Diesel-Skandal: Keine Verjährung im Jahr 2020

Diesel-Skandal: Keine Verjährung im Jahr 2020

Die Volkswagen AG als Hersteller hat im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages mit dem Käufer über den Händler den Käufer vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Damit hat der BGH bereits im Jahr 2020 zugunsten der Verbraucher die bisherige unsichere Rechtslage zur Frage, ob die VW AG als Herstellerin die Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und damit ein Schadensanspruch entstanden ist, geklärt. Offen war zudem bisher die Frage, in welchem Zeitraum die Ansprüche nun verjähren. Grundsätzlich verjähren Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Handlung aus § 826 BGB nach den §§ 195, 199 BGB. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger der anspruchsbegründenden Umstände und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Verschiedenste Landgerichte vertraten aber auch verschiedenste Rechtsstandpunkte zur Frage des Verjährungsbeginns. Demnach bestand bei einer großen Anzahl von Landgerichten die Einigkeit, dass der Verjährungsbeginn mit der öffentlichen Bekanntgabe des Dieselskandals mit dem Schluss des Jahres 2015 beginnen soll und damit Ansprüche mit Schluss des Jahres 2018 verjährt sein müssen. Dem gegenüber steht aber die ständige Rechtsprechung des BGHs, dass die Verjährung ausnahmsweise hinausgezogen sein kann, wenn die Klageerhebung für den Kläger objektiv unzumutbar ist, da die Rechtslage besonders verwickelt und problematisch ist und wenn gewichtige rechtliche Zweifel vor der Klärung der Rechtslage bestehen (BGH, Urteil vom 16.06.2016 – I ZR 222/2014, BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 348/13). Die Frage, ob der Beginn der Verjährung weiter hinausgeschoben sein müsste, ist noch nicht abschließend geklärt worden. Es könnte daher sein, dass aufgrund des Urteils des BGH vom 25.05.2020 – VI ZR 252/2019 weitere Urteile zugunsten der Käufer entschieden werden, in welchen der Verjährungsbeginn erst mit Schluss des Jahres 2020 zu laufen begonnen haben könnte. Würde man dieser Auffassung folgen, hätten Käufer der Fahrzeuge der Marke Volkswagen und Konzerntöchtern Audi, Skoda, Seat und weitere noch bis 2023 Zeit, ihre Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Jedenfalls ist diese Rechtsauffassung vertretbar und mit Wahrscheinlichkeit durchsetzbar.

Bei Interesse an der Rückabwicklung Ihres Kaufvertrages und der Durchsetzung und Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche gegenüber der VW AG stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung kompetent zur Seite.


BGH zum Dieselskandal - Restschadensersatz für VW-Käufer trotz Verjährung

BGH zum Dieselskandal - Restschadensersatz für VW-Käufer trotz Verjährung

Trotz Verjährung kann in der VW-Dieselaffäre für Neuwagenkäufer noch ein Anspruch auf Restschadensersatz bestehen, hat der BGH in zwei weiteren, ähnlich gelagerten Dieselverfahren entschieden.

Käufer eines VW-Neuwagens können trotz Verjährung einen Anspruch auf Restschadensersatz nach § 852 S. 1 BGB haben. Das hat der BGH entschieden (Urteil vom 21.02.2022 – VIa ZR 8/2021 und VIa ZR 57/21). In den beiden Verfahren hatten eine Käuferin bzw. ein Käufer VW auf Schadensersatz nach dem Erwerb eines Neuwagens verklagt. Die Klägerin hatte 2012 ein Auto von VW für 36.189,00 € erworben, der Käufer eines für 30.213,79 €. Beide Autos waren mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet, der im Laufe des Diesel-Skandals umgangssprachlich auch als Schummel-Motor tituliert worden ist. Beide Autos hatten die umstrittene Software installiert, die erkennt, ob sich das Auto auf dem Prüfstand befindet, und dann in einen optimierten Modus schaltet, um im Labor bessere Abgaswerte zu erreichen. Im alltäglichen Gebrauch auf der Straße wechselt die Software aber in den gewöhnlichen Abgasrückführungsmodus, sodass das Auto im Ergebnis mehr Abgase produziert, als Messungen auf dem Prüfstand ergeben.

Im Fall des klagenden Kunden hatte der OLG Koblenz die landgerichtliche Verurteilung von VW wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB aufgehoben und die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen. Der Mann hätte die Abgasaffäre 2015 mitbekommen und dementsprechend früher klagen müssen, so die Argumentation. Deshalb dürfe sich VW auch in zweiter Instanz, also vor dem OLG selbst, noch auf die Einrede der Verjährung berufen, auch wenn VW diese vor dem Landgericht fallen gelassen hatte. Dagegen spreche auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben. In der Sache befand das OLG, der Kläger könne keinen Anspruch aus § 852 S. 1 BGB geltend machen. Es begründete dies mit dem Schutzzweck der Norm, der hier nicht zugunsten des Klägers einschlägig sei. Dem Kläger hätte die Rechtsverfolgung vor Verjährung des Anspruchs aus § 826 BGB erschwert oder unmöglich gewesen sein müssen, sonst könne er sich nicht auf § 852 S. 1 BGB berufen.

Im Fall der klagenden Frau hatte das OLG Oldenburg ähnlich wie das OLG Koblenz argumentiert. So bestehe zwar ein Anspruch aus § 826 BGB dem Grunde nach, sei aber verjährt. Eine Klage gegen VW sei jedenfalls ab 2016, also vor der Verjährung mit Ablauf des 31.12.2019, zumutbar gewesen.

 

BGH bejaht Anspruch aus § 852 S. 1 BGB

In der Revision ging es in beiden Fällen nur noch um einen Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852 S. 1 BGB. Der beim BGH als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat hat zugunsten der Verbraucher entschieden. Ein Anspruch nach § 852 S. 1 BGB bestehe ohne Rücksicht darauf, dass VW auch vor Ablauf der Verjährung ohne Schwierigkeiten hätte in Anspruch genommen werden können. Auch die Nichtbeteiligung an einem Musterfeststellungsverfahren stehe dem nicht entgegen.

Allerdings reiche der Anspruch aus § 852 S. 1 BGB nicht weiter als der aus § 826 BGB, sodass sich der Kläger bzw. die Klägerin für die von ihnen mit den Fahrzeugen gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen müssen.

Rechtsanwaltskosten oder verauslagte Finanzierungskosten bekommen die Verbraucher nach § 852 S. 1 BGB jedoch nicht zurück. Anders als beim Anspruch aus § 826 BGB erstrecke sich § 852 S. 1 BGB nämlich nicht auf solche Leistungen bzw. Kosten. VW wiederum könne nicht nach § 818 Abs. 3 BGB etwaige Herstellungs- und Bereitstellungskosten von dem erlangten Händlerkaufpreis für die Autos abziehen. Grund dafür ist laut BGH die bösgläubige Bereicherung durch VW im Sinne der §§ 818 Abs. 4, 819 BGB.

Nach unserer Erfahrung haben die Oberlandesgerichte die Rechtsprechung des BGH zügig zur Anwendung gebracht und entsprechende richterliche Hinweise an die Parteien erteilt. So fordern die Oberlandesgerichte derzeit, dass detailliert dargelegt wird, was VW bzw. Audi – sofern beide verklagt sind – erlangt haben. Insoweit stellt sich die Schwierigkeit, was VW für den von ihnen entwickelten Motor des Typs EA189 von Audi erlangt hat. Allerdings weisen die Gerichte nunmehr auch eindringlich VW und Audi darauf hin, einen außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Vergleich auf Basis der vorbezeichneten BGH-Urteile zu schließen.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob seitens VW und Audi eingelenkt wird und die Rechtsstreitigkeiten mit Vergleichsvereinbarungen zum Ende gebracht werden können, was viele Verbraucher begrüßen würden.

Bei Fragen zum Thema Abgasskandal stehen wir Ihnen gerne auch bezüglich der sich neu ergebenden Chancen in Bezug auf die zehnjährige Verjährungsfrist des § 852 BGB zur Verfügung.


Insolvenzanfechtungsrecht - BGH zur Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungseinstellung des Schuldners aufgrund von dessen schleppendem Zahlungsverhalten

Insolvenzanfechtungsrecht - BGH zur Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungseinstellung des Schuldners aufgrund von dessen schleppendem Zahlungsverhalten

Will ein Insolvenzverwalter Zahlungen des Schuldners vor Insolvenzeröffnung nach § 133 InsO anfechten, muss er sowohl den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz als auch die Kenntnis des Anfechtungsgegners nachweisen. Der BGH hat im Rahmen einer Rechtsprechungsänderung weiter konkretisiert, dass ein schleppendes Zahlungsverhalten des Schuldners allein nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung schließen lässt, wenn sich das durch die gesamte Geschäftsbeziehung zieht – unabhängig von der Liquidität des Schuldners.

Insolvenzanfechtung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Über das Vermögen einer GmbH wurde 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Verwalterin forderte nun von einer Spedition, die in einer langjährigen ständigen Geschäftsbeziehung zur GmbH stand, rund 53.000,00 € zurück. Diese Summe habe sie seit 2013 von ihrer Auftraggeberin erhalten, obwohl die GmbH bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Damals hatten eine Krankenversicherung und das Finanzamt schon einmal einen Insolvenzantrag gestellt, nachdem der Schuldner erklärt hatte, dass er nicht zahlen könne. Als dann aber von Dritten die Schulden in Höhe von rund 73.000,00 € beglichen worden waren, hatte sich das Insolvenzverfahren erledigt. Der Spediteur wusste davon nichts. Die GmbH hatte zwar schon immer schleppend gezahlt, es mussten aber nie gerichtliche Schritte eingeleitet werden, um die Gegenleistung für durchgeführte Transporte zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Eröffnung waren noch rund 3.700,00 € offen, die zur Tabelle angemeldet wurden. Das Landgericht und das Oberlandesgericht gaben der Anfechtungsklage statt. Die Spedition wandte sich an den BGH, mit Erfolg.

 

BGH: drohende Zahlungsunfähigkeit?

Die Vermutung, dass der GmbH seit dem ersten Insolvenzantrag 2013 noch weiter die Zahlungsunfähigkeit im Sinne der §§ 17, 18 InsO drohte, kann laut den Karlsruher Richtern nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie ihre laufenden Zahlungen nicht wieder aufgenommen hat. Bloß verzögerte Forderungsbegleichungen reichten dafür nicht aus, vielmehr müssen Umstände hinzutreten, die darauf hindeuten, dass die verspäteten Zahlungen auf mangelnder Liquidität berufen. Eine Erklärung des Schuldners, dass er nicht zahlen könne, wäre nach Ansicht der Karlsruher Richter ein schlagkräftiges Indiz. Oder wenn die GmbH selbst Geschäftspartner nicht bezahlte, die sie für fortlaufende Beziehungen noch benötigte. Gemessen an diesen Maßstäben war die GmbH den Bundesrichtern zufolge nach Begleichung der Schulden bei Finanzamt und Krankenversicherung solvent. Jedenfalls hätte die Insolvenzverwalterin ansonsten eine sekundäre Darlegungslast zu gegebenenfalls weiter vorliegenden erheblichen Zahlungsausfällen getroffen.

Nach Ansicht der Karlsruher Richter scheidet der Rückgewähranspruch nach § 143 Abs. 1 i.V.m. § 133 Abs. 1 InsO also aus, da ein Vorsatz der GmbH, mit den Zahlungen an die Spedition andere Gläubiger zu benachteiligen, fehlte. Es liege kein Nachweis vor, dass sie bereits zwei Jahre vor der Insolvenzeröffnung von ihren Liquiditätsschwierigkeiten wusste. Und auch die Kenntnis der Anfechtungsgegnerin, der Spedition, hat die Insolvenzverwalterin nicht nachweisen können. Der BGH konnte die Sache selbst entscheiden und hat die Klage abgewiesen. (BGH, Urteil vom 10.02.2022 – IX ZR 148/2019).

Bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Insolvenzanfechtungsansprüchen sowie der Abwehr derartiger Forderungen stehen wir Ihnen in unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei kompetent zur Verfügung.


OLG Stuttgart verneint Insolvenzanfechtungsanspruch bei Containervertriebsgesellschaft

OLG Stuttgart verneint Insolvenzanfechtungsanspruch bei Containervertriebsgesellschaft

Hintergrund

Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eine von den mehreren deutschen Containervertriebsgesellschaften der ehemaligen so genannten Z.-Gruppe, bezüglich der auf Eigenantrag vom 15.03.2018 am 24.07.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, gegen den Beklagten auf §§ 143134 Abs. 1 InsO gestützte Ansprüche von insgesamt 34.481,74 € geltend.

Das Geschäftsmodell der Z.-Gruppe sah vor, dass die deutschen Containervertriebsgesellschaften von der schweizerischen Z. Corp. (Im Folgenden: Z. EF) Container ankaufen, um mit Anlegern Kauf- und Verwaltungsverträge über die Container abzuschließen. Zwischen dem Beklagten und der Insolvenzschuldnerin kamen solche auf einer Seite abgedruckte Kauf- und Verwaltungsverträge zustande; am 14./17.09.2009 über 7 Container vom Typ „ST 0942 GC2“ zum Gesamtkaufpreis von 11.165,00 € und einem „Tagesmietsatz von 0,56 € pro Container, das heißt 12,82 % des Kaufpreises per anno“ (Anlage K 4), sowie am 10./13.11.2012 über die 11 Container vom Typ „20 „STANDARD S“ zum Gesamtkaufpreis von 24.420,00 € sowie einem „Tagesmietsatz von 0,75 € pro Container, das heißt 12,28 % des Kaufpreises per anno“.

Kaufvertrag

  1. Der Investor kauft hiermit von Z. die Anzahl von […] Stück Container vom Typ Angebot Nr. […]
  2. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt
  3. a) auf das Konto der Z. […], bei Zahlung auf das Z.-Konto beginnt die Mietgarantie fünf Arbeitstage nach Geldgutschrift (Mietbeginn), […]
  4. Die Eigentumsübertragung der/ des Container(s) erfolgt innerhalb von maximal 90 Tagen nach Geldgutschrift des Kaufpreises. Die Übergabe der/des Container(s) wird durch nachfolgenden Verwaltungsvertrag ersetzt.
  5. Der Investor erhält zum Nachweis der Eigentumsübertragung der/des Container(s) ein von Z. ausgestelltes Eigentumszertifikat mit dem internationalen Code und der Seriennummer seiner/seines Container(s).

Verwaltungsvertrag

  1. Der Investor beauftragt Z. mit der Verwaltung der/des oben genannten Container(s). Z. wird alle mit der Verwaltung zusammenhängenden Verträge eigenverantwortlich abschließen und garantiert dem Investor, dass bereits zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung ein Miet- oder Agenturverhältnis besteht. Z. ist berechtigt, Untervollmachten zu erteilen. Sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Miet- oder Agenturverhältnis gehen gleichzeitig mit der Eigentumsübertragung auf den Investor über. Z. zieht die Mieten für den Investor ein. Etwaige Unterdeckungen gegenüber der garantierten Miete gehen zu Lasten der Z.. Eventuell über den Betrag der garantierten Miete hinausgehende Mieteinnahmen verbleiben Z., der dieser Überschuss als Verwaltungsgebühr hiermit abgetreten wird. Darüber hinaus hat Z. keinen Anspruch auf eine Vergütung. Die Abtretung wird hinfällig, sobald der Vertrag gekündigt oder Z. aus sonstigen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die nach diesem Vertrag geschuldeten Leistungen zu erbringen. Dies gilt auch für den Fall, dass Z. seine Garantieverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllen sollte. Die Rechte aus dem Miet- oder Agenturverhältnis werden dann von dem Investor oder einem von diesem bestellten neuen Verwalter unmittelbar wahrgenommen.
  2. Z. garantiert dem Investor für die Dauer von 5 Jahren (je 365 Tage) einen Tagesmietsatz von [….] pro Container, d. h. [….] % des Kaufpreises per anno.
  3. Der Vertrag gilt ab Mietbeginn und hat die Laufzeit von 5 Jahren.
  4. Nach Ablauf der Garantiezeit ist Z. bereit, den/die Container zurückzukaufen und wird rechtzeitig vor Ablauf des Vertrags ein Kaufangebot unterbreiten.
    […]

Eine weitergehende Individualisierung der Container erfolgte nicht und die Insolvenzschuldnerin übergab dem Beklagten kein Eigentumszertifikat nach Ziffer 4 des jeweiligen Kaufvertrages. Der Rückkaufpreis war jedenfalls in den Kauf- und Verwaltungsverträgen selbst nicht festgelegt. Nachdem der Beklagte den Gesamtkaufpreis entrichtet hatte, zahlte die Insolvenzschuldnerin auf die Verwaltungsverträge die vereinbarten Tagesmietzinsen, damit ab dem angefochtenen Zeitraum seit 15.03.2014 in Bezug auf den Vertrag vom 14.09./17.09.2009 (0,56 €/Container, 12,82 % des Kaufpreises) 1.159,34 € (1.073,10 € und Restmiete 86,24 €) und bezüglich des Vertrages vom 10./13.11.2012 (0,75 €/Container, 12,28 % des Kaufpreises) 11.762,40 € (11.292,15 € und Restmiete 470,25 €). Am 16./20.09.2014 kamen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte überein, dass die Insolvenzschuldnerin die Container aus dem Vertrag vom 14.09./17.09.2009 zum Kaufpreis von 6.545,00 € zurückerwirbt (Anlage K 6), woraufhin die Insolvenzschuldnerin am 18.11.2014 an den Beklagten den angefochtenen Rückkaufpreis von 6.545,00 € leistete. Den Rückkauf der Container aus dem Vertrag vom 10./13.11.2012 vereinbarten die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte am 17./20.10.2017 (Anlage K 7). Am 24.01.2018 zahlte die Insolvenzschuldnerin an den Beklagten den angefochtenen Rückkaufpreis von 15.015,00 € und den Restmietzins von 470,25 €. Der Beklagte erlangte aus den Kauf- und Verwaltungsverträgen während der Vertragslaufzeiten von 5 Jahren insgesamt einen Gewinn in Höhe von 8.194,33 €.

Erstinstanzlicher Vortrag

Der Kläger trug erstinstanzlich vor, dass der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz für die Übereignung der Container an den Beklagten nicht eingehalten gewesen sei und es hätten zu den Vertragszeitpunkten nur noch Bruchteile der von der Insolvenzschuldnerin und den mit ihr verbundenen Unternehmen an die Anleger veräußerten Container existiert. Die Bestandslücke an Containern sei spätestens ab dem Jahr 2010 so groß gewesen, dass die Insolvenzschuldnerin nicht mehr in der Lage gewesen sei, mit den aus der Vermietung von Seefrachtcontainern erzielten Einnahmen die gegenüber den Investoren bestehenden Verbindlichkeiten auf Zahlung der garantierten Mieten und Durchführung von Rückkäufen zu decken. Die Zahlungen seien von der Insolvenzschuldnerin bewusst auf eine tatsächlich nicht bestehende Schuld erfolgt und daher unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO.

Der Beklagte bestritt erstinstanzlich die Deckungslücke zwischen den bestehenden und verkauften Containern zu den Vertragszeitpunkten mit Nichtwissen. Der Vortrag sei jedenfalls unsubstantiiert. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die im Kauf- und Verwaltungsvertrag vom 14.09./17.09.2009 veräußerten Container. Auch nach dem Vortrag des Klägers hätten zumindest ein Teil der von der Insolvenzschuldnerin verkauften Container tatsächlich existiert. Wenn die verkauften Container nicht bestanden haben sollten, hätte die Insolvenzschuldnerin Ansprüche nach § 536 BGB geltend machen müssen, welche nunmehr verjährt seien.

Das Landgericht gab der Klage nur in Höhe von 21.560,00 € bezüglich der Rückkaufswerte statt. Die Zahlungen auf die Tagesmietzinsen seien nicht unentgeltlich gemäß § 134 Abs. 1 InsO erfolgt.

 

OLG Stuttgart: Kein Anspruch gemäß §§ 143, 134 Abs. 1 InsO

Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß §§ 143134 Abs. 1 InsO in Höhe von insgesamt 21.560,00 € zu. Die aufgrund der vereinbarten Rückkäufe von der Insolvenzschuldnerin erbrachten Kaufpreiszahlungen am 18.11.2014 in Höhe von 6.545,00 € und am 24.01.2018 in Höhe von 15.015,00 €, stellen keine unentgeltlichen Leistungen im Sinne von § 134 InsO dar.

Auch wenn in Ziffer 4 der Verwaltungsverträge nur die Verpflichtung aufgenommen war, dass die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten rechtzeitig vor Ablauf der Garantiezeit der Verwaltungsverträge ein Kaufangebot für den Rückkauf der Container unterbreiten wird, ohne dass in den Kaufvertrags- Verwaltungsverträgen bereits bestimmte Rückkaufpreise vereinbart waren, und die Inhalte der jeweils in der Ziffer 1 der Kaufverträge genannten Angebote nicht von den Prozessparteien dargelegt wurden musste die Insolvenzschuldnerin nach der Vertragsauslegung gemäß §§ 133157 BGB jedenfalls nach Ablauf der garantierten Mietzeit von 5 Jahren gegenüber dem Beklagten ein verbindliches Kaufangebot für den Rückkauf nach den üblichen objektiven Kriterien, also nach dem aktuellen wirtschaftlichen Verkehrswert der Container dieser Gattung unterbreiten, so dass entgegen der Auffassung des Landgerichts aus den Vorverträgen (Ziffer 4 der Kaufvertrags- Verwaltungsverträge) die essentialia negotii für die späteren Rückkaufverträge abgeleitet werden konnten Im Übrigen ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung anzunehmen, dass die Insolvenzschuldnerin für den Vertrieb der Kauf- und Verwaltungsverträge, wie bei allen Finanzanlagen ähnlicher Modelle üblich, zumindest eine Beispielsrechnung in die den jeweiligen Verträgen vorgeschalteten Angebote zur kundengerechten Produktvermittlung aufnahm, denn ansonsten hätte der Beklagte keine Vorstellung darüber gehabt, ob die Gewährung des Kaufpreises für die Dauer von mindestens 5 Jahren in Anbetracht des Rückkaufswerts und der garantierten Tagesmietzinsen für ihn als „Investor“ rentabel ist.

Unerheblich ist, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Vereinbarungen über den Rückkauf der Container am 16./20.09.2014 und 17./20.10.2017  sowie der Auszahlungen der dort festgelegten Rückkaufwerte von 6.545,00 € am 18.11.2014 bzw. in Höhe von 15.015,00 € am 24.01.2018 nicht Eigentümer von konkreten Containern war, so dass der Beklagte seine Pflicht auf Rückübertragung des Eigentums an die Insolvenzschuldnerin nach § 275 Abs. 1 Fall 1 BGB nicht erfüllen konnte.

Zunächst kann die vom Schuldner erbrachte Zuwendung nicht bereits deshalb als unentgeltlich angefochten werden, weil die Gegenleistung ausgeblieben ist (BGH, Urteil vom 11.11.2021, IX ZR 237/20, Juris Rdnr. 53BGH, Urteil vom 07.09.2017, IX ZR 224/16, Juris Rdnr. 21).

 

Zudem standen dem Beklagten in den Zeitpunkten der Vereinbarungen über die Rückkaufspreise noch die aus den Kaufverträgen vom 14./17.09.2009 und 10./13.11.2012 resultierenden Ansprüche nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Individualisierung der Gattungsschuld und Eigentumsverschaffung zu. Da 7 Container des Typs „ST 0942 GC2“ und 11 Container des Typs „20 „STANDARD S“ als Gattung nach § 243 Abs. 1 BGB auf dem Markt vorhanden waren, war der Erwerb bzw. die Spezifizierung der Container in Form von BIC-Codes für die Insolvenzschuldnerin nicht nach § 275 Abs. 1 BGB unmöglich. Die Insolvenzschuldnerin hatte die Fäden bis zur Beendigung der Kauf- und Verwaltungsverträge in der Hand und musste nicht die Aufforderung des Beklagten nach Ziffer 4 des Kaufvertrages vom 10./13.11.2012 abwarten, denn nach Ziffer 3 der Kaufverträge sollte die Eigentumsübertragung der Container innerhalb von maximal 90 Tagen nach Geldgutschrift des Kaufpreises erfolgen, so dass §§ 271 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB zur Anwendung kam. Sie hätte sich jedenfalls durch die Verpflichtungen in Ziffern 1, 4 und 8 der Verwaltungsverträge bei Ablauf der Garantiezeit auch nicht darauf berufen können, dass ein Anspruch nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Konkretisierung des Kaufgegenstandes und Eigentumsverschaffung nicht rechtzeitig nach Ziffer 4 der Kaufverträge geltend gemacht und nach §§ 199195 BGB verjährt sei.

Da dem Beklagten die Rückübertragung allein aufgrund des Verhaltens der Insolvenzschuldnerin nach § 275 BGB unmöglich war, war die Insolvenzschuldnerin nach § 326 Abs. 2 BGB trotzdem zur Zahlung der Rückkaufpreise verpflichtet.

Im Übrigen kamen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte als Parteien der Rückkaufverträge konkludent überein, dass die Insolvenzschuldnerin durch Zahlung der Rückkaufpreise jedenfalls den Primäranspruch auf Konkretisierung auch nach Ziffer 4 der ursprünglichen Kaufverträge ablöst, so dass keine unentgeltlichen Leistungen nach § 134 Abs. 1 InsO vorlagen.

Der Beklagte erklärte entgegen der Auffassung des Klägers keinen einseitigen Verzicht, sondern er erhielt die „Rückkaufangebote“ der Insolvenzschuldnerin konkludent in Erfüllung statt nach § 364 Abs. 1 BGB angeboten, die er jeweils konkludent annahm. Die Vertragsparteien der Rückkaufverträge wollten nach der Interessenlage sämtliche verbleibenden vertraglichen Verpflichtungen aus den Kauf- und Verwaltungsverträgen erfüllen und verfolgten deshalb mit der Auszahlung der Rückkaufspreise den Zweck der Gewährung von dauerhaft dem Beklagten zustehenden Leistungen. Die Insolvenzschuldnerin hat bei einer zugunsten des Klägers angenommenen Kenntnis der fehlenden Eigentumsverschaffung an den Beklagten mit dem Angebot auf Rückkauf der Container nicht ausschließlich im Hinblick auf Ziffer 4 der Verwaltungsverträge gehandelt, sondern zugleich in Bezug auf die bestehende Schuld aus dem ursprünglichen Kausalgeschäft eine Willenserklärung abgegeben.

Trotz unstreitig fehlender Kenntnis des Beklagten von der mangelnden Konkretisierung der Container, war er jedenfalls durch die Annahme des Angebots konkludent damit einverstanden, dass die Insolvenzschuldnerin noch etwaig bestehende Verpflichtungen mit ihren Zahlungsverpflichtungen ablöst.

