Arbeitsrecht - BAG zu unwirksamer Kündigung - Arbeitgeber bei widersprüchlichem Verhalten im Annahmeverzug
Ist ein Weiterbeschäftigungsangebot offensichtlich nicht ernst gemeint, kann ein Arbeitgeber in Annahmeverzug geraten. Seine Arbeit anbieten muss der Arbeitnehmer dann nicht mehr. Das hat das BAG am letzten Mittwoch entschieden.
Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis fristlos, weil er meint, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihm nicht zuzumuten, bietet aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen während des Kündigungsschutzprozesses an, verhält er sich widersprüchlich und gerät ohne Arbeitsangebot des Arbeitnehmers in Annahmeverzug. Das hat das BAG mit Urteil vom 29.03.2023 – 5 AZR 255/22 – entschieden.
In dem zu entscheidenden Fall geht es um einen Mann, der als technischer Leiter bei dem beklagten Unternehmen beschäftigt gewesen war. Im Dezember 2019 hat der Arbeitgeber eine fristlose Änderungskündigung ausgesprochen, mit der ihm einen neuen Arbeitsvertrag als Softwareentwickler gegen eine geringere Vergütung angeboten hatte. In dem Kündigungsschreiben hieß es: „Im Falle der Ablehnung der außerordentlichen Kündigung durch Sie (also im Falle, dass Sie von einem unaufgelösten Arbeitsverhältnis ausgehen) oder im Falle der Annahme des folgenden Angebots erwarten wir Sie am 05.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr zum Arbeitsantritt.“
Nachdem der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt hatte und auch nicht zur Arbeit erschienen war, hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut und zwar außerordentlich zum 17.12.2019 um 12:00 Uhr gekündigt. Ferner hatte er darauf hingewiesen: „Im Falle der Ablehnung dieser außerordentlichen Kündigung erwarte er den Mann am 17.12.2019 spätestens um 12:00 Uhr zum Arbeitsantritt.“ In dem folgenden Kündigungsschutzprozess wurde dann rechtskräftig festgestellt, dass beide Kündigungen das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst haben.
Da der Arbeitgeber für den Monat Dezember nur noch einen Bruchteil der Vergütung gezahlt hatte und der Arbeitnehmer erst zum 01.04.2020 ein neues Arbeitsverhältnis begründen konnte, erhob der Arbeitnehmer Klage auf die vertraglich vereinbarte Vergütung wegen Annahmeverzuges bis zum Antritt der neuen Beschäftigung. Eine Weiterbeschäftigung zu geänderten oder auf den ursprünglichen Arbeitsbedingungen sei ihm, sofern der Arbeitgeber dies überhaupt ernsthaft angeboten habe, nicht zuzumuten gewesen. Der Arbeitgeber habe ihm zur Begründung der fristlosen Kündigungen zu Unrecht umfangreiches Fehlