BGH zum Dieselskandal - Restschadensersatz für VW-Käufer trotz Verjährung

BGH zum Dieselskandal - Restschadensersatz für VW-Käufer trotz Verjährung

Trotz Verjährung kann in der VW-Dieselaffäre für Neuwagenkäufer noch ein Anspruch auf Restschadensersatz bestehen, hat der BGH in zwei weiteren, ähnlich gelagerten Dieselverfahren entschieden.

Käufer eines VW-Neuwagens können trotz Verjährung einen Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 S. 1 BGB haben. Das hat der BGH entschieden (Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/2021 und VIa ZR 57/21). In den beiden Verfahren hatten eine Käuferin bzw. ein Käufer VW auf Schadensersatz nach dem Erwerb eines Neuwagens verklagt. Die Klägerin hatte 2012 ein Auto von VW für 36.189,00 € erworben, der Käufer eines für 30.213,79 €. Beide Autos waren mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, der im Laufe des Diesel-Skandals umgangssprachlich auch als Schummel-Motor tituliert worden ist. Beide Autos hatten die umstrittene Software installiert, die erkennt, ob sich das Auto auf dem Prüfstand befindet, und dann in einen optimierten Modus schaltet, um im Labor bessere Abgaswerte zu erreichen. Im alltäglichen Gebrauch auf der Straße wechselt die Software aber in den gewöhnlichen Abgasrückführungsmodus, sodass das Auto im Ergebnis mehr Abgase produziert, als Messungen auf dem Prüfstand ergeben.

Im Fall des klagenden Kunden hatte der OLG Koblenz die landgerichtliche Verurteilung von VW wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB aufgehoben und die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen. Der Mann hätte die Abgasaffäre 2015 mitbekommen und dementsprechend früher klagen müssen, so die Argumentation. Deshalb dürfe sich VW auch in zweiter Instanz, also vor dem OLG selbst, noch auf die Einrede der Verjährung berufen, auch wenn VW diese vor dem Landgericht fallen gelassen hatte. Dagegen spreche auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben. In der Sache befand das OLG, der Kläger könne keinen Anspruch aus § 852 S. 1 BGB geltend machen. Es begründete dies mit dem Schutzzweck der Norm, der hier nicht zugunsten des Klägers einschlägig sei. Dem Kläger hätte die Rechtsverfolgung vor Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB erschwert oder unmöglich gewesen sein müssen, sonst könne er sich nicht auf § 852 S. 1 BGB berufen.

Im Fall der klagenden Frau hatte das OLG Oldenburg ähnlich wie das OLG Koblenz argumentiert. So bestehe zwar ein Anspruch aus § 826 BGB dem Grunde nach, sei aber verjährt. Eine Klage gegen VW sei jedenfalls ab 2016, also vor der Verjährung mit Ablauf des 31.12.2019, zumutbar gewesen.
BGH bejaht Anspruch aus § 852 S. 1 BGB

In der Revision ging es in beiden Fällen nur noch um einen Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 S. 1 BGB. Der beim BGH als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat hat zugunsten der Verbraucher entschieden. Ein Anspruch nach § 852 S. 1 BGB bestehe ohne Rücksicht darauf, dass VW auch vor Ablauf der Verjährung ohne Schwierigkeiten hätte in Anspruch genommen werden können. Auch die Nichtbeteiligung an einem Musterfeststellungsverfahren stehe dem nicht entgegen.

Allerdings reiche der Anspruch aus § 852 S. 1 BGB nicht weiter als der aus § 826 BGB, sodass sich der Kläger bzw. die Klägerin für die von ihnen mit den Fahrzeugen gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen müssen.

Rechtsanwaltskosten oder verauslagte Finanzierungskosten bekommen die Verbraucher nach § 852 S. 1 BGB jedoch nicht zurück. Anders als beim Anspruch aus § 826 BGB erstrecke sich § 852 S. 1 BGB nämlich nicht auf solche Leistungen bzw. Kosten. VW wiederum könne nicht nach § 818 Abs. 3 BGB etwaige Herstellungs- und Bereitstellungskosten von dem erlangten Händlerkaufpreis für die Autos abziehen. Grund dafür ist laut BGH die bösgläubige Bereicherung durch VW im Sinne der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB.

Nach unserer Erfahrung haben die Oberlandesgerichte die Rechtsprechung des BGH zügig zur Anwendung gebracht und entsprechende richterliche Hinweise an die Parteien erteilt. So fordern die Oberlandesgerichte derzeit, dass detailliert dargelegt wird, was VW bzw. Audi – sofern beide verklagt sind – erlangt haben. Insoweit stellt sich die Schwierigkeit, was VW für den von ihnen entwickelten Motor des Typs EA189 von Audi erlangt hat. Allerdings weisen die Gerichte nunmehr auch eindringlich VW und Audi darauf hin, einen außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Vergleich auf Basis der vorbezeichneten BGH-Urteile zu schließen.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob seitens VW und Audi eingelenkt wird und die Rechtsstreitigkeiten mit Vergleichsvereinbarungen zum Ende gebracht werden können, was viele Verbraucher begrüßen würden.

Bei Fragen zum Thema Abgasskandal stehen wir Ihnen gerne auch bezüglich der sich neu ergebenden Chancen in Bezug auf die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 BGB zur Verfügung.


LG Köln zu missglückter Traumreise: Kein Schmerzensgeld für allgemeine Lebensrisiken

LG Köln zu missglückter Traumreise: Kein Schmerzensgeld für allgemeine Lebensrisiken

Ein Reiseunternehmen haftet nicht für bloße Unannehmlichkeiten und Verletzungen der Reisenden, die sich durch das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht haben. Dies hat das Landgericht Köln entschieden und die Klage eines Ehepaares gegen den Reiseveranstalter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld abgewiesen (LG Köln, Urteil vom 08.03.2022, AZ.: 32 O 334/20).

Hintergrund

Das Ehepaar hatte eine dreiwöchige Pauschalreise nach Mauritius für rund 12.600,00 € gebucht. Vor Ort ging allerdings einiges schief. Bei der Ankunft im Hotel am Anreisetag um 08:00 Uhr mussten die beiden bis 15:00 Uhr warten, bevor sie ihr Zimmer beziehen konnten. Im Laufe ihres Aufenthalts ging auf ihrem Zimmer eine Flasche Rum zu Bruch. Dann riss einem der beiden während einer Fahrradtour über die Insel die Kette des am Hotel geliehenen Fahrrads. Für die Ehefrau kam es insbesondere schlimm, denn sie wurde auch noch von einer Wespe gestochen und muss dem Krankenzimmer des Hotels behandelt werden. Zu allem Übel rutschte sie zuletzt beim Aussteigen aus einem Boot während eines Schnorchelausflugs aus und brach sich das Handgelenk. Die Eheleute verlangten wegen alldem von dem Beklagten Reiseunternehmen Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 18.750,00 € sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 6.000,00 €. Schließlich verlangten sie die Feststellung, dass das Reiseunternehmen für alle weiteren Schäden der Frau aufkommen muss.


LG Köln: Reise war nicht mangelhaft

Das LG Köln wies die Klage ab. Es würden keine Mängel der gebuchten Reise vorliegen, hieß es zur Begründung. So handelte es sich lediglich um Unannehmlichkeiten im Ablauf der Reise, welche hinzunehmen sein. Insbesondere sei die bemängelte Wartezeit bei der Ankunft im Hotel hinzunehmen, da die Zimmer üblicherweise sowieso erst um 14:30 Uhr bezugsfertig seien. Das Hotel habe außerdem kulanterweise ein amerikanisches Frühstück angeboten, um die Wartezeit zu verkürzen. Auch die als verspätet wahrgenommen Reinigung des Zimmers, nachdem die Flasche Rum zerbrochen sei, müsse toleriert werden und stelle keinen Mangel dar. Das gleiche gelte auch für die gerissene Fahrradkette. Auch wenn sich in einem Baum neben der Terrasse des Hotels ein Wespennest befunden habe, unterfalle der Wespenstich der Ehefrau dem allgemeinen Lebensrisiko. Bei dem Unfall während des Schnorchel Ausflugs habe sich ebenfalls das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Ausrutscher bei Wassersportaktivitäten unterfielen dem privaten Unfall- und Verletzungsrisiko.

Hierfür sei der Reiseveranstalter nicht verantwortlich. Außerdem hätte die Frau die Gefahr des nassen Bootrahmens selbst erkennen können oder sich zumindest beim Aussteigen helfen lassen können.

Bei der Geltendmachung und Durchsetzung sowie der Abwehr von Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüchen stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.


EuGH zu Ticketkauf bei Eventim: Kein Widerruf von Konzerttickets wegen Corona

EuGH zu Ticketkauf bei Eventim: Kein Widerruf von Konzerttickets wegen Corona

Wer Tickets für Kultur- oder Sportveranstaltungen erwirbt, muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) damit rechnen, dass er den Vertrag nicht widerrufen kann. So wies der EuGH am Donnerstag auf Ausnahmen einer EU-Richtlinie hin, mit welcher Veranstalter etwa von Konzerten davor geschützt werden sollen, dass sie die verfügbaren Plätze beim Widerruf nicht mehr loswerden. Diese Ausnahme vom Widerrufsrecht treffe auch dann zu, wenn ein Vermittler die Tickets verkauft hat, sowie im konkreten Fall Eventm (EuGH, Urteil vom 31.03.2022, Rechtssache C-96/21). Entscheidend ist demnach, dass das wirtschaftliche Risiko auch dann beim Veranstalter liegt, wenn ein Ticketvermittler zwischengeschaltet ist.

Hintergrund dieser Entscheidung ist ein Rechtsstreit zwischen einem Deutschen und dem Ticketvermittler CTS Eventim. Der Kläger hatte im November 2019 Tickets für ein Konzert von Peter Maffay und Band in Braunschweig bestellt. Da das Konzert infolge der Corona-Pandemie abgesagt wurde, erhielt er einen Gutschein über den Kaufpreis. Stattdessen forderte er jedoch die Rückzahlung des Geldes und der zusätzlichen Kosten von CTS Eventim.