Im Übrigen wurden durch die Vereinbarungen und Zahlungen der Rückkaufpreise die Kapitaleinlagen zurückgewährt, was § 134 Abs. 1 InsO entgegensteht (OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2021, I-27 U 105/20, Juris Rdnr. 13, 14).

Von einer Unentgeltlichkeit kann nicht ausgegangen werden, wenn die Auszahlung auf die Einlage des Anlegers erbracht wird, denn durch die Auszahlung verliert der Anleger seinen Anspruch auf Rückzahlung der (noch vorhandenen) Einlage, was seine Gegenleistung darstellt (BGH, Urteil vom 05.07.2018, IX ZR 139/17, Juris Rdnr. 13BGH, Urteil vom 20.04.2017, IX ZR 252/16, Juris Rdnr. 19BGH, Versäumnisurteil vom 22.04.2010, IX ZR 225/09, Juris Rdnr. 11, 12; BGH, Urteil vom 09.12.2010, IX ZR 60/10, Juris Rdnr. 6).

Den Leistungen der Insolvenzschuldnerin standen ausgleichende Gegenleistungen des Beklagten mit einem entsprechenden Vermögenswert gegenüber. Die Insolvenzschuldnerin erbrachte an den Beklagten in Bezug auf beide Kauf- und Verwaltungsverträge innerhalb der Garantiezeit von 5 Jahren Leistungen in Höhe von 43.779,33 € (Rückkaufwerte 21.560,00 € und Tagesmietzinsen 22.219,33 €, so dass der Beklagte nach Abzug seiner Kaufpreiszahlungen in Höhe von 35.585,00 € eine Rendite von 8.194,33 € hatte. Dies begründet keine Unentgeltlichkeit der Zahlungen im Hinblick auf die vereinbarten „Rückkaufswerte“, denn diese waren aus der Sicht des Empfängers nach den üblichen objektiven Kriterien (BGH, Urteil vom 05.07.2018, IX ZR 126/17, Juris Rdnr. 14; Kayser/Freudenberg in Münchener Kommentar, a. a. O., § 134 InsO Rdnr. 14), somit nach dem Marktwert zu bestimmen.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Bezug auf den am 24.01.2018 ausgezahlten Rückkaufpreis in Höhe von 15.485,25 € zu, denn die Auszahlung erfolgte aufgrund der nicht nach §§ 130 ff. InsO anfechtbaren Rückkaufvereinbarung vom 17./20.10.2017 und war somit kongruent. Hierauf hat sich der Kläger daher auch nicht berufen.

 

Die Entscheidung des OLG Stuttgart passt zu den bisher ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen in Bezug auf die P § R – Containerinsolvenzen, da erneut bestätigt wird, dass die Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO mangels Unentgeltlichkeit nicht anwendbar ist.


Diesel-Skandal - OLG München: Schadensersatzanspruch des Klägers begründet

Diesel-Skandal - OLG München: Schadensersatzanspruch des Klägers begründet

Hintergrund:

Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die der Kläger gegen die Beklagten wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht. Der Kläger erwarb mit verbindlicher Bestellung vom 14.03.2017 zum Preis von 39.999,00 € von der Beklagten zu 1.) einen Gebrauchtwagen Audi A5 Sport Back 3,0 TDI, 160 kW, Erstzulassung: 09.09.2016, Schadstoffklasse: Euro 6, mit einem Kilometerstand von 8.999 km. Das Fahrzeug wurde am 17.03.2017 übergeben. Die Beklagte zu 2.) ist die Herstellerin des Wagens und des Motors. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betrug der Kilometerstand 71.613 km. Das Fahrzeug ist von einem verbindlichen Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt mit der Begründung „unzulässige Abschalteinrichtung“ betroffen. Beanstandet wurde nach den Angaben des Klägers unter anderem eine Aufheizstrategie, die nahezu ausschließlich unter Prüfbedingungen genutzt wird. Die Beklagte zu 2.) hat hierzu ein Software-Update entwickelt, das vom Kraftfahrtbundesamt geprüft und freigegeben wurde. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.02.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1.) die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und den Rücktritt. Mit Anwaltsschreiben vom 07.02.2019 forderte der Kläger die Beklagte zu 2.) wegen deliktischer Ansprüche zur Erstattung des Kaufpreises und Rücknahme des Fahrzeugs auf. Mit Schriftsatz vom 05.11.2019 erhob er Klage. Bezüglich der Beklagten zu 1.) verlangte er unter anderem Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1.) darzulegenden Nutzungsentschädigung, ferner Feststellung der Schadensersatzpflicht und des Annahmeverzugs sowie Freistellung von vorgerichtlichen Kosten. Bezüglich der Beklagten zu 2.) beantragte er Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Freistellung von vorgerichtlichen Kosten, mit Schriftsatz vom 02.03.2020 außerdem hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit des Feststellungsantrags, die Beklagte zu 2.) zur Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu verurteilen, an ihre Schadensersatzpflicht für weitere Schäden festzustellen.

LG München weist Klage ab

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2.) (die Herstellerin des gegenständlichen Fahrzeugs) nur im Hilfsantrag zulässig, jedoch nicht begründet ist. Es bestehe ihr gegenüber kein Anspruch aus den §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB, da sie in die Vertragsverhandlungen mit der Beklagten zu 1.) nicht eingebunden gewesen sei, auf diese keinen Einfluss genommen und auch kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgt habe. Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe ebenfalls nicht. Soweit der Kläger eine Aufheizstrategie behaupte, die die Prüfstandsituation erkenne, handele sich um Vortrag ins Blaue hinein. Der Vortrag zum sogenannten Thermofenster begründe keinen Schadensersatzanspruch. Der Kläger habe auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1.). Der Kaufvertrag sei nicht nichtig, denn § 27 Abs. 1 EG FGV stelle schon kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar. Ein Anfechtungsrecht im Sinne des § 123 BGB habe dem Kläger nicht zugestanden, denn die Beklagte zu 1.) habe ihn nicht getäuscht, eine etwaige Täuschung durch die Beklagte zu 2.) sei ihm nicht zuzurechnen. Hinsichtlich etwaiger Mängelgewährleistungsansprüche greife die von der Beklagten zu 1.) erhobene Einrede der Verjährung durch, denn die Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf ein Jahr sei wirksam vereinbart.

