Gesellschaftsrecht - Einziehung Geschäftsanteil - OLG Brandenburg zur Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses eines Gesellschaftsanteils eines Gesellschafters

Gesellschaftsrecht - Einziehung Geschäftsanteil - OLG Brandenburg zur Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses eines Gesellschaftsanteils eines Gesellschafters

Hintergrund

Der Kläger und F. waren ausweislich der Gesellschafterliste zu gleichen Teilen als Gesellschafter der Beklagten eingetragen. Zwischen den Gesellschaftern besteht jedenfalls seit Ende 2017 Streit, der in diversen einstweiligen Verfügungsverfahren und Rechtsstreitigkeiten über mehrere Instanzen ausgetragen wurde und wird. So erhob F. Nichtigkeits- und Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassungen der Gesellschafterversammlungen vom 26.02.2018 und 01.03.2018, mit denen ihm sein Geschäftsanteil entzogen wurde, er als Geschäftsführer abberufen und der hiesige Kläger zum Geschäftsführer berufen wurde, der rechtskräftig stattgegeben wurde.

Die in jenem Verfahren von F. überdies erhobene allgemeine Feststellungsklage gerichtet darauf festzustellen, dass der Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018, mit dem die Geschäftsanteile des hiesigen Klägers eingezogen worden sind, wirksam sei, ist in der Berufungsinstanz ohne Erfolg geblieben, eine Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH anhängig.

Im Nachgang zu der vorgenannten Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 reichte F. am 19.06.2018 eine neue Gesellschafterliste ein, die nur noch ihn als Gesellschafter ausweist und am 02.07.2018 in den Registerordner eingestellt wurde. Mit seiner am 18.06.2018 eingegangenen und am 19.07.2018 zugestellten Klage wendet sich der Kläger unter anderem gegen diese außerordentliche Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 gefasste Beschlüsse, mit denen sein Geschäftsanteil eingezogen und das Steuerbüro X Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 und entsprechenden Buchungen der Geschäftsvorfälle beauftragt wurde.

Er machte im Wesentlichen geltend, beide Beschlüsse seien unwirksam, da sie infolge der bereits in der Gesellschafterversammlung vom 01.03.2018 erfolgten Einziehung der Geschäftsanteile des F. nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst worden seien. Die Beschlüsse seien überdies deshalb nichtig, jedenfalls anfechtbar, da F. die Ladungsberechtigung gefehlt habe und die Gesellschafterversammlung an einem untauglichen Ort, nämlich unstreitig im Keller des Privathauses des Mitgesellschafters und in Anwesenheit von vier weiteren Personen stattgefunden hat.

Der Kläger vertrat die Auffassung, bei einer Zwei-Personen-GmbH seien wechselseitige Einziehungsanträge unzulässig, in einem solchen Fall sei eine Auflösungsklage geboten. Ein wichtiger Grund für die Ausschließung des Klägers aus der Gesellschaft sei nicht vorgetragen. Jedenfalls seien F. selbst seine Ausschließung rechtfertigende Pflichtverletzungen vorzuwerfen mit der Folge, dass er die Ausschließung des Klägers nicht verlangen können. Der Einziehungsbeschluss sei nichtig, da die Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht in der Lage gewesen sei, die nach § 14 des Gesellschaftsvertrages geschuldete Einziehungsvergütung, die mit mindestens dem von dem Beklagten ermittelten Betrag von € 189.476,79 anzusetzen sei, nicht aus ihrem freien Vermögen habe bezahlen können; dies ergebe sich etwa aus denen eine bilanzielle Überschuldung ausweisenden veröffentlichten Jahresabschlüssen der Beklagten für 2017 und 2018.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.09.2021 vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klageantrag zu 1.) sei nicht wegen doppelter Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig. Die vorliegende Nichtigkeits- und Anfechtungsklage habe einen anderen Streitgegenstand als die zum Aktenzeichen 52 O 75/18 (4 U 134/20 des brandenburgischen Oberlandesgerichts, II ZR 102/21) mit Klageantrag zu 3.).

Die erhobene Klage betreffe zudem andere Parteien. Der Antrag zu 1). sei auch begründet. Der Kläger sei anfechtungsbefugt, denn er sei zur Zeit der Beschlussfassung in der Gesellschafterliste eingetragen gewesenen und gelte damit gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Beklagten als deren Gesellschafter. Der Beschluss zu TOP 1 der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 sei entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig, da die Beklagte die nach § 4 des Gesellschaftervertrages geschuldete Einziehungsvergütung zur Zeit der Beschlussfassung nicht aus freiem Vermögen habe bezahlen können. Der Kläger hatte sich in Bezug auf die Einziehungsvergütung im Termin vom 27.08.2021 den Vortrag der Beklagten zu der als Anlage B 8 vorgelegten Unternehmensbewertung zu Eigen gemacht und deren Höhe mit mindestens dem darin ermittelten Betrag von € 189.476,79 angegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der inzwischen durch R. als Geschäftsführer vertretenen Beklagten, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter verfolgt.

Die Beklagte rügt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags, das Landgericht habe den zu der Nichtigkeit des Geschäftsanteilserwerbs angebotenen Beweis erheben müssen, denn die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG und damit die Klagebefugnis des Klägers fehle, wenn ausnahmsweise ein Widerspruch zur materiellen Rechtslage vor liege.

Der zu TOP 1 gefasste Beschluss sei aber auch nicht nichtig. Der Kläger hat sich entgegen der Sichtweise des Landgerichts den Beklagtenvortrag zur Unternehmensbewertung nicht zu Eigen gemacht. Die Kennzahlen aus den Bilanzen für 2017 und 2018 seien überdies nicht geeignet, die Finanzkraft der Beklagten zu belegen oder zu verneinen, denn das Limit des von F. gewährten Gesellschafterdarlehens in Höhe von € 500.000,00 sei noch nicht ausgeschöpft gewesen. Auch liege ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klageanträge zu 2.) und 3.) nicht vor. Die Berufung ist zulässig und das Berufungsverfahren nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten unterbrochen worden. Das Rechtsmittel hat allerdings nur in Bezug auf den Klageantrag zu 3.) Erfolg.