Das Amtsgericht Bremen wandte sich deshalb mit der Frage an den EuGH, ob die Ausnahmen für das EU-Recht auf Widerruf auch in einem solchen Fall gelten, in dem ein Vermittler und nicht der Veranstalter die Tickets verkauft hat. Demnach ist ein Widerruf unter anderem dann ausgeschlossen, wenn eine Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigung erbracht wird und dafür ein bestimmter Termin vorgesehen ist.

Mit dieser Regel soll das Risiko für Veranstalter beispielsweise von Kultur- und Sportevents reduziert werden. Normalerweise haben Verbraucher in der EU ohne Angaben von Gründen ein zweiwöchiges Widerrufsrecht, wenn sie Dinge online oder telefonisch gekauft haben. Werden sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht informiert, kann sich diese Frist verlängern. Doch auch im Fall von Vermittlern greife die Ausnahme für Freizeitbetätigung, so der EuGH zumindest, wenn die Ausübung des Widerrufsrechts wirtschaftlich den Veranstalter treffen würde.

Über den konkreten Rechtsstreit muss nun das Amtsgericht Bremen unter Vorgabe der Angaben des EuGHs entscheiden.


AG Frankfurt verneint Halterhaftung: E-Scooter sind keine Autos

AG Frankfurt verneint Halterhaftung: E-Scooter sind keine Autos

Nach Ansicht des AG Frankfurts sind E-Scooter keine Autos. Deshalb trifft die Halter der kleinen Roller auch keine verschuldensunabhängige Haftung. (AG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.04.2021, Az.: 29 C 2811/20).

Die Halter von E-Scooter trifft keine Verpflichtung zur verschuldensunabhängigen Haftung nach § 7 StVG. Dies hat das Amtsgericht Frankfurt am Main entschieden.

Hintergrund:

Der klagende Mann hat die Haftpflichtversicherung des Halters eines E-Scooters anlässlich der Beschädigung seines im öffentlichen Raum abgestellten Autos in Anspruch genommen. Der eigentliche Schädiger konnte nicht ermittelt werden. Nach Ansicht des Mannes müsse deshalb der Halter haften. Die Anwendung der für die Kraftfahrzeughalter geltenden verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung in entsprechender Heranziehung von § 7 StVG sei seiner Ansicht nach geboten. Beim E-Scooter handele es sich trotz seiner Geschwindigkeitsbegrenzung um ein besonders verkehrsgefährdendes Fahrzeug. Es sei insoweit unbillig, ihn ausschließlich auf die Inanspruchnahme des Schädigers zu verweisen.

AG Frankfurt: Keine analoge Anwendung des § 7 StVG

Nach Ansicht des AG Frankfurt sei eine derartige Halterhaftung nach dem Wortlaut von § 8 Nr. 1 StVG ausdrücklich ausgeschlossen, da es sich bei E-Scootern, die nicht schneller als 20 km/h fahren können, um Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) handle. Diese Privilegierung sei dem Gesetzgeber bei der Verabschiedung der eKFV bekannt gewesen, ohne dass er im Haftungsausschluss etwas habe ändern wollen.

 

Bei Verkehrsunfällen und der anschließenden Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.


Gesellschaftsrecht - BGH zum Verjährungsbeginn des Abfindungsanspruchs bei strittigem Ausschluss eines Gesellschafters

Gesellschaftsrecht - BGH zum Verjährungsbeginn des Abfindungsanspruchs bei strittigem Ausschluss eines Gesellschafters

Hintergrund

Im April 2009 hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen ihrer Gesellschafter aus einem wichtigen Grund ausgeschlossen. Dieser wehrte sich sechs Jahre lang gerichtlich gegen den Ausschließungsbeschluss bis dieser 2015 rechtskräftig feststand. Im Jahr 2015 machte der Kläger auch erst die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag im Falle eines Ausschlusses zustehende Abfindung geltend, woraufhin die Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger unterlag vor dem LG und KG Berlin, die jeweils annahmen, dass etwaige Ansprüche des Klägers auf Abfindung mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt seien.

BGH – Ansprüche nicht verjährt

Die Karlsruher Richter stellten zunächst fest, dass der Abfindungsanspruch grundsätzlich der dreijährigen Regelverjährung nach § 195 BGB unterliegt und mit dem Ausscheiden des Klägers im Jahr 2009 auch bereits entstanden sei. Die Verjährungsfrist beginne jedoch nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst zu laufen, sobald der Kläger alle Tatsachen kenne, die den Anspruch begründeten. Davon sei hier erst im Jahr 2015 auszugehen gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt, zu dem die Wirksamkeit des Ausschlusses rechtskräftig feststand, habe eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorgelegen, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig hätte einschätzen können. Auch müsse der Kläger sich in Widerspruch zu seinem eigentlich verfolgten Rechtsschutzziel des Verbleibens in der Gesellschaft setzen, wenn er vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Ausschlusses seinen Abfindungsanspruch geltend machen muss. In diesen Fällen fehle es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.