OLG München: Zulässige Berufung des Klägers teilweise begründet

Das LG hat die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1.) (den Händler) verneint. Eine Nichtigkeit nach § 134 BGB scheidet aus, da das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer gültigen EG-Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne der §§ 6, 27 EG-FGV versehen ist. Es ist nämlich insoweit von einem formellen Gültigkeitsbegriff auszugehen, sodass es allein darauf ankommt, ob die Bescheinigung durch den Hersteller unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars ausgestellt wurde, sie fälschungssicher und unvollständig ist. Daran besteht vorliegend kein Zweifel. Darüber hinaus ist § 27 EG-FGV auch kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch die Beklagte zu 1.) hat das Landgericht ebenfalls zutreffend verneint, da unstreitig die Beklagte zu 1.) bei Abschluss des Kaufvertrages im März 2017 von der in dem Fahrzeug implementierten unzulässigen Abschalteinrichtung keine Kenntnis hatte. Eine Zurechnung des bei der Beklagten zu 2.) vorhandenen Wissens über die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß § 166 Abs. 1 BGB scheidet aus, da sich die Beklagte zu 2.) als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs einerseits und die Beklagte zu 1.) andererseits als juristische selbstständige Personen gegenüberstehen. Auch eine Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 2 BGB analog kann nicht angenommen werden.

Gewährleistungsansprüche sind verjährt, da die Verkürzung der Gewährleistungsfrist auf ein Jahr wirksam vereinbart wurde. Andere Anspruchsgrundlagen kämen nicht in Betracht. Ein Anspruch aus § 311 BGB scheidet hier wegen Vorrangs der Mängelhaftung aus. Die vom Kläger herangezogenen europarechtlichen Vorschriften haben keine drittschützende Wirkung.

Hinsichtlich der Beklagten zu 2.) (Herstellerin) hat die Berufung Erfolg, als dem Kläger der Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs zuzusprechen ist.

Die Beklagte zu 2.) haftet auf Schadensersatz gemäß der §§ 826, 31 BGB. Sie hat den Kläger vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt mit der Inverkehrgabe eines Fahrzeugs mit einem von ihr hergestellten und entwickelten Motors, bei dem eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Aufheizstrategie in Verbindung mit weiteren Strategien zum Einsatz kam.

Die Entscheidung des OLG München, dass die Herstellerin nach den §§ 826, 31 BGB haftet, passt zu den bereits bestehenden obergerichtlichen Rechtsprechungen und steht in einer Reihe mit der Entscheidung des BGH vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19.

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Arbeitsrecht - Rechtswegzuständigkeit des Zivilgerichts für GmbH-Geschäftsführer

Arbeitsrecht - Rechtswegzuständigkeit des Zivilgerichts für GmbH-Geschäftsführer

Ein rechtskräftiger Verweisungsbeschluss im Verfahren über die Bestellung eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO entfaltet keine Bindungswirkung für das anschließende Hauptverfahren.

Hintergrund:

In dem hier vom BAG entschiedenen Fall hatte eine bei einer GmbH angestellte Fremdgeschäftsführerin ihr Anstellungsverhältnis gekündigt und zugleich ihr Amt als Geschäftsführerin niedergelegt. Ihre Eintragung als Geschäftsführerin im Handelsregister wurde gelöscht. Sodann hat die Geschäftsführerin beim Landgericht Wiesbaden beantragt, für ein beabsichtigtes Klageverfahren auf Urlaubsabgeltung für die nunmehr geschäftsführerlose GmbH einen besonderen Vertreter nach § 57 ZPO zu bestellen. Das Landgericht Wiesbaden hat den beschrittenen Rechtsweg zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und die Sache an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen. Dieses hat sodann Rechtsanwalt Karg gemäß § 57 ZPO als Prozesspfleger für die GmbH bestellt. Mit ihrer in der Folge beim Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenen Klage verlangt die Geschäftsführerin die Abgeltung von insgesamt 33 Urlaubstagen aus den Jahren ihrer Geschäftsführertätigkeit. Dabei ging sie davon aus, der rechtskräftige Verweisungsbeschluss des Landgerichts Wiesbaden entfalte gemäß § 17 a Abs. 2 S. 3 GVG Bindungswirkung für das Prozessgericht.

Arbeitsgericht verneint Zuständigkeit

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Wiesbaden verwiesen. Das hessische Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde der Geschäftsführerin zurückgewiesen. Die daraufhin von ihr erhobene Rechtsbeschwerde hat nun das BAG ebenfalls zurückgewiesen. Die nach § 17 Abs. 4 S. 4 GVG statthafte und nach §§ 78 ArbGG, 574 ff. ZPO zulässige Rechtsbeschwerde der Geschäftsführerin sei unbegründet, das LAG habe im Ergebnis zu Recht erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet sei.

Der Verweisung des Rechtsstreits durch das LAG stand nicht die Bindungswirkung des rechtskräftigen Beschlusses des LG Wiesbaden vom 29.09.2020 entgegen, mit dem dieses für das Bestellungsverfahren nach § 57 ZPO den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erachtet und die Sache an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen hat. Gemäß §§ 17 a Abs. 2 S. 3 GVG, 48 Abs. 1 ArbGG sind rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses bezieht sich auf den Rechtsstreit, in welchem er ergangen ist. Der Begriff Rechtsstreit in § 17 a Abs. 2 GVG erfasst nicht nur das kontradiktorische Erkenntnisverfahren, sondern kann weitere, dem Erkenntnisverfahren vor-, nach- oder nebengelagerte Verfahren erfassen. Dies folgt schon aus dem Wortlaut, der in § 17 Abs. 2 S. 2 GVG neben dem Geschäftsführer den Antragsteller aufführt und entspricht dem Ziel der Regelung, Gerichtsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, indem ohne langwierige Zuständigkeitsstreitigkeiten Klarheit über den zulässigen Rechtsweg erlangt werden kann.

Danach hat ein im Verfahren auf Bestellung eines Prozessvertreters nach § 57 ZPO ergangener Verweisungsbeschluss keine bindende Wirkung für das sich anschließende Hauptsacheverfahren. Es handelt sich insoweit um zwei verschiedene Rechtsstreitigkeiten. Fiele die Beurteilung anders aus, wäre der nicht prozessfähigen Partei entgegen Art. 19 Abs. 4 GG der Rechtsweg versperrt. Sie hätte weder in dem vorgelagerten Bestellungsverfahren nach § 57 ZPO noch in dem sich daran anschließenden Hauptsacheverfahren die Möglichkeit, die Zuständigkeitsfrage klären zu lassen. Mangels Prozessfähigkeit könnte sie gegen eine Entscheidung über den Rechtsweg im Bestellungsverfahren nicht die nach § 17 Ar Abs. 4 GVG vorgesehenen Rechtsmittel einlegen und wäre dann im sich anschließenden Erkenntnisverfahren daran gebunden. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ArbGG eröffnet. Der rechtliche Charakter eines Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich nicht allein dadurch, dass er abberufen wird. Das Anstellungsverhältnis wird durch den Abberufungsakt nicht zum Arbeitsverhältnis und der Organvertreter nicht zur arbeitnehmerähnlichen Person. Die Gerichte für Arbeitssachen sind deshalb zur Entscheidung des Rechtsstreits nur berufen, wenn es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG handelt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die nach § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Der Rechtsstreit war daher an das zuständige Landgericht zu verweisen. (BAG, Beschluss vom 08.02.2022 – 9 AZB 40/21)

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Dieselskandal, OLG Karlsruhe zur Haftung nach §§ 826, 31 BGB analog

Dieselskandal, OLG Karlsruhe zur Haftung nach §§ 826, 31 BGB analog

1.
Für die Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB analog ist nicht erforderlich, dass er den Motor oder die Motorsteuerung, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, selbst entwickelt oder hergestellt hat (im Anschluss an BGH, Urteil vom 08.03.2021 – VI ZR 505/19, BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 875/20 und BGH, Urteil vom 25.11.2021 – VII ZR 238/20).