So ist die Berufung der Beklagten aus den nachfolgenden, vom Senat bereits im Termin umfassend erörterten Gründen nur insoweit erfolgreich, als sie sich gegen die Feststellung der Nichtigkeit bzw. Nichtigerklärung des die Beauftragung des Steuerbüros X Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 / 2016 / 2017 und entsprechende Buchungen der Geschäftsvorfälle betreffenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2018 wendet.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, wobei der Tenor des Landgerichts klarstellend dahingehend zu berichtigen ist, dass der Beschluss zu TOP 1 nicht für nichtig erklärt wird, sondern seine Nichtigkeit festgestellt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2021 – II ZR 391/18 – Rn. 20 ff.)

Der Erwerb des Geschäftsanteils durch den Kläger ist auch nicht sittenwidrig und gemäß § 138 BGB nichtig. Das Vorbringen des notariellen Anteilskaufvertrages vom 28.09.2012 als Ausnutzung einer Zwangslage des F. erfolgt anzusehen, noch begründet ist im Vorwurf der Sittenwidrigkeit wegen eines besonders groben Missverhältnisses der Leistungen. Die diesbezüglich aufgestellte Behauptung, der Wert des Gesellschaftsanteils habe mehr als das Doppelte des Kaufpreises betragen, ist vom Kläger unmissverständlich bestritten worden und überdies als offensichtlich bloße Behauptung ins Blaue hinein und unbeachtlich.

Die Beklagte zieht offenbar einen Vergleich zwischen dem Kaufpreis für den Geschäftsanteil und dem Wert des Betriebsgrundstücks, für das seinerzeit ein vermeintliches Kaufangebot über € 500.000,00 existiert habe; es liegt auf der Hand, dass der Wert des Geschäftsanteils an einer Gesellschaft mit dem Wert des von dieser innegehaltenen Grundstücks nicht gleichzusetzen ist. Irgendwelche tatsächlichen Umstände, aus denen sich ein auch nur höherer Verkehrswert als der in den notariellen Anteilskaufvertrag vom 28.09.2012 vereinbarte Kaufpreis für den Gesellschaftsanteil ableiten ließe, sind erst- und zweitinstanzlich nicht dargetan, ein Beweisantritt fehlt gänzlich.

Eine andere Sichtweise ist auch nicht dann geboten, wenn zusätzlich die Vereinbarung zur Fälligkeit des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil mit in den Blick nimmt.

Die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung greift ebenfalls nicht durch. Abgesehen davon, dass die Voraussetzungen einer vom Kläger im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb gegenüber F. begangenen arglistigen Täuschung schon nicht dargetan sind, das klägerische Vorbringen lässt einen Wissensvorsprung des Anteilserwerbers gegenüber F. als bisherige Alleingesellschafter in Bezug auf den Wert des Gesellschaftsanteils nicht erkennen – ist die Anfechtungsfrist von einem Jahr erst mit Schriftsatz vom 15.08.2018 erklärten Anfechtung offenkundig nicht gewahrt. Auch auf diesen Aspekt hat bereits der Kläger in erster Instanz unmissverständlich hingewiesen.

Der Kläger hat seine materiellrechtliche Gesellschafterstellung auch nicht, insbesondere nicht nach dem 23.05.2018 wieder verloren. Die Beklagte beruft sich zwar auf die in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefassten Beschlüsse über die Bestätigung der Einziehung sowie über die erneute Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers. Beide Beschlüsse sind indes und nichtig.

Während der Gesellschafterversammlung vom 10.04.2021 gefasster Beschluss über die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers ist schon deshalb nichtig, weil ein nichtiger Beschluss der in der Gesellschafterversammlung vom 23.05.2021 gefasste Einziehungsbeschluss nicht bestätigt werden kann. Der vorsorglich in der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 gefasste Beschluss für die erneute Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers ging zwar nicht schon deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil des Klägers infolge der Streichung in der Gesellschafterliste nicht mehr existent und der Kläger nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils war. Denn die formelle und immaterielle Gesellschafterstellung können wie der vorliegende Fall zeigt auseinanderfallen. In der Folge, dass der am 10.03.2021 getroffene Einziehungsbeschluss einen materiellrechtlichen existenten Geschäftsanteil betraf. Der Einziehungsbeschluss vom 10.03.2021 für den Bestätigungsbeschluss gilt das nämliche ist aber analog § 244 AktG nichtig, weil der Kläger zu der Gesellschafterversammlung nicht geladen worden ist.

Die Rechte des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters müssen durch Ladung wie ein Gesellschafter gewahrt werden, wenn die Gesellschaft ihn hinsichtlich der Einziehung wieder als Gesellschafter behandeln will. Dass der Kläger zu der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 geladen wurde, behauptet nicht einmal die Beklagte, der Kläger stellt dies explizit in Abrede.

Die in Bezug auf die Gesellschafterversammlung im Übrigen unter den Parteien streitigen Fragen, namentlich wann der Kläger das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 10.03.2021 erhalten hat und ob die unter dem 24.01.2022 insoweit eingereichte Beschlussanfechtungs- und Feststellungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist beim Landgericht Potsdam erhoben worden ist, sind nicht in dem vorliegenden Rechtsstreit zu klären.

Es steht nach den vorstehenden Ausführungen fest, dass der Kläger Gesellschafter der Beklagten ist, kann er auch verlangen, dass seine ihn als Mitgesellschafter ausweisende Gesellschafterliste zur Hereinnahme in den Registerordner eingereicht wird. Die Beklagte ist für dieses Klagebegehren auch passiv legitimiert. In der Rechtsprechung und im Schrifttum ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass auch bei der GmbH entsprechend der Rechtslage bei § 67 Abs. 2 AktG dem tatsächlich Berechtigten ein Anspruch auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zusteht, den er im Wege der Leistungsklage gegen die Gesellschaft durchsetzen kann. Daran ändert die in § 40 Abs. 1 GmbHG vorgesehene Pflicht des Geschäftsführers zur unverzüglichen Einreichung einer aktuellen Gesellschafterliste und deren höchstpersönlicher Charakter nichts. Denn der Geschäftsführer wird bei Erstellung der Liste und Einreichung als Organ der Gesellschaft tätig, gegen die der Anspruch auf Korrektur der Liste gerichtet ist.

Das Vorbringen der Parteien in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht gegeben sind.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 29.06.2022, 4 U 214/21.

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Insolvenzrecht – Haftung des Gesellschafters mit Einzahlung Stammkapital

Insolvenzrecht – Haftung des Gesellschafters mit Einzahlung Stammkapital

Hintergrund

Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter die Nachzahlung einer Stammeinlage in Höhe von € 12.500,00 von dem Beklagten. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH. Die Schuldnerin stellte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der am 16.04.2020 bei Gericht einging. Das Amtsgericht eröffnete infolgedessen das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 05.06.2020 und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 07.05.1999 wurde die Schuldnerin gegründet und mit einem Stammkapital von € 25.000,00 ausgestattet. Der Beklagte war ein Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin. Ausweislich Nr. 2 der Gründungsurkunde § 3 der Satzung und der Gesellschafterliste übernahmen zunächst ein Herr H. eine Stammeinlage in Höhe von € 15.000,00 und der Beklagte eine Stammeinlage in Höhe von € 10.000,00. Ausweislich der Nr. 4 des Schreibens des Beklagten an das Amtsgericht vom 07.05.1999 hatten H. € 1.500,00 und der Beklagte € 5.000,00 auf die Stammeinlagen eingezahlt.

Weitere Zahlungen auf die Stammeinlagen erfolgten nicht. Mit notariellem Vertrag vom 23.10.2019 verkaufte der Beklagte seinen Geschäftsanteil in Höhe von € 10.000,00 an H. und trat ihn auch an besagten Herrn H. ab. Der Beklagte schied am 23.10.2019 als Gesellschafter aus. Mit Schreiben vom 12.06.2020, 28.01.2021, am 17.09.2021 forderte der Kläger zunächst erfolglos Zahlung in Höhe von € 12.500,00 und von Herrn H., der ausweislich einer Information der Creditreform zahlungsunfähig gewesen war. Mit Einschreiben vom 02.12.2021 wurde Herr H. sein Geschäftsanteil an der Schuldnerin gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG für verlustig erklärt.

Mit Schreiben vom 28.01.2021 forderte der Kläger den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 15.02.2021 erfolglos zur Zahlung in Höhe der Klageforderung auf. Der Kläger meint, er habe Ansprüche auf Zahlung von Stammkapital aus § 16 Abs. 2 GmbHG und § 22 Abs. 1 GmbHG in Höhe von € 12.500,00 gegen den Beklagten. Ferner seien ihm die Kosten für zwei Auskünfte des Einwohnermeldeamts in Höhe von jeweils € 14,95 zu erstatten, die zur Bestimmung der aktuellen Anschrift erforderlich gewesen seien.

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von lediglich € 5.000,00 gegenüber dem Beklagten aus § 22 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO. Für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung haftet gegenüber der Gesellschaft nach § 22 Abs. 1 GmbHG auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt.

Vorausgesetzt ist folglich zunächst, dass ein Gesellschafter nach § 21 GmbHG ausgeschlossen ist. Nach Absatz 1 sind hierfür eine verzögerte Einzahlung und eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erforderlich. Die Aufforderung kann mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen und die Nachfrist müsste mindestens einen Monat betragen. Eine verzögerte Einzahlung ist gegeben, denn sowohl die Einlage des Gesellschafters H. in Höhe von € 7.500,00 als auch die Einlage im Hinblick auf den Beklagten erworbenen Geschäftsanteil in Höhe von € 5.000,00 wurde bisher nicht geleistet. Auch forderte der Kläger zuletzt mit Schreiben vom 17.09.2021 die Zahlung der Einlage. Hierbei drohte er den Ausschluss mit dem Geschäftsanteil an. Ferner wurde in diesem Schreiben, das dem Herrn H. unter dem 18.09.2021 zuging, eine Frist bis zum 29.10.2021 gesetzt. Dies war folglich über einen Monat lang. Dieses Schreiben wurde auch per Einschreiben mit Rückschein versandt.

Da folglich die Voraussetzungen des Abs. 1 vorlagen, erklärte der Kläger wirksam gemäß § 21 Abs. 2 GmbHG nach erfolglosem Ablauf der Frist mittels eingeschriebenen Briefs vom 02.12.2021 den säumigen Gesellschafter H. seines Geschäftsanteils an der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig. Dies hat zur Folge, dass der Gesellschafter H. nach § 21 Abs. 3 GmbHG weiterhin für den rückständigen Betrag haftet. Dies ist, da er mittlerweile die Anteile des Beklagten übernommen hat, ein Betrag in Höhe von insgesamt € 12.500,00.

Nach § 22 Abs. 1 GmbHG haftet der Gesellschaft auch der letzte Rechtsvorgänger für die Einlage, mithin der Beklagte.

Die Beschränkung der Haftung nach § 22 Abs. 2 GmbHG auf solche Beträge, die vom Rechtsnachfolger nicht zu erlangen sind, gilt nach dem klaren Wortlaut nur für frühere Rechtsvorgänger nicht für den letzten Rechtsvorgänger.

Die Haftung aus § 22 GmbHG beschränkt sich dem Umfang nach jedoch auf € 5.000,00. Denn in Höhe von € 5.000,00 hat der Beklagte, die auf seinen Geschäftsanteil anfallende Eigentumslage-Verpflichtung nicht erfüllt.

Der Beklagte haftet jedoch nicht nach § 22 GmbHG für die weiteren geltend gemachten € 7.500,00, da er insoweit in Beziehung zu dem reduzierten Geschäftsanteil kein Rechtsvorgänger im Sinne dieser Vorschrift ist. Nach § 22 Abs. 1 GmbHG haftet für eine von dem ausgeschlossenen Gesellschafter nicht erfüllte Einlageverpflichtung der Gesellschaft auch der letzte und jeder frühere Rechtsvorgänger des ausgeschlossenen, der im Verhältnis zu ihr als Inhaber des Geschäftsanteils gilt.

Die Ausschlussfrist von fünf Jahren des Abs. 3 ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt mit dem Tag, ab welchem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Gesellschaftsgesellschaftsanteils gilt. Die Abtretung der Geschäftsanteile von dem Beklagten an den Kläger erfolgte erst 2019.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von € 7.500,00 aus § 24 GmbHG. Der Beklagte haftet deshalb nicht nach 24 GmbHG, weil er kein Gesellschafter im Sinne dieser Vorschrift ist. Der Kläger hat ferner keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von weiteren € 7.500,00 gegen den Beklagten aus den §§ 16 Abs. 1, 14 S. 1 und 2 GmbHG.

Nach § 14 S. 1 und 2 GmbHG ist auf jeden Geschäftsanteil eine Einlage zu leisten, deren Höhe sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils richtet. Vorliegend wurde eine Stammeinlage des Beklagten in Höhe von € 10.000,00 vereinbart, worauf der Beklagte lediglich € 5.000,00 zahlte.

Ein über € 5.000,00 hinausgehender Anspruch auf Zahlung der Einlage des Gesellschafters H., in Höhe von weiteren € 7.500,00 ergibt sich aus § 16 Abs. 3 GmbHG nicht. Dieser regelt nur den Fortbestand der Haftung des Gesellschafters für eigene Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem Erwerber gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG mit dem Wortlaut hinausgehende Auslegung dahin, dass der Veräußerer für fremde, im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht fällige Einlageschulden haften soll, sind nicht ersichtlich. Der Schutzzweck der Vorschrift der darauf gerichtet ist, dass sich der Gesellschafter seiner Haftung für die fälligen, von ihm der Gesellschaft geschuldeten Einlageleistungen nicht durch Veräußerung seines Anteils entziehen können soll, verbietet eine Ausdehnung der Haftung des Veräußerers auf eine fremde Einlage aufkeimende Einlageverpflichtung, die in dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, nicht fällig sind.

Der Zahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten in Höhe von € 5.000,00 ist durch Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft nicht untergegangen. Dies ergibt sich auch aus § 16 Abs. 2 GmbHG. Demzufolge für Einlageverpflichtungen, die in dem Zeitpunkt rückständig sind, ab dem der Erwerber im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, der Erwerber neben dem Veräußerer haftet. Sie haften als Gesamtschuldner. Jedoch war der vorgenannte Betrag und damit auch kein weiterer Betrag von € 7.500,00 nicht rückständig im Sinne des § 16 Abs. 2 GmbHG.

Rückständig in diesem Sinne sind die bis zum Zeitpunkt der Eintragung des neuen Gesellschafters in die Gesellschafterliste fällig gewordenen und noch nicht erfüllten Leistungen auf den Geschäftsanteil. Die vorgenannten Einlageverpflichtungen in Höhe von € 5.000,00 und € 7.500,00 waren jedoch noch nicht fällig geworden. Die Satzung der Schuldnerin enthielt keine Fälligkeitsbestimmung. Der Restbetrag der Einlage wird in Ermangelung einer abweichenden Satzungsbestimmung erst dann fällig, wenn die Gesellschafter deren Einforderung beschließen. Einen Einforderungsbeschluss für die noch offene Resteinlageforderung haben die Gesellschafter der Schuldnerin nicht gefasst und der Beklagte ist bereits mit dem 23.10.2019 als Gesellschafter aus der Schuldnerin ausgeschieden.

LG Essen, Urteil vom 11.08.2022, AZ: 6 U 83/22

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Insolvenzrecht - OLG Düsseldorf: Zur Behandlung von Darlehen mittelbarer Gesellschafter in der Insolvenz

Insolvenzrecht - OLG Düsseldorf: Zur Behandlung von Darlehen mittelbarer Gesellschafter in der Insolvenz

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 23.05.2022 (12 U 42/21) darauf hingewiesen, dass Darlehen von Unternehmen, die mit dem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden sind, wie Gesellschafterdarlehn behandelt werden können.

Mittelbare Beteiligung an Schuldner und Darlehensgeber

Vorliegend war der mittelbare Mehrheitsgesellschafter der Schuldnerin gleichzeitig auch mittelbarer Mehrheitsgesellschafter der Darlehensgeberin. Unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung (BGH vom 25.06.2020, IX ZR 243/18) stellt der Senat fest, dass in einer solchen Situation der Darlehensgeber zumindest dann der Regelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterfällt, wenn der mittelbare Gesellschafter eine maßgebliche Beteiligung an der Darlehensgeberin hält und Kraft seiner Mehrheitsbeteiligung Einfluss auf die Rückgewährung des Darlehensbetrages nehmen kann.

Rückzahlung des Darlehens innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO

Die Schuldnerin hatte hier den Darlehensbetrag innerhalb des letzten Jahres vor Stellung des Insolvenzantrags im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zurückgezahlt. Aufgrund seiner maßgeblichen Beteiligung an der darlehensgebenden Gesellschaft wurde der mittelbare Gesellschafter gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einem direkten Gesellschafter gleichgestellt und musste den Betrag an die Insolvenzmasse zurück gewähren.

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Insolvenzrecht – Keine Haftung des Wirtschaftsprüfers der P&R-Gesellschaften

Insolvenzrecht – Keine Haftung des Wirtschaftsprüfers der P&R-Gesellschaften

Der Abschlussprüfer der deutschen P&R Vertriebsgesellschaften haftet Anlegern wegen der Erstellung der Jahresabschlussprüfung nicht auf Schadensersatz aus „Prospekt- oder Expertenhaftung“. (OLG München, Beschluss vom 21.04.2022 – 8 U 4257/21)

Hintergrund

Die Kläger hatten von deutschen Vertriebsgesellschaften, der so genannten P&R-Gruppe als Kapitalanlage Seefrachtcontainer gekauft. Im Gegenzug sollten feste Mietzinszahlungen erfolgen und es wurde ein bestimmter Rückkaufpreis in Aussicht gestellt. Der beklagte Wirtschaftsprüfer hatte für die Vertriebsgesellschaften jeweils Prüftestate über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts erteilt. In einer Informationsbroschüre für eine der Vertriebsgesellschaften fand sich ein Passus, wonach „unabhängige Wirtschaftsprüfer den Vertriebsgesellschaften die vollständige Vertragsabwicklung für die Containerinvestitionen testierten und die Vertriebsgesellschaft diese bewährte Abwicklung eins zu eins übernehme, so dass auch für dieses neue Konzept die gleiche gute Performance sichergestellt sei“. Über die Vermögen der Gesellschaften wurden keine drei Jahre nach dem Kauf die Insolvenzverfahren eröffnet. Hierbei haben Kläger und Anleger einen Großteil ihrer Investitionen verloren.