Die Entscheidung zeigt, dass der BGH für den Beginn des Laufs von Verjährungsfristen in Ausnahmefällen eine Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifende Voraussetzung annimmt, wenn die dem Anspruch zugrunde liegende Rechtslage unübersichtlich oder zweifelhaft ist. In diesen Fällen soll trotz Vorliegen der nach dem Wortlaut der entsprechenden Verjährungsvorschrift erforderlichen Kenntnis über die tatsächlichen Umstände des Anspruchs die Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben (BGH, Urteil vom 18.05.2021 – II ZR 41/20, BGH Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18).


Gesellschaftsrecht - BGH zur Anfechtungsbefugnis eines nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafters

Gesellschaftsrecht - BGH zur Anfechtungsbefugnis eines nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafters

Hintergrund

Nachdem es zum Zerwürfnis eines Gründungsgesellschafters und Geschäftsführers mit seinen beiden Mitgesellschaftern gekommen war, beschloss die Gesellschafterversammlung die Einziehung seines Geschäftsanteils, seine Abberufung als Geschäftsführer, die fristlose Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrags sowie die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen diesen. Er klagte daraufhin gegen die GmbH als Beklagte. In der kurz darauf im Handelsregister der GmbH aufgenommenen Gesellschafterliste war der Kläger nicht mehr als Gesellschafter eingetragen. Im Folgenden fanden weitere Gesellschafterversammlungen zur Wiederholung bzw. Bestätigung dieser bereits gefassten Beschlüsse statt. Der Kläger hatte gegen die Beschlüsse Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklagen erhoben, die vor dem LG und dem OLG Köln in den ersten beiden Instanzen weitestgehend Erfolg hatten.

BGH – Revision wird stattgegeben

Der dagegen gerichteten Revision der GmbH gaben die Karlsruher Richter im Hinblick auf die Beschlüsse über die Abberufung, die Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages und die Ermächtigung zur Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Kläger statt. Im Hinblick auf die Beschlüsse über die Einziehung des klägerischen Geschäftsanteils habe hingegen das LG und OLG Köln zu Recht die Nichtigkeit des Beschlusses sowie der Wiederholung und Bestätigungsbeschlüsse festgestellt. Es sei unbeachtlich, dass der Kläger bei der Erhebung der Klagen gegen die Einziehungsbeschlüsse nicht mehr als Inhaber des Geschäftsanteils in der Gesellschafterliste eingetragen war. Zur Sicherstellung der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutzmöglichkeit müsse dem nunmehr klagenden Gesellschafter die Anfechtungsbefugnis für die Klage gegen seinen Ausschluss oder die Einziehung seines Geschäftsanteils trotz sofortigem Wirksamwerden des Beschlusses erhalten bleiben. Die negative Legitimationswirkung in § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG, die grundsätzlich auch die Anfechtungsbefugnis umfasst, müsse in diesen Fällen eingeschränkt werden, um effektiven Rechtsschutz im Hinblick auf den bei Entzug der Mitgliedschaft gegebenen Eingriff in den durch Art. 14 Abs. 1 GG Schutz des Eigentums zu gewährleisten.

Die Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses ergebe sich daraus, dass die beklagte GmbH bei der Beschlussfassung nicht über das zur Zahlung der Abfindung notwendige freie Vermögen verfügte. Auch die anschließenden Bestätigungsbeschlüsse hätten nicht zu einem wirksamen Einziehungsbeschluss geführt. Auch wenn grundsätzlich die Wiederholung bzw. Bestätigung eines Einziehungsbeschlusses möglich sei, gelte dies nicht für die Wiederholung bzw. Bestätigung eines nichtigen Beschlusses, da diesem der materiell-rechtliche Mangel des Ausgangsbeschlusses ebenfalls anhaftet. Lediglich anfechtbare Beschlüsse seien einer Bestätigung bzw. Wiederholung zugänglich.

Darüber hinaus scheitere eine inhaltliche Überprüfung der angefochtenen Gesellschafterbeschlüsse jedoch an der fehlenden Anfechtungsbefugnis des Klägers. Die Beschlüsse über die Abberufung, die Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages und der Anspruchsverfolgung dem Kläger gegenüber verletzten die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Gesellschafterstellung des Klägers in der GmbH nicht, sodass es auch nicht verfassungsrechtlich geboten sei, ihm entgegen der negativen Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG ausnahmsweise die Anfechtungsbefugnis zu erhalten.

Es kann hier festgestellt werden, dass die Heilung bzw. die vorsorgliche Wiederholung oder Bestätigung eines Gesellschafterbeschlusses einer GmbH grundsätzlich möglich ist. Insofern muss aber unterschieden werden zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen. Die Heilung eines bloß anfechtbaren Gesellschafterbeschlusses ist im Aktienrecht und auch im GmbH-Recht möglich. Ein von vornherein nichtiger Beschluss kann nicht durch einen späteren Beschluss bestätigt werden. Die gesetzlich in § 16 Absatz ein S. 1 GmbHG angeordnete negative Legitimationswirkung zulasten des nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafters kann im Interesse der Rechtssicherheit zugunsten eines höherrangigen Grundrechtsschutzes eingeschränkt werden. Dies ist namentlich bei der Gewährung von Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Verlust der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Gesellschafterstellung der Fall.