2.
Zu den Anforderungen an die Substantiierung des Vortrags des Klägers zur sittenwidrigen vorsätzlichen Handlung eines Automobilherstellers, wenn der Kläger behauptet, dessen verfassungsmäßig berufene Vertreter hätten zumindest gewusst, dass die Motoren des streitgegenständlichen Typs mit einer auf eine arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstand Erkennungssoftware ausgestattet waren, und die Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesen Motoren versehen und in den Verkehr gebracht.

3.
Lässt der Vortrag der Beklagten zu einer fehlenden Kenntnis wenigstens eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters im Sinne des § 31 BGB aufgrund des substantiierten Vortrags des Klägers nötigen, näheren Vortrag zu den in Streit stehenden Entscheidungsprozessen in Bezug auf die Verwendung der Motoren des Typs EA189 vermissen, gilt der Vortrag des Klägers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO), ohne dass es auf die Frage einer sekundären Darlegungslast ankommt.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.03.2022 – 17 U 811/19


BGH zur Buchposition eines Gesellschafters als vererbliche Rechtsposition

BGH zur Buchposition eines Gesellschafters als vererbliche Rechtsposition

Nach dem Tod des Gesellschafters einer im Grundbuch als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragenen GbR stellt die Buchposition des Gesellschafters keine gesondert vererbliche Rechtsposition dar, die Rechtsnachfolge in die Gesellschafterstellung vollzieht sich insgesamt nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrags. (BGH, Beschluss vom 10.02.2022, Az.: V ZB 87/20)

Hintergrund

Die Beteiligte zu 1.), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ist als Eigentümerin des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Wohnungseigentums im Grundbuch eingetragen. Als Gesellschafter sind der Beteiligte zu 2.) und der inzwischen verstorbene Dr. F. eingetragen. Der Beteiligte zu 3.) ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Dr. F. Die Beteiligte zu 4.), eine Bank, bewilligte mit notarieller Urkunde die Löschung einer zu Ihren Gunsten in Abteilung drei des Grundbuchs eingetragenen brieflosen Grundschuld. Für die Beteiligte zu 1.) stimmte mit notarieller Urkunde der Beteiligte zu 2.) als Mitgesellschafter und der Beteiligte zu 3.) als Testamentsvollstrecker der Löschung zu. Den Antrag der Beteiligten zu 1.) auf Löschung der Grundschuld hat das Grundbuchamt zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1.) den Löschungsantrag weiter. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Löschung der Grundschuld zu Recht abgelehnt worden. Die gemäß § 27 S. 1 GBO für die Löschung erforderliche Zustimmung der GbR als der Wohnungseigentümerin sei neben dem Beteiligten zu 2.) von den Rechtsnachfolgern des verstorbenen Mitgesellschafters abzugeben. Vor der Löschung müssten diese gemäß § 39 Abs. 1 GBO in das unrichtig gewordene Grundbuch eingetragen werden. Die Voreintragung sei nicht gemäß § 40 Abs. 2 Alt. 1 GBO entbehrlich. Es fehle an dem dafür erforderlichen Nachweis, dass die Bewilligung des Beteiligten zu 3.) als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des verstorbenen Mitgesellschafters gegen dessen Erben wirksam sei. Nach dem Tod des Gesellschafters einer GbR sei der Testamentsvollstrecker zwar dann unter Ausschluss der Erben verfügungsbefugt, wenn die Gesellschaft gemäß § 727 Abs. 1 BGB aufgelöst werde. Von diesem gesetzlichen Regelfall könne aber nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Vorliegend bestünden zudem besondere Anhaltspunkte dafür, dass die Gesellschafter die Auflösung der Gesellschaft nicht gewollt und die Fortführung mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters vereinbart hätten. Das Hindernis in Gestalt der fehlenden Voreintragung lasse sich nicht rückwirkend beseitigen.

BGH: Rechtsbeschwerde begründet

Mit der von dem Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann ein rückwirkend nicht behebbares Eintragungshindernis im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GBO nicht angenommen werden. Im Ausgangspunkt darf eine Grundschuld gemäß § 27 S. 1 GBO nur mit Zustimmung des Eigentümers des Grundstücks hier also der GbR gelöscht werden. Das Zustimmungserfordernis ist neben der hier vorliegenden Löschungsbewilligung des Grundschuldgläubigers notwendig, um den Eigentümer davor zu bewahren, ein durch Zahlungen auf das Grundpfandrecht entstandenes, aus dem Grundbuch nicht ersichtliches Eigentümergrundpfandrecht bzw. seine Anwartschaft auf Erwerb des Eigentümergrundpfandrechts gegen seinen Willen zu verlieren. Die von einer GbR als Eigentümerin zu erteilende Zustimmung ist grundsätzlich von allen gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 GBO im Grundbuch eingetragenen Gesellschaftern abzugeben. Denn gemäß § 47 Abs. 2 S. 2 GBO werden die im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter einer GbR verfahrensrechtlich wie Berechtigte behandelt. Keinen Bestand haben kann aber die Begründung, mit der das Beschwerdegericht im Hinblick auf den verstorbenen Gesellschafter die Voreintragung der Erben verlangt. Zu Unrecht unterscheidet es insoweit zwischen dem Erfordernis der Voreintragung einerseits und der Bewilligungsbefugnis des Testamentsvollstreckers andererseits.

Nach den Karlsruher Richtern muss die Zustimmungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nachgewiesen werden, wenn eine auf dem Grundstück einer GbR lastende Grundschuld nach dem Tod eines Gesellschafters mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers in der verbliebenen Gesellschaft gelöscht werden soll ohne zuvor das Grundbuch zu berichtigen. Der Nachweis der Zustimmungsbefugnis ist jedenfalls dann erbracht, wenn sich aus der in der Form des § 29 GBO eingereichten Zustimmungserklärung des Testamentsvollstreckers und der übrigen Gesellschafter ergibt, dass es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag gibt und besondere gesellschaftsvertraglicher abreden für den Todesfall nicht getroffen worden sind, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an diesen Angaben bestehen. Eidesstattlicher Versicherungen bedarf es nicht.