OLG München weist Berufung der Kläger zurück

Das OLG München hat die Berufung der Kläger, die erstinstanzlich vor dem Landgericht Landshut unterlegen waren, mit Beschluss zurückgewiesen. Das Gericht schloss in seiner Entscheidung zunächst spezialgesetzliche Prospekthaftungsansprüche aus § 306 KAGB mangels zeitlicher Anwendbarkeit der entscheidenden Regelung ebenso aus, wie eine Haftung nach richterrechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinne. In § 306 KAGB ist die Prospekthaftung und Haftung für die wesentlichen Anlegerinformationen geregelt. Sind in dem Verkaufsprospekt Angaben, die für die Beurteilung der Anteile oder Aktien von wesentlicher Bedeutung sind unrichtig oder unvollständig, so kann der Käufer von der Verwaltungsgesellschaft, von denjenigen, die neben der Verwaltungsgesellschaft für den Verkaufsprospekt die Verantwortung übernommen haben, oder von denen der Erlass des Verkaufsprospekts ausgeht und von demjenigen, der diese Anteile oder Aktien im eigenen Namen gewerbsmäßig verkauft hat, als Gesamtschuldner die Übernahme der Anteile oder Aktien gegen Erstattung des von ihm gezahlten Betrages verlangen. Diese spezialgesetzlichen Prospekthaftungsansprüche sind im vorliegenden Fall nach Ansicht der Münchner Richter nicht gegeben. Letzteres bereits deshalb, weil es sich bei dem Containerkauf nicht um einen Beitritt zu einer Gesellschaft handele und es deshalb an einer gemeinsamen unternehmerischen Tätigkeit der Anleger fehle.

Auch Schadensersatzansprüche aus allgemeiner Prospekthaftung wurden verneint. Zwar sei die vom Wirtschaftsprüfer verwendete Informationsbroschüre als Prospekt im Sinne der Rechtsprechung des BGH zu werten. Eine allgemeine Vertrauenshaftung des Wirtschaftsprüfers scheitere jedoch daran, dass dieser selbst keine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und ordnungsgemäße Erfüllung des Vertrags zwischen den Anlegern und den Vertriebsgesellschaften übernommen habe. Ihn treffe daher keine eigene Aufklärungspflicht, da das Vertragskonstrukt und dessen Risiken selbst betreffen. Auch sei der Beklagte nicht als Vertreter der Vertriebsgesellschaften aufgetreten, habe also keinen unmittelbaren Kontakt zu den Anlegern gehabt und auch sonst wäre es nicht zu einer Beeinflussung der Vertragsverhandlungen aufgrund eines von dem Beklagten in Anspruch genommenen persönlichen Vertrauens gekommen.

Das Gericht beleuchtete auch eine allgemeine sog. Expertenhaftung, die letztlich verneint wurde. Ein Experte hafte vertragsfremden Dritten nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nämlich nur bei Inanspruchnahme eines konkreten Vertrauens, woran es hier fehlen würde. Die zitierte Passage in der Informationsbroschüre genüge hierfür ersichtlich nicht. So war der Beklagte nicht einmal namentlich genannt und hatte zudem lediglich die Jahresabschlüsse testiert, nicht aber den Prospekt selbst. Der Beklagte hatte daher auch ein Prospektprüfungsgutachten erstattet. Auch lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die vorgenommene Prüfung auch im Interesse bestimmter Dritter durchgeführt werden sollte.

Da mögliche deliktische Ansprüche nach Ansicht des OLG München jedenfalls an der so genannten haftungsbegründenden Kausalität und an prozessualen Gegebenheiten scheiterten, wiesen die Münchner Richter die Berufung der Kläger im Ergebnis zurück.

Da die Revision zum BGH zugelassen wurde, bleibt es den Karlsruher Richtern vorbehaltenn, den gegenständlichen Fall neu zu entscheiden. Hierin liegt auch eine Chance, dass Anleger und damit Geschädigte in dem Insolvenzverfahren über die P&R Container den Wirtschaftsprüfer der deutschen P&R-Gesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könnten. So scheint die Meinung des OLG München in Bezug auf das Nichtvorliegen einer etwaigen Prospekt- oder Expertenhaftung zumindest nicht in Stein gemeißelt. Auch halten wir die Ausführungen der Münchner Richter zur fehlenden haftungsbegründeten Kausalität für nicht ausreichend. Insbesondere werden diese nicht den Maßstäben des BGH gerecht.

Geschädigte Anleger sollten daher prüfen, ob sie nicht rein vorsorglich den Wirtschaftsprüfer der deutschen P&R-Gesellschaften auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Angelegenheit noch vor dem höchsten deutschen Zivilgericht entschieden wird (BGH, kein Datum verfügbar, VII ZR 97/22).

Unsere auf das Insolvenzrecht spezialisierten Anwälte beraten Sie zur Möglichkeit der Geltendmachung von etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den Abschlussprüfer der deutschen P&R-Gesellschaften umfassend und kompetent.


Insolvenzrecht – Deliktische Haftung des Geschäftsführers wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht

Insolvenzrecht – Deliktische Haftung des Geschäftsführers wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht

Hintergrund

Der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 19.11.2019 – II ZR 53/18 – über den Fall eines Neugläubigerschadens im Rahmen einer Insolvenz zu entscheiden. Dabei stellte sich die Frage, inwieweit ein Geschäftsführer einer Gesellschaft für den Schaden eines Vertragspartners haftet, wenn zwar die Gesellschaft in der Vergangenheit insolvent war, aber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem Gläubiger einen Insolvenzgrund aufgrund der Erholung der Gesellschaft nicht mehr vorlag.

