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erbracht werden. Dem sei die Klägerin trotz eines Hinweises des Senats nicht nachgekommen.

Die Entscheidung des BAG klärt hier nicht die Grundsatzfrage, ob Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom Arbeitgeber hingenommen werden müssen oder unter Umständen angreifbar sind. In dem speziellen Fall, war es für die Erfurter Richter eindeutig, dass die Klägerin mit ihrer eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lediglich den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist überbrücken wollte. Dass sie den Gegenbeweis, sprich einer Vernehmung ihres Arztes, nicht angetreten ist, wurde Ihre Klage abgewiesen.

Unsere auf das Arbeitsrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen bei Fragen rund um das Thema Kündigung und Arbeitsunfähigkeit kompetent zur Verfügung.


Insolvenzrechtsreform 2021 - MedMaxx-Magazin

MedMaxx-Magazin: Sommerausgabe 2021

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Insolvenzrechtsreform 2021

Artikel von Herrn Rechtsanwalt Manuel Ast in der aktuellen Ausgabe des MedMaxx-Magazins.


P & R Insolvenz: Hemmungsvereinbarung wegen Insolvenzanfechtungsansprüchen – Anteilsinhaber der insolventen P & R Container Leasing GmbH sollen auf Ihr Recht auf Einrede der Verjährung verzichten

P & R Insolvenz: Hemmungsvereinbarung wegen Insolvenzanfechtungsansprüchen – Anteilsinhaber der insolventen P & R Container Leasing GmbH sollen auf Ihr Recht auf Einrede der Verjährung verzichten

Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P & R Container Leasing GmbH – Az.: 1542 IN 727/18, ist seit drei Jahren eröffnet. Schon im August 2019 hatte der zuständige Insolvenzverwalter, Dr. jur. Philipp Heinke von der Anwaltskanzlei Jaffé, Anteilsinhaber zur Abgabe einer sogenannten Verjährungsverzichtserklärung für 2021 aufgefordert. Aktuell erinnert der Insolvenzverwalter mit einem erneuten Schreiben diejenigen Anteilsinhaber an die Abgabe der P & R Hemmungsvereinbarung, die der Aufforderung bisher noch nicht nachgekommen sind. Im Schreiben wird erheblicher Druck aufgebaut und auf mögliche negative Konsequenzen hingewiesen, sollte keine Unterzeichnung erfolgen.

 

Insolvenz der P & R Container Leasing GmbH

Bei der P & R Container Leasing GmbH handelt es sich um eine von mehreren P & R Gesellschaften, konkret um einen insolventen Container bzw. Schiffsfond, in den Anleger ihr Geld investieren konnten. Seit mittlerweile drei Jahren ist das Insolvenzverfahren über die P & R Container Leasing GmbH eröffnet. Von der Insolvenz betroffen sind über 10.000 Anleger.

Aktuell möchte der zuständige Insolvenzverwalter, Dr. jur. Philipp Heinke, auch aus Altverträgen Zahlungen an die Anlieger zurückfordern. So fordert er Anteilsinhaber erneut dazu auf, eine Verjährungsverzichtserklärung abzugeben.

 

Unentgeltliche Leistungen an die Anleger anfechtbar?

Hintergrund des Schreibens des Insolvenzverwalters ist, dass die Anleger der P & R Container Leasing GmbH aus Sicht der Kanzlei Jaffé kein Eigentum an den entsprechenden Containern erworben haben. So existieren die Container teilweise nicht oder es fand nie eine Eigentumsübertragung statt. Wenn man etwas nicht hat, hat man auch kein Recht darauf. Aus diesem Grund seien die an die Anteilsinhaber geflossenen Mietzahlungen sogenannte unentgeltliche Leistungen und könnten vom Insolvenzverwalter nach § 134 InsO angefochten werden.

In Bezug auf das angeblich nicht existierende Eigentum und der damit zusammenhängenden Insolvenzanfechtbarkeit sind mittlerweile mehrere Gerichtsverfahren anhängig. Dabei geht es insbesondere um die Streitfrage, ob Anteilsinhaber in der Vergangenheit Eigentum an den Containern erworben haben oder nicht. Der Insolvenzverwalter vertritt die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei und möchte daher die zugeflossenen Mietzahlungen anfechten.

 

Hintergrund des neuerlichen Schreibens

Die Anleger der P & R Container Leasing GmbH werden nun erneut aufgefordert, die bisher noch nicht abgegebenen Verjährungsverzichtserklärungen zu unterschreiben. Insbesondere deshalb, da die Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters Ende 2021 verjähren würden. Bis dahin müsste der Insolvenzverwalter Klage gegen jeden einzelnen Anleger erheben. Da bisher noch kein höchstrichterliches Urteil vorliegt, möchte er das vermeiden. Aus diesem Grund fordert er nun sämtliche Anteilsinhaber auf, welche die Verjährungsverzichtserklärung noch nicht unterschrieben haben, dies zu tun. Durch Unterzeichnung dieser Verjährungsverzichtserklärung erkennen Anleger keine Forderungen an, sondern stimmen lediglich zu, dass keine Verjährungsfrist eintritt bzw. die Hemmung auf den 31.12.2023 verschoben wird.

In dem Schreiben wird nicht unerheblicher Druck auf die Anteilsinhaber ausgeübt. So weist der Insolvenzverwalter unter anderem darauf hin, dass Anleger im eigenen Interesse handeln sollten. Sollte nämlich keine Zustimmung zum Verzicht auf die Einrede der Verjährung für das Jahr 2021 erfolgen, wäre das für die Anleger mit weiteren Kosten verbunden. So wird auf einen möglichen gerichtlichen Mahnbescheid hingewiesen.

 

Stand der Gerichtsverfahren

Mittlerweile sind mehrere Gerichtsverfahren anhängig, die sich damit beschäftigen, ob die Anleger Eigentum an den Containern hatten und dementsprechend auch, ob der Insolvenzverwalter überhaupt geflossene Mietzahlungen anfechten darf. Zu diesem Thema gibt es aktuell einen richtungsweisenden Beschluss des Oberlandesgerichtes München.

Das OLG München weist eventuelle Anfechtungsansprüche des Insolvenzverwalters eindeutig zurück und entscheidet damit anders als zuvor das Landgericht München I (OLG München, Beschluss vom 20.05.2021 – 5 U 7147/20). Dies wiederum bedeutet, dass Zahlungen an die Anleger nicht zurückgefordert werden können. Das OLG München Urteil vertritt die Auffassung, dass die an die Anleger geleisteten Zahlungen seitens P & R nicht unentgeltlich gemäß § 134 InsO waren. Das wiederum führt dazu, dass der Insolvenzverwalter keine Möglichkeit der Insolvenzanfechtung hätte.

Der Beschluss des OLG München erscheint für betroffene Anleger zunächst positiv, allerdings sollte man beachten, dass die Streitfrage noch nicht höchstrichterlich durch den BGH geklärt worden ist. So stellt sich hier die Frage, ob Anteilsinhaber die Verjährungsverzichtserklärung tatsächlich unterschreiben sollten oder nicht.

Insoweit sollten Sie sich von Spezialisten beraten lassen und die verschiedenen Möglichkeiten abklären.

Mit unserer langjährigen Erfahrung auf dem Gebiet des Insolvenzrechts und insbesondere des Insolvenzanfechtungsrechts stehen wir Ihnen als Fachanwälte für Insolvenzrecht bei diesbezüglichen Fragen gerne zur Verfügung.


BGH klärt weitere Fragen zur Verjährung im VW-Diesel-Skandal – Musterfeststellungsklage reicht für Hemmung aus

BGH klärt weitere Fragen zur Verjährung im VW-Diesel-Skandal – Musterfeststellungsklage reicht für Hemmung aus

Bereits der Start einer Musterfeststellungsklage gegen einen Autokonzern im Dieselskandal verhindert, dass Ansprüche möglicher Betroffener verjähren. (BGH, Urteil vom 29.07.2021 – VI ZR 1118/20)

 

Die Karlsruher Richter sind der Ansicht, dass es für die Hemmung der Verjährung im VW-Abgasskandal für den einzelnen Dieselkäufer ausreichend gewesen sei, sich 2019 zum Klageregister für die Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG anzumelden. Entscheidend war demnach nur, dass die Verbraucherzentralen ihre Musterklage vor Ablauf der Verjährungsfrist Ende 2018 auf den Weg gebracht haben.