Bei Fragen rund um das Thema Tod eines Gesellschafters und Rechtsnachfolge sowie vererblicher Rechtspositionen stehen Ihnen unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte kompetent zur Verfügung.


OLG Rostock - Vermächtnis bei Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes

OLG Rostock - Vermächtnis bei Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes

Das OLG Rostock hat entschieden, dass eine Anordnung im Testament auch dann ein Vermächtnis sein kann, wenn der Gegenstand fast das gesamte oder das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht. Nach § 2087 Abs. 2 BGB kann jedoch auch eine Auslegung dergestalt in Betracht kommen, dass der Vermächtnisnehmer Erbe geworden ist. Der Umstand alleine, dass der vermachte Gegenstand fast das gesamte Vermögen ausmacht, rechtfertigt nicht allein die Annahme der Erbeinsetzung. (OLG Rostock, Beschluss vom 08.02.2022, Az.: 3 W 143/20)

Hintergrund

Vorliegend ging es darum, dass der Erblasser mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet hat. Dabei haben sich die Eheleute zunächst gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und dem Sohn ein Grundstück vermacht. Zum Zeitpunkt des Todes bestand der Nachlass im Wesentlichen aus diesem Grundstück.

Das OLG erläutert zunächst, dass dem Vermächtnisnehmer durch Testament isoliert das Hausgrundstück des verstorbenen Erblassers und seiner Ehefrau zugewendet worden ist. Als Schlusserbe ist dieser jedoch nicht eingesetzt worden. Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes im Zweifel nicht als Erbeinsetzung, sondern als Vermächtnisanordnung anzusehen. Im vorliegenden Einzelfall müsste jedoch eine vorrangige Testamentsauslegung herangezogen werden. Nach dem OLG ist eine Auslegung als Vermächtnis auch möglich, wenn der zugewendete Einzelgegenstand das gesamte oder fast das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht. Auch bei Ansetzung eines Vermächtnisses, welches beinahe das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht, ist eine Auslegung dergestalt möglich, dass keine Erbeinsetzung vorliegt. Bei einem solchen Fall müsse lediglich gut geprüft werden, ob entgegen § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung vorliegt. Es müsse danach geschaut werden, ob der Erblasser dem Vermächtnisnehmer mehr Rechte habe einräumen wollen, als dies üblicherweise einem Vermächtnisnehmer zustehen. So müssen auch die Vorstellungen des Erblassers über die Zusammensetzung des Nachlasses herangezogen werden, welche er zum Zeitpunkt der Erstellung des Testaments gehabt habe. Im konkreten Fall konnte nun der Vermächtnisnehmer nicht die notwendigen Feststellungen treffen, dass bei Testamentserrichtung kein wesentliches anderes Vermögen der Eheleute vorhanden gewesen sei. Dies geht zulasten des Vermächtnisnehmers mit dem Ergebnis, dass dieser nicht als Erbe anzusehen ist.


Fazit

Es bleibt dabei, dass der derjenige Vermächtnisnehmer der als Erbe angesehen werden will, im Einzelnen darlegen und beweisen muss, dass der zugewandte Gegenstand praktisch das gesamte Vermögen des Erblassers ausgemacht hat im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Ist dies der Fall, stellt dies ein starkes Indiz dafür dar, dass der Erblasser den Vermächtnisnehmer auch als Erben einsetzen wollte.

Bei Fragen zur Testamentserstellung und insbesondere zur Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen in Bezug auf die Einsetzung von Vermächtnissen stehen Ihnen unsere auf das Erbrecht spezialisierten Anwälte gerne zur Verfügung.


BGH - Keine Klage für die Gesellschaft im eigenen Namen

BGH - Keine Klage für die Gesellschaft im eigenen Namen

Der Gesellschafter einer GmbH kann Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen ihren Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen. Andernfalls fehlt es dem Kläger laut BGH an der Prozessführungsbefugnis. Der Streit, ob die Anspruchsverfolgung im Interesse der Gesellschaft liege oder ihm widerspreche, sei allein zwischen den Gesellschaftern auszutragen. (BGH, Urteil vom 25.01.2022, Az.: II ZR 50/20)

Hintergrund

Ein Anteilseigner einer GmbH in Liquidation machte einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft aus Geschäftsführerhaftung i.H.v. 964.000,00 € geltend. Er war mit einem Geschäftsanteil von 160.000,00 € an dem Unternehmen beteiligt, deren Stammkapital 800.000,00 € betrug. Eine Mitgesellschafterin, ein Fleischereibetrieb, hielt die restlichen Anteile i.H.v. 640.000,00 €. Die Gesellschaft exportierte von ihr geliefertes Schweinefleisch nach Südkorea. Die Kaufpreise sollten durch Teilabtretungen eines Zwischenhändlers beglichen werden, die sich mit 964.000,00 € als nicht werthaltig erwiesen. Für die Forderungsausfälle der Exportgeschäfte machte der Gesellschafter den Geschäftsführer verantwortlich. Das LG Oldenburg wies die Klage ab. Auf die Berufung des Inhabers verurteilte das OLG Oldenburg den Beklagten zur Zahlung i.H.v. 964.000,00 €. Der Gesellschafter könne im Wege der sogenannten actio pro socio Schadensersatzansprüche der GmbH in Liquidation gegen den Beklagten geltend machen. Ein Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG sei entbehrlich gewesen, da die Gesellschaft liquidiert worden sei und seit dem Jahr 2012 keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltet habe. Die Revision des Geschäftsführers beim BGH hatte Erfolg.

BGH: Fehlende Prozessführungsbefugnis

Aus Sicht der Karlsruher Richter hat das OLG zu Unrecht die Zulässigkeit der zugunsten der GmbH in Liquidation erhobenen Klage bejaht. Für die im eigenen Namen erhobene Klage habe dem Anteilseigner die Prozessführungsbefugnis gefehlt. Ein Gesellschafter einer GmbH könne Ansprüche der Gesellschaft aus § 43 Abs. 2 GmbHG gegen ihren Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen. Laut BGH kann der Kläger seine Klagebefugnis nicht auf eine actio pro socio stützen, da der Beklagte nicht Gesellschafter des Unternehmens ist. Das Gesellschaftsverhältnis vermittelt ihm diese Befugnis aber grundsätzlich nicht gegen Personen, zu denen nur die Gesellschaft in einer Sonderrechtsbeziehung stehe.
Den Karlsruher Richtern zufolge ist der Streit, ob die Anspruchsverfolgung im Interesse der Gesellschaft liegt oder ihm widerspricht, zwischen den Gesellschaftern auszutragen (§ 46 Nr. 8 GmbHG).

Bei Gesellschafterstreitigkeiten und insbesondere bei Haftungsfragen gegen Mitgesellschafter oder Fremdgeschäftsführer einer GmbH stehen Ihnen unsere auf das Gesellschaftsrecht spezialisierten Anwälte kompetent zur Verfügung.