In unserer auf das Gesellschaftsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen in Bezug auf sämtliche Fragestellungen des GmbH-Rechts kompetent zur Verfügung.


OLG Karlsruhe - Clubbetreiberin haftet für Tanzunfall

OLG Karlsruhe - Clubbetreiberin haftet für Tanzunfall

Es müsse zwar nicht ständig jemand mit einem Bodenwischer durch den Club laufen, allerdings müssen die Tanzflächen regelmäßig am Abend einer Veranstaltung kontrolliert werden. Ansonsten machen sich Clubbetreiber haftbar. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.03.2022, Az.: 7 U 125 / 21.)

Die Betreiberin einer Diskothek muss dafür sorgen, dass die Tanzfläche möglichst frei von Gefahren für die Gäste ist. Dazu gehört es, dass die Tanzfläche regelmäßig durch einen Mitarbeiter abgegangen und auf Getränkepfützen sowie Scherben kontrolliert wird, so die Karlsruher Richter. Die Betreiberin einer Diskothek muss von einem gestürzten Gastbehandlungskosten und Krankengeld i.H.v. rund 37.000,00 € erstatten. Die Discobesucherin war am Rand der Tanzfläche auf einer Getränkepfütze ausgerutscht und hatte sich bei dem Sturz Knochenbrüche am Sprunggelenk und am Schienbeinkopf zugezogen. Sie musste daher über zwei Wochen stationär im Krankenhaus behandelt und mehrfach operiert werden. In der ersten Instanz vor dem LG Mosbach war die Klage der gesetzlichen Krankenversicherung, die erbrachten Versicherungsleistungen für die Discobesucherin zurückhaben wollte, abgewiesen worden. Die dagegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG Karlsruhe nun vollumfänglich Erfolg.

Um nicht zu haften, hätte die Betreiberin beweisen müssen, dass Sie oder Ihre Mitarbeiter den Boden regelmäßig und ausreichend kontrolliert hätten, so das OLG. Allerdings seien schon die Kontrollanweisungen, die Betreiberin dem Chefverantwortlichen übergeben hatte, nicht ausreichend gewesen. Der Verantwortliche war lediglich dazu angehalten, sich von einer Bühne aus einen Überblick über die Tanzfläche zu verschaffen, ohne diese jedoch selbst zu betreten. Die Einzelheiten des Fußbodens konnten aus dieser Perspektive jedoch nicht erkennen. Zwar müsse nicht ständig ein Mitarbeiter mit einem Bodenwischer über die Tanzfläche laufen. Eine effektive Kontrolle des Fußbodens in gewissen Zeitabständen sei jedoch notwendig, so die Karlsruher Richter. Das gelte insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Betreiberin die Mitnahme von Getränken auf die Tanzfläche zuließ und deshalb mit dem verschütten von Flüssigkeiten während des Tanzens hätte rechnen müssen.

 

In unserer auf das Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzleien stehen wir Ihnen in Bezug auf die Geltendmachung und Abwehr von Schadensersatz- und Schmerzensgeld Forderungen mit unserer langjährigen Erfahrung gerne zur Verfügung


Sportrecht – DFB-Sportgericht wertet Spiel für Gladbach

Sportrecht – DFB-Sportgericht wertet Spiel für Gladbach

Nach dem durch einen Becherwurf verursachten Spielabbruch wird der VfL Bochum vom DFB-Sportgericht bestraft. Die Punkte aus der Partie erhält der Gegner Borussia Mönchengladbach. So hat das DFB Sportgericht entschieden.

Hintergrund

Der Becherwurf eines Fußballfans an den Kopf des Schiedsrichter-Assistenten Christian Gittelmann beim Spiel gegen Mönchengladbach hat für den VfL Bochum sportrechtliche Konsequenzen. Wie erwartet wurde das Bundesligaduell vom DFB-Sportgericht für die Gäste aus Mönchengladbach gewertet. Das teilte der DFB am Donnerstag mit. Gemäß der für alle Vereine geltenden Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist das Spiel für den VfL Bochum mit 0:2 als verloren zu werten, da der Verein für seine Zuschauer verantwortlich ist und das Verschulden der Zuschauer dem Verein zuzurechnen ist, wird Stephan Oberholz, der Vorsitzende des DFB Sportgerichts, in der Mitteilung zitiert. Die Spielumwertung ist in §18 Nr.4 DFB Verfahrensordnung als Rechtsfolge zwingend und alternativlos vorgeschrieben. Ein Wiederholungsspiel oder ein Nachspielen der letzten gut 20 Minuten ist daher nicht möglich. Bochum hatte ein Wiederholungsspiel gefordert. Der DFB urteilte damit ähnlich wie in einem vergleichbaren Fall im Jahr 2011. Damals war die Partie des FC St. Pauli gegen den FC Schalke 04 beim Stand von 2:0 für die Gäste abgebrochen worden, nachdem Schiedsrichter-Assistent Thorsten Schiffner ebenfalls von einem Becher getroffen worden war. Das Spiel wurde 2:0 für Schalke gewertet. Darüber hinaus musste St. Pauli die erste Partie der Zweitligasaison 2011/2012 mindestens 50 km außerhalb Hamburgs austragen.

Tatverdächtiger ermittelt

Bei dem Spiel in Bochum zum Auftakt des 27. Bundesligaspieltages wurde Gittelmann in der 68. Minute von einem Getränkebecher am Kopf getroffen, der von einer Tribüne mit hauptsächlich Bochumer Fans geworfen worden war. Daraufhin hatte Schiedsrichter Benjamin Cortus die Partie beim Stand von 2:0 für Gladbach zunächst unterbrochen und kurz danach abgebrochen. Die Polizei konnte zwischenzeitlich einen Tatverdächtigen ermitteln. Es handelt sich laut einer gemeinsamen Mitteilung der Polizei und der Staatsanwaltschaft um einen 38-jährigen aus Bochum. Er ließ sich zunächst nicht zur Sache ein, die Ermittlungen würden noch andauern. Der VfL Bochum erwägt aktuell ein Alkoholverbot auf den Tribünen. Diese Maßnahme werde erörtert, sagte Ilja Kaenzig als Sprecher der Geschäftsführung des VfL Bochum der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Bereits im nächsten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen könnte das Alkoholverbot greifen. Über mögliche weitere Sanktionen gegen Bochum will das DFB-Sportgericht Anklageerhebung durch den DFB-Kontrollausschuss zu einem späteren Zeitpunkt gesondert entscheiden.

Die Entscheidung des DFB-Sportgerichts zeigt erneut, dass bei derartigen Vorfällen erhebliche Sanktionen für den betroffenen Verein drohen. Insoweit bleibt sich das DFB -portgericht in dieser Hinsicht treu, wobei es noch abzuwarten bleibt, ob es noch weitere Maßnahmen durch den DFB-Kontrollausschuss gegen den VfL Bochum geben wird.

Bei Fragen rund um das DFB Verbandsrecht und den Statuten stehen wir Ihnen in unserer auf das Sportrecht spezialisierten Kanzlei gerne zur Verfügung.


Sportrecht: Internationaler Sportgerichtshof CAS - vorerst keine WM-Playoffs für Russland

Sportrecht: Internationaler Sportgerichtshof CAS - vorerst keine WM-Playoffs für Russland

Der internationale Sportgerichtshof CAS hat den FIFA-Beschluss zum Ausschluss Russlands aus der WM-Qualifikation bestätigt. Der Einspruch der Russen wurde abgelehnt.

Russlands Nationalauswahl bleibt von den Playoffs für die WM in Katar ausgeschlossen. Der internationale Sportgerichtshof CAS lehnte am Freitag den Einspruch der Russen gegen die Entscheidung des Weltverbandes FIFA im Eilverfahren ab, da das Team wegen des Krieges in der Ukraine nicht zu den Qualifikationsspielen zuzulassen ist. Am 24. März sollte Russland gegen Polen im Playoff zur WM in Katar spielen. Nach dem Willen der FIFA zieht die polnische Auswahl stattdessen ohne Spiel in die zweite Playoff Phase ein. Dort trifft das Team am 29. März auf den Sieger der Partie zwischen Schweden und Tschechien und spielt um das WM-Ticket. Bereits am Dienstag hatten die CAS-Richter entschieden, dass russische Teams auch weiterhin nicht an den europäischen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Der russische Fußballverband (RFU) hatte beim CAS in Lausanne Einspruch gegen die Entscheidungen der FIFA und der europäischen Fußball Union UEFA eingelegt. Die Verbände hatten beschlossen, Russland wegen der Invasion in die Ukraine aus allen Wettbewerben zu verbannen.

Dieser Ausschluss bleibt nach der CAS-Entscheidungen nun vorerst bestehen. Das Verfahren des Sportgerichtshofes läuft weiter, eine Anhörung ist nach CAS-Angaben vom heutigen Tag bislang noch nicht terminiert. Russlands Verband hat die Sanktionen Anfang März als ausdrücklich diskriminierend bezeichnet und sportrechtliche Schritte angekündigt. Ziel der Berufung war die Wiedereingliederung aller Herren- und Frauenteams in die Turniere, insbesondere die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Katar, sowie Schadensersatz, teilte der russische Verband mit.

Der Sportgerichtshof hatte eigenen Angaben zufolge zwei getrennte Schiedsverfahren eingeleitet und holte zunächst die Stellungnahmen der Beklagten Parteien ein. Der russische Verband hatte gefordert, die angefochtenen Entscheidungen von FIFA und UEFA aufzuheben. Zugleich hatte die RFU einen Antrag auf Aussetzung der Maßnahmen gestellt. Dieser wurde von den Sportrechtlern abgelehnt.

Russische Athletinnen und Athleten sowie Teams sind in den meisten Sportarten wegen des Ukraine-Konflikts von der Teilnahme an Wettbewerben ausgeschlossen worden. Der Bann trifft auch Sportlern und Sportlerinnen aus Belarus, welches mit Russland eng verbündet ist.

 

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Grundstücks- und Immobilienkauf-Vormerkung und die Verjährung des Zustimmungsanspruchs

Grundstücks- und Immobilienkauf-Vormerkung und die Verjährung des Zustimmungsanspruchs

Der aus § 888 Abs. 1 BGB folgende Zustimmungsanspruch des Vormerkungsberechtigten ist in entsprechender Anwendung von § 902 Abs. 1 S. 1 BGB unverjährbar. Ist allerdings der durch die Vormerkung gesicherte, schuldrechtliche Anspruch verjährt, kann der vormerkungswidrig Eingetragene im Grundsatz die dem Schuldner zustehende Einrede der Verjährung gegen den gesicherten Anspruch erheben und die Zustimmung aus diesem Grund verweigern.

(BGH, Urteil vom 14.01.2022 – V ZR 245/20).

Hintergrund:

In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde zugunsten des Wohnungskäufers am 12.02.1999 eine Auflassungsvormerkung in ein Wohnungsgrundbuch eingetragen. Am 19.07.2001 wurde zugunsten einer Innungskrankenkasse eine Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch eingetragen, die nach Darstellung der Hypothekengläubigerin Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegen den damaligen Eigentümer der Wohnung sichern soll. Am 05.03.2002 wurde der Wohnungskäufer als Eigentümer der Wohnung in das Grundbuch eingetragen. Gestützt auf die Behauptung, er habe die Zwangssicherungshypothek erst bemerkt, als er seinerseits die Wohnung im Jahr 2018 verkauft habe, verlangt der Wohnungskäufer von der Hypothekengläubigerin die Zustimmung zu der Löschung der Zwangssicherungshypothek. Des Weiteren will er feststellen lassen, dass die Hypothekengläubigerin verpflichtet ist, ihm die durch den verzögerten Weiterverkauf der Wohnung entstehenden Schäden zu ersetzen und die Kosten der Löschung zu tragen. Schließlich begehrt er den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Hypothekengläubigerin hat sich auf Verjährung berufen.

OLG Dresden: Anspruch auf Zustimmung zur Löschung Zwangssicherungshypothek

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Leipzig hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Wohnungskäufers hat das OLG Dresden ihr in vollem Umfang stattgegeben. Nach Ansicht des OLG Dresden steht dem Wohnungskäufer ein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Zwangssicherungshypothek gemäß § 888 Abs. 1 BGB zu. Dass die Voraussetzungen dieses Anspruchs vorliegen, habe die Hypothekengläubigerin zu keinem Zeitpunkt inhaltlich in Abrede gestellt. Ohne Erfolg berufe sie sich auf Verjährung. Der Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB sei jedenfalls in analoger Anwendung von § 902 Abs. 1 S. 1 BGB unverjährbar, weil es sich um einen dinglichen Rechtsverwirklichungsanspruch handele. Zwar dürfe auch der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch nicht verjährt sein. Eine solche Sachlage sei hier aber nicht gegeben, weil der Auflassungsanspruch des Wohnungskäufers in unverjährter Zeit erfüllt worden sei. Schließlich liegen die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vor. Infolgedessen seien auch die weiteren Anträge begründet. Auf die Revision der Hypothekengläubigerin hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Dresden zurückverwiesen.

BGH: Kein Anspruch auf Zustimmung zur Löschung Zwangssicherungshypothek

Im Ausgangspunkt zutreffend geht das OLG Dresden davon aus, dass sich ein Anspruch des Wohnungskäufers nur aus § 888 Abs. 1 BGB ergeben kann. Hiernach kann derjenige, zu dessen Gunsten eine Vormerkung besteht, von dem Erwerber eines eingetragenen Rechts oder eines Rechts an einem solchen Recht die Zustimmung zur Eintragung oder Löschung verlangen, die zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich ist. Dagegen kann sich der Wohnungskäufer nicht auf ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB stützen. Da die Eintragung einer Vormerkung den Eigentümer nicht an einer Verfügung zugunsten eines Dritten hindert, wird das Grundbuch durch eine der Vormerkung widersprechende Eintragung nicht unrichtig. Die Wirkung der Vormerkung besteht gemäß § 883 Abs. 2 S. 1 BGB darin, dass Sie den Rechtserwerb des Dritten dem Vormerkungsberechtigten gegenüber (also relativ) unwirksam sein lässt, soweit der Rechtserwerb des Dritten dem Rechtserwerb des Vormerkungsberechtigten entgegensteht und zwar auch dann, wenn der Rechtserwerb – wie hier – im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt. Abhängig von dem Inhalt des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs ist der vormerkungswidrig Eingetragene daher gemäß § 888 Abs. 1 BGB zur Zustimmung der Eintragung des Vormerkungsberechtigten oder zur Zustimmung zur Löschung des vormerkungswidrig eingetragenen Rechts verpflichtet.