 

Mit einer Adhoc-Stellungnahme gab VW im Oktober 2015 zu, dass in den von VW produzierten Motor EA189 unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut sind. Zivilrechtlich ist es in der Regel so, dass Schadensersatzansprüche nach drei Jahren verjähren. Demnach hätten betroffene Autobesitzer spätestens Ende 2018 Ansprüche erheben müssen, wenn eben bereits im Jahr 2015 bekannt war, dass der eigene Wagen betroffen ist.

 

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es konkret darum, dass sich der Kläger erst im Jahr 2019 entschieden hat, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Er hatte seine Ansprüche zuvor aber zum Klageregister der Musterfeststellungsklage an und wieder abgemeldet. Das OLG Naumburg wies seine Klage wegen Verjährung ab.

 

Der BGH jedoch hob diese Entscheidung auf und verwies diese Sache zurück ans OLG Naumburg. Dies begründeten die Karlsruher Richter insbesondere damit, dass trotz der breiten Medienberichterstattung sich dem Kläger auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen keine, dem Beginn der Verjährungsfrist im Jahr 2015 auslösende Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB vorlag.

 

Das OLG habe es versäumt, festzustellen, ob der Kläger allgemein vom Dieselskandal Kenntnis erlangt hat. Eine solche Feststellung mag angesichts der umfangreichen Berichterstattung zwar nahe liegen, ist aber Sache des Tatrichters, so der BGH in einer Mitteilung.

 

Der Einrede der Verjährung stehe darüber hinaus die Hemmung durch die Anmeldung des Anspruchs im Klageregister zur Musterfeststellungsklage entgegen. So trete die Hemmungswirkung im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein. Dies gelte selbst dann, wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst im Jahr 2019 und damit nach Ablauf der ursprünglichen zivilrechtlichen dreijährigen Verjährungsfrist erfolgt sein sollte.

 

Weiter entschied der BGH, dass man sich auch zeitweise einer Musterklage anschließen kann, um mehr Zeit für die Vorbereitung einer eigenen Klage zu gewinnen. Dies sei nicht rechtsmissbräuchlich.

 

Mit diesem verbraucherfreundlichen Urteil wird den Argumentationen der Autobauer, womit spätestens im Jahr 2015 die Verjährung begonnen hat, der Wind aus den Segeln genommen. Hiermit bestätigt der BGH auch nochmal ausdrücklich, dass man sich auch zur Vorbereitung einer eigenen Privatklage vorübergehend einer Musterklage anschließen kann.

 

Sollten auch Sie vom VW-Abgasskandal betroffen sein, so zögern Sie nicht, Ihre Ansprüche durch uns prüfen zu lassen. Trotz der Vermutung, dass die Ansprüche verjährt sind, ist oftmals noch eine gerichtliche Durchsetzung möglich, was das vorbezeichnete Urteil des BGH anschaulich bestätigt.


BGH-Neuerungen bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO

BGH-Neuerungen bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO

1.

Die Annahme der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Schuldner im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung erkanntermaßen zahlungsunfähig ist.

2.

Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners setzt im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit zusätzlich voraus, dass der Schuldner im maßgeblichen Zeitpunkt wusste oder jedenfalls billigend in Kauf nahm, seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht vollständig befriedigen zu können; dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen.

3.

Für den Vollbeweis der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners muss der Anfechtungsgegner im Falle der erkannten Zahlungsunfähigkeit des Schuldners im maßgeblichen Zeitpunkt zusätzlich wissen, dass der Schuldner seine übrigen Gläubiger auch künftig nicht wird befriedigen können; dies richtet sich nach den ihm bekannten objektiven Umständen.

4.

Auf einem Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung nur drohende Zahlungsunfähigkeit kann der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners in der Regel nicht gestützt werden.

5.

Eine besonders aussagekräftige Grundlage für die Feststellung der Zahlungseinstellung ist die Erklärung des Schuldners, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können; fehlt es an einer solchen Erklärung, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden sonstigen Umstände an der Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen.

6.

Stärke und Dauer der Vermutung für die Fortdauer der festgestellten Zahlungseinstellung hängen davon ab, in welchem Ausmaß die Zahlungsunfähigkeit zutage getreten ist; dies gilt insbesondere für den Erkenntnishorizont des Anfechtungsgegners.

(BGH, Urteil vom 06.05.2021 – IX ZR 72/20).

 

Mit der aktuellen Entscheidung wendet sich der BGH von seinem bisher anfechtungsfreundlichen Kurs ab und erhöht die Anforderungen an den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes im Rahmen des § 133 InsO. In ständiger Rechtsprechung konnte bisher aus der nachgewiesenen (drohenden) Zahlungsunfähigkeit auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners geschlossen werden.

Hier setzt die aktuelle Entscheidung der Karlsruher Richter an. Künftig reicht es nicht mehr aus, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Vornahme der später angefochtenen Rechtshandlung seine drohende oder gar schon eingetretene Zahlungsunfähigkeit kennt. Entscheidend ist, dass er weiß oder jedenfalls billigend in Kauf nimmt, dass er auch zukünftig nicht in der Lage sein wird, alle seine Gläubiger zu befriedigen.

 

Kenntnis der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit hat nur noch Indizwirkung

Die Kenntnis der gegenwärtigen Zahlungsunfähigkeit ist daher lediglich noch ein Indiz für die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes. Die Stärke dieses Indizes hängt von der Dauer der Zahlungsunfähigkeit sowie den Aussichten, diese in absehbarer Zeit zu überwinden, ab. Entscheidend ist demnach das Ausmaß der bestehenden Deckungslücke. Lässt diese, selbst bei optimistischer Einschätzung der zukünftigen Entwicklung, eine vollständige Befriedigung der vorhandenen und noch hinzutretenden Gläubiger nicht erwarten und befriedigt der Gläubiger in dieser Lage einzelne Gläubiger, ist regelmäßig von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auszugehen. Besteht dagegen Aussicht auf nachhaltige Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit, rückt der hierfür erforderliche Zeitraum sowie das Verhalten der Gläubiger in den Mittelpunkt der Betrachtung. Liegt ein erheblicher Mahn- und Vollstreckungsdruck vor, begrenzt dies den für eine Beseitigung der bestehenden Deckungslücke zur Verfügung stehenden Zeitraum.

 

Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit alleine nicht mehr ausreichend

Auch die drohende Zahlungsunfähigkeit stellt alleine nun kein ausreichendes Indiz mehr für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz dar. Es bedarf künftig anderer weiterer Indizien, um Rechtshandlungen des Schuldners im Stadium nur drohender Zahlungsunfähigkeit anzufechten. Neben der inkongruenten Deckung (d. h. Erbringung der Leistung anders als vereinbart, z. B. vor Fälligkeit, nur Teilzahlungen usw.) erwähnen die Karlsruher Richter hier explizit die Befriedigung von Altgläubigern außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs.

 

Gesteigerte Darlegungs- und Beweisanforderungen für den Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter ist auch weiter Darlegung und beweisbelastet für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers von diesem. Im Falle fehlender anderer Indizien für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz muss der Insolvenzverwalter neben der Zahlungsunfähigkeit auch nachweisen, dass keine begründeten Aussichten auf Beseitigung der Deckungslücken bestanden. Dies sei, so der BGH, regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Ursache für die Entstehung der Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt war oder absehbar beseitigt werden würde.

Mit dieser Entscheidung des BGH wird die Ausrichtung der Vorsatzanfechtung geändert. Wie sich diese Rechtsprechungsänderung in der Praxis auswirkt, bleibt abzuwarten.