BGH – Haftung des Geschäftsführers auch in Zukunft gegenüber einem Neugläubiger

Der BGH betonte, dass es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. Da es sich bei einer Insolvenzverschleppung um ein Dauerdelikt handelt, müssen deren objektive und subjektive Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses noch vorliegen. Der klagende Neugläubiger musste daher beweisen, dass ein Insolvenzgrund noch im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlag. Er konnte nicht pauschal darauf verweisen, dass die Insolvenz bereits in der Vergangenheit einmal eingetreten war. Die Karlsruher Richter zeigen in ihrer Entscheidung auf, wie dem Neugläubiger dieser Nachweis möglich ist. So gilt nach der Rechtsprechung der Nachweis im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses bei relativ zeitnah erteilten Aufträgen als geführt. Ein zeitlicher Zusammenhang von neun Monaten bis zu einem Jahr reicht hierfür aus. In diesem Fall muss der Geschäftsführer darlegen und beweisen, dass im Zeitpunkt der Auftragserteilung zum Beispiel eine Überschuldung nachhaltig beseitigt und damit die Antragspflicht entfallen war.

Die Entscheidung zeigt, dass in einem Neugläubiger für den Geschäftsführer ein enormes Haftungsrisiko liegen kann. Insbesondere handelt es sich in Fällen wie diesem um eine Haftung aus unerlaubter Handlung, weshalb der Neugläubiger in einem etwaigen Insolvenzverfahren über die Gesellschaft die Versagung der Restschuldbefreiung verlangen kann. So ist dem Geschäftsführer der Weg verwehrt, sich seiner Haftung durch ein eigenes Insolvenzverfahren zu entziehen.

Bei Fragen zur Geschäftsführerhaftung und Insolvenzverschleppung stehen Ihnen unsere auf das Insolvenzrecht spezialisierten Anwälte mit ihrer langjährigen Erfahrung kompetent zur Verfügung.


Insolvenzanfechtungsrecht - Neuigkeiten im Insolvenzverfahren der P & R Container

Insolvenzanfechtungsrecht - Neuigkeiten im Insolvenzverfahren der P & R Container

Zum 31.12.2021 erhielten zahlreiche Anleger der P & R Container Vertriebs und Verwaltungs- GmbH Mahnbescheide vom Insolvenzverwalter der P & R sofern sie vorab keine Hemmungsvereinbarung unterschrieben hatten. Dies hat den Hintergrund, dass die Insolvenzverwalter gegenüber den Anlegern Insolvenzanfechtungsansprüche aus Schenkungsanfechtung gemäß § 134 InsO durchsetzen möchten und zum 31.12.2021 Verjährung eingetreten wäre. Die Insolvenzverwalter sind daher im Vorfeld auf die Anlieger zugegangen und haben darum gebeten, dass diese eine Verjährungshemmungsvereinbarung unterzeichnen. Dies um eine Hemmung der Verjährung der Ansprüche so lange zu erreichen, bis die Pilotverfahren abgeschlossen und die Angelegenheit höchstrichterlich entschieden wurde. Gegen die Mahnbescheide wurden dann in aller Regel Widersprüche eingelegt. Anstatt einer Anspruchsbegründung haben die Insolvenzverwalter nun zu den erstinstanzlichen Gerichten, an die das Verfahren vom zentralen Amtsgericht Coburg als Mahngericht abgegeben wurde, erneute Verjährungshemmungsvereinbarungen übermittelt, damit die Anleger diese unterzeichnen. Angeblich hätte man die entsprechende Anspruchsbegründung bereits im Entwurf vorliegen. Um den Anlegern aber entgegenzukommen, würde man nochmal die Möglichkeit eröffnen, eine Verjährungshemmungsvereinbarung abzuschließen, um den Ausgang der Pilotverfahren abzuwarten.

In unserer Kanzlei haben wir unseren Mandanten ausdrücklich davon abgeraten, eine Verjährungshemmungsvereinbarung zu unterzeichnen. Dies würde den Insolvenzverwaltern nur in die Karten spielen. So sind die Insolvenzverwalter nun gezwungen, ihren Anspruch zu begründen und erstinstanzliche Verfahren durchzustreiten. Die Insolvenzverwalter begründen ihren Insolvenzanfechtungsanspruch insbesondere mit § 134 InsO und tragen vor, dass sämtliche Zahlungen der Schuldnerin an die Anleger als unentgeltliche Leistungen gemäß § 134 InsO anfechtbar wären. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen der Schenkungsanfechtung sind nicht gegeben. Nach dem Inhalt des zwischen den Insolvenzverwaltern und den Anlegern geschlossenen Kauf- und Verwaltungsvertrag kann weder im Hinblick auf den von dem Anleger erhaltenen Rückkaufpreis noch auf die Tagesmietzinsen eine unentgeltliche Leistung angenommen werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 20.05.2021 – 5 U 747/20; OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 20.10.2021 – 3 U 18/20; OLG Hamm, Urteil vom 15.06.2021 – I-27 U; LG Karlsruhe, Urteil vom 10.07.2020, 20 O 42/20; LG Bochum, Urteil vom 04.09.2020, I-2 O 724/20; Landgericht Stuttgart, Urteil vom 08.10.2020 – 27 O 34/20; Landgericht Saarbrücken, Urteil vom 24.06.2021 – 4 O 52/20). Weiter sind auch die Voraussetzungen der übrigen Insolvenzanfechtungstatbestände nicht gegeben, weshalb der geltend gemachte Insolvenzanfechtungsanspruch der Insolvenzverwalter nicht durchsetzbar ist.

Wir raten daher davon ab, etwaige Verjährungshemmungsvereinbarungen zu unterzeichnen.

Unsere auf das Insolvenzrecht spezialisierte Kanzlei steht Ihnen bei der Abwehr von Insolvenzanfechtungsansprüche im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der P & R Container Verwaltungs- GmbH kompetent zur Verfügung.


Insolvenzrecht - Insolvenzantragspflicht bei Führungslosigkeit einer englischen Limited

Insolvenzrecht - Insolvenzantragspflicht bei Führungslosigkeit einer englischen Limited

§ 15 Abs. 3 InsO ist auf eine englische Limited nicht anwendbar (KG Berlin, Urteil vom 10.08.2022 – 4161 Ss 104/22).

§ 15 a Abs. 3 InsO besagt, dass im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft oder jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet ist, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

Hintergrund

Das AG Berlin-Tiergarten hat den Angeklagten mit Strafbefehl vom 07.03.2019 wegen Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 50,00 verurteilt. Der Strafbefehl ging von folgendem Sachverhalt aus: Der Angeklagte war seit der Gründung bis zu ihrer Abberufung am 30.06.2015 Direktor der im Handelsregister des AG C. unter HRB XX eingetragenen V Limited, zuletzt geschäftsansässig X. Nach seiner Abberufung als Direktor war die Gesellschaft führungslos. Er war jedoch Geschäftsführer der F-UG, der einzigen Gesellschafterin der V Limited. Der Angeklagte wusste, dass die V Limited spätestens seit dem 27.05.2016 zahlungsunfähig war, da die Gesellschaft ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Sozialversicherungsbeiträge der bei der Gesellschaft beschäftigten abführen konnte. Als gesetzlicher Vertreter der Gesellschafterin der V Limited war der Angeklagte gemäß § 15 a Abs. 1 InsO verpflichtet, bei deren Zahlungsunfähigkeit ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit – hier spätestens am 17.06.2016 – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zu beantragen. Entgegen dieser Pflicht beantragte der Angeklagte zu keiner Zeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Gegen den Strafbefehl hat der Angeklagte Einspruch eingelegt, den er in der Hauptverhandlung auf die Tagessatzhöhe beschränkt hat. Das AG hat daraufhin mit Urteil vom 21.08.2019 die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf € 20,00 herabgesetzt und dem Angeklagten Ratenzahlung bewilligt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hin hat das LG Berlin die Beschränkung des Einspruchs für unwirksam erachtet, das angefochtene Urteil aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision.

Revision Staatsanwaltschaft ohne Erfolg

Das Kammergericht Berlin ist der Auffassung, dass das LG zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Beschränkung eines Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch oder Teile des Rechtsfolgenausspruchs unwirksam ist, wenn der zugrunde liegende Schuldspruch auf einem nach den Feststellungen tatsächlich nicht strafbaren Verhalten beruht (vgl. BGH 02.12.2015 – 2 SDR 258/15). Das LG hat diesen Grundsatz vorliegend auch zu Recht angewandt, da das dem Angeklagten zur Last gelegte Verhalten nicht strafbar ist. § 15 a Abs. 3 InsO und damit auch die Strafnorm des § 15 a Abs. 4 bis Abs. 6 InsO ist auf eine Limited nach englischem Recht nicht anwendbar. Der Senat folgt damit der herrschenden Auffassung im Schrifttum. Der Gegenansicht ist zwar einzugestehen, dass der Gesetzgeber mit zumindest § 15 a Abs. 1 InsO auch Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland erfassen wollte. Einer Übertragung dieser Ausweitung auf § 15 a Abs. 3 InsO steht jedoch der eindeutige, von Abs. 1 abweichende und auf Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaften und Genossenschaften beschränkte Wortlaut der Norm entgegen. Eine Auslegung von § 15 a Abs. 3 InsO dahin, dass der Begriff der Gesellschaft mit beschränkter Haftung auch Auslandsgesellschaften für vergleichbare Rechtsstruktur wie die englische Limited erfasse, überschreitet die Wortlautgrenze. Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 wurde sowohl die Regelung der Insolvenzantragspflicht des § 15 a InsO als auch die Regelung des Insolvenzantragsrecht bei Führungslosigkeit in § 15 a Abs. 1 S. 2 InsO in die Insolvenzordnung eingefügt. Wenn der Gesetzgeber bei einer solchen einheitlichen Regelung sowohl in § 15 a Ab. 1 S. 2 InsO als auch in § 15 Abs. 1 InsO jeweils von juristischen Personen spricht, in § 15 Abs. 3 InsO hingegen enumerativ nur von der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft, ist auch, wenn die Gesetzesmaterialien zu den Gründen der Differenzierung schweigen, auszuschließen, dass in § 15 a Abs. 3 InsO andere als die dort mit ihren jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Bezeichnungen ausdrücklich angeführten juristischen Personen gemeint sein könnten und insbesondere der Begriff der Gesellschaft mit beschränkter Haftung als Gattungsbegriff verwandt worden ist.

In unserer auf das Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen insbesondere hinsichtlich der bestehenden Insolvenzantragspflicht sowie auch der Abwehr unberechtigt gestellter Insolvenzanträge kompetent zur Verfügung.


Schadensrecht - OLG Oldenburg zur Betriebsgefahr eines Rettungswagens

Schadensrecht - OLG Oldenburg zur Betriebsgefahr eines Rettungswagens

Ein Rettungsdienst muss einer Radfahrerin € 2.400,00 Schmerzensgeld zahlen (OLG Oldenburg, Urteil vom 17.05.2022 – 2 U 20/22).

Ein Fahrer eines Rettungsdienstes wollte während eines Einsatzes in Ostfriesland mehrere Radfahrer überholen. Zwar war das Martinshorn eingeschaltet, aber es war zu wenig Platz. Eine 72-jährige stieg dabei von ihrem Rat ab, fiel und brach sich den Knöchel.

Nachdem das Landgericht die Haftung des Rettungsdienstes noch ablehnte, hatte die Berufung vor dem OLG Erfolg. Das OLG ist laut Pressemitteilung der Ansicht, dass sich die Betriebsgefahr des Rettungswagens verwirklicht habe, auch wenn es nicht zu einer Kollision kam. Schließlich habe der Rettungswagen zum Unfall beigetragen, indem er das Ausweichmanöver und das Absteigen der Frau veranlasst hat. Die Frau habe die Verkehrslage zu Recht als gefährlich empfunden und sei deswegen abgestiegen. Das OLG stufte daher die Betriebsgefahr mit einer Haftungsquote von 20 % ein und sprach der Radfahrerin € 2.400,00 Schmerzensgeld zu. Darüber hinaus erhalte sie auch ihre materiellen Schäden zu 20 % ersetzt, ebenso wie die Rechtsanwaltskosten.


Maklerrecht - Keine Provision für Immobilienmakler

Maklerrecht - Keine Provision für Immobilienmakler

Eine Maklerin muss auf ihre Provision in Höhe von rund € 15.000,00 verzichten, da sie eine Kundin falsch über ihr Widerrufsrecht belehrt hat. Widerrufsbelehrungen helfen nicht, wenn eine davon falsch ist, urteilte das Landgericht Nürnberg-Fürth (AZ.: 14 O 1492/22).

Die Maklerin war mit dem Verkauf einer Eigentumswohnung beauftragt worden und hatte diese unter anderem auf einer Internetplattform für Immobilien installiert. Über dieses Portal meldete sich die spätere Käuferin und bekundete Interesse. Sie erhielt daraufhin von der Maklerin ein Exposé für die Wohnung sowie eine Widerrufsbelehrung. Allerdings enthielt diese weder das gesetzlich vorgeschriebene Musterwiderrufsformular noch eine Telefonnummer der Maklerin. Die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft und dies habe zur Folge, dass die Widerrufsfrist von 14 Tagen nicht zu laufen beginne, so das Gericht. Dies führte auch dazu, dass die Kundin den Vertrag mit der Maklerin nach dem Kauf der Wohnung wirksam widerrufen konnte und die Maklerprovision nicht fällig wurde. Daran ändert auch nichts, dass die Kundin nach Ansicht der Maklerin eine zweite, korrekte Widerrufsbelehrung durch das Immobilienportal erhalten hatte. Es könne nicht nachgewiesen werden, dass die Kundin diese Widerrufsbelehrung tatsächlich erhalten habe. Denn erstens, so das Gericht, könne nicht nachgewiesen werden, dass die Kundin diese Widerrufsbelehrung tatsächlich erhalten habe. Und zweitens führten die Abweichungen zwischen beiden Belehrungen dazu, dass es insgesamt an der vom Gesetzgeber geforderten unmissverständlichen Belehrung fehlt.

Die Klage der Maklerin auf ihr Honorar wurde daher zurückgewiesen.

Die Entscheidung zeigt erneut, wie wichtig es ist, von Anfang an eine formell und inhaltlich wirksame Widerrufsbelehrung an die Interessenten zu übermitteln. Selbst wenn der Kunde bestätigt, dass der Makler sofort für ihn tätig werden soll und dadurch sein Widerrufsrecht vorzeitig erlischt, ändert das nichts an der Möglichkeit des Widerrufs. Durch eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung des Maklers wird diese Klausel einfach ausgehebelt.

Informiert ein Immobilienmakler seinen Kunden falsch, dann verlängert sich die Widerrufsfrist von 14 Tagen auf zwölf Monate und 14 Tage. Die Beauftragung des Maklers darf also nicht länger als ein gutes Jahr zurückliegen.

Unsere auf das Maklerrecht spezialisierten Anwälte stehen Ihnen hinsichtlich der Geltendmachung Ihres Provisionsanspruchs sowie auch bei der Abwehr unberechtigt geltend gemachter Provisionsansprüche gerne zur Verfügung.


Arbeitsrecht - EuGH stärkt Recht auf Urlaub

Arbeitsrecht - EuGH stärkt Recht auf Urlaub

Urlaubsansprüche verjähren nur, wenn der Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch unterrichtet wurde. Das nationale Verjährungsrecht ist in diesem Sinne auszulegen, urteilte der EuGH.

Wenn ein Arbeitgeber, die Arbeitnehmer nicht auf den möglichen Verfall von Urlaub hingewiesen hat, kann ein Urlaubsanspruch nicht verjähren. Die deutschen Regelungen zur Verjährung sind insoweit unionsrechtswidrig. Denn ein Arbeitgeber, der seine Hinweispflichten verletzt, dürfe nicht noch mit der Verjährung belohnt werden, urteilte der EuGH (Urteil vom 22.09.2022 – C-120/21).

Hintergrund

Eine vormals in einer Kanzlei tätige Steuerfachangestellte klagte auf Urlaubsabgeltung der Vorjahre. Sie war von 1996 bis Juli 2017 beschäftigt und konnte den ihr zustehenden Urlaub aufgrund ihres großen Arbeitsvolumens nicht vollständig nehmen. Die Hinweismitwirkungsobliegenheiten, dass der Urlaub verfallen kann, wenn die Angestellte ihn nicht nimmt, hatte Ihr Arbeitgeber indes nicht erfüllt. Als die Mitarbeiterin 2018 die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich Ihr Arbeitgeber auf die Verjährung dieser Ansprüche.

Während das erstinstanzlich erkennende Arbeitsgericht Solingen die Klage hinsichtlich der nach nationalen Recht verjährten Ansprüche abwies, gab das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Klägerin recht. Auf die arbeitgeberseitige Revision hin legte das BAG dem EuGH die Sache zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH sollte klären, ob das Unionsrecht die Verjährung des Urlaubsanspruchs gemäß der §§ 194 Abs. 1, 195 BGB trotz Verletzung der Hinweispflichten gestattet. Das BAG betonte, dass die Anspruchsverjährung auch Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Zieles sei, Rechtsfrieden und Sicherheit herzustellen und daher auch aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abzuleiten sei.

EuGH-keine Belohnung für Pflichtverletzung

Der EuGH bestätigte zwar, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, nicht mit Anträgen auf Urlaub oder finanzieller Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub konfrontiert werden zu müssen, die auf mehr als drei Jahre vor Antragstellung erworbene Ansprüche gestützt werden. Allerdings sei dieses Interesse nicht mehr berechtigt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor nicht in die Lage versetzt habe, den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen. Denn dadurch habe er sich selbst in eine Situation gebracht, in der er mit solchen Anträgen konfrontiert werde und überdies zulasten des Arbeitnehmers Nutzen ziehen könnte. Daher stehe das nationale Verjährungsrecht Deutschlands den Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie entgegen, wenn dies zum Urlaubsverfall beim nicht aufgeklärten Arbeitnehmer führt.

Nach dem EuGH ist also die positive Kenntnis über die Rechtslage notwendig, damit die Verjährung zu laufen beginnt. Die Kenntnis der tatsächlichen Umstände allein reicht nicht aus. Der EuGH hat mit diesem Urteil erneut seine Rechtsprechung verstärkt und betont seit jeher, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub als wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union zwingenden Charakter genießt (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16). Einschränkungen daran sind grundsätzlich unzulässig.

In unserer auf das Arbeitsrecht spezialisierten Kanzlei stehen wir Ihnen hinsichtlich der Frage, ob Ihre Urlaubsansprüche bereits verjährt sind oder nicht, kompetent zur Verfügung.