Mit der von dem OLG Dresden gegebenen Begründung lässt sich der Anspruch gemäß § 888 Abs. 1 BGB nach den Karlsruher Richtern aber nicht bejahen. Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Oberlandesgericht Dresden rechtsfehlerhaft keine Feststellungen dazu getroffen, ob der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch besteht. Die Vormerkung, bei der es sich um ein streng akzessorisches Sicherungsmittel handelt, wäre nicht entstanden bzw. erloschen, wenn der gesicherte Anspruch nicht bzw. nicht mehr bestünde. Infolgedessen wären weder der Anspruch aus § 888 Abs. 1 BGB, noch die weiteren mit der Klage geltend gemachten Ansprüche gegeben. § 888 Abs. 1 BGB begründet einen unselbstständigen Hilfsanspruch, der allein der Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs dient und dessen Bestehen voraussetzt. Möglicherweise hält das OLG es für ausreichend, dass der Wohnungskäufer im Grundbuch als Eigentümer der Eigentumswohnung eingetragen ist. Es führt nämlich aus, dass es auf die Verjährung des gesicherten Anspruchs nicht ankomme, weil der Auflassungsanspruch des Wohnungskäufers in unverjährter Zeit erfüllt worden sei. Das verkennt aber die Funktion der Vormerkung. Wäre der gesicherte Anspruch erfüllt, wäre er erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), was das Erlöschen der Vormerkung trotz Fortbestehens ihrer Eintragung im Grundbuch nach sich zöge. Deshalb kommt es entscheidend darauf an, ob der Wohnungskäufer im Wege der Erfüllung bzw. nach Erfüllung die lastenfreie Übertragung des Eigentums beanspruchen kann. Dann wäre die Löschung der Zwangssicherungshypothek im Sinne von § 888 Abs. 1 BGB zur Verwirklichung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs erforderlich. Von dem Bestehen eines solchen Anspruchs auf lastenfreie Übertragung des Eigentums kann nicht deshalb ausgegangen werden, weil das OLG Dresden an anderer Stelle ausführt, die Hypothekengläubigerin habe die Voraussetzungen des Anspruchs gemäß § 888 Abs. 1 BGB zu keinem Zeitpunkt inhaltlich in Abrede gestellt. Es ist ohnehin zweifelhaft, ob sich dies auch auf den gesicherten Anspruch bezieht.

Jedenfalls wäre dessen Bestehen nicht mit Tatbestandswirkung festgestellt, weil die Behauptung des Wohnungskäufers, er habe die Wohnung durch Kaufvertrag vom 20.10.1998 erworben, im Tatbestand des Berufungsurteils als streitiges Vorbringen wiedergegeben wird. Stehen die Feststellungen in den Entscheidungsgründen in Widerspruch zu der Darstellung und dem Tatbestand, entfalten sie keine Bindungswirkung im Revisionsverfahren.

In dem das OLG Dresden das Bestehen des gesicherten Anspruchs in den Entscheidungsgründen voraussetzt, wird – wie die Revision mit der Verfahrensrüge aufzeigt – unter Verstoß gegen § 138 ZPO, der Parteivortrag der Hypothekengläubigerin übergangen. Sie hat zunächst mit Schriftsatz vom 04.07.2018 bestritten, dass der Wohnungskäufer einen Anspruch auf lastenfreie Übertragung des Wohnungseigentums habe. Dies hat sie mit Schriftsatz vom 03.01.2019 vertieft und dargelegt, dass aus ihrer Sicht erhebliche Zweifel daran bestünden, dass eine wirksame Veräußerung stattgefunden habe. Da der Voreigentümer mehrfach die Vermögensauskunft abgegeben habe, besteht die Vermutung, dass es sich um ein Scheingeschäft handele. In der Berufungserwiderung hat die Hypothekengläubigerin erneut auf ihr Bestreiten hingewiesen.

Dieses Bestreiten der Hypothekengläubigerin war ausreichend. Das OLG Dresden verweist zwar in anderem Zusammenhang darauf, die Hypothekengläubigerin habe nicht vorgetragen, dass der von dem Wohnungskäufer behauptete Kaufvertrag die nachträgliche Belastung der Eigentumswohnung mit einer Zwangssicherungshypothek vorgesehen habe. Da aber die Hypothekengläubigerin an den Abreden zwischen dem Wohnungskäufer und dem Voreigentümer nicht beteiligt war, durfte sie das Bestehen des gesicherten Anspruchs wie geschehen insgesamt mit Nichtwissen bestreiten (138 Abs. 3 ZPO). Es ist Sache des Vormerkungsberechtigten und damit des Wohnungskäufers, Bestehen und Fälligkeit des gesicherten Anspruchs darzulegen und zu beweisen.

Danach konnte das Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (563 Abs. 3 ZPO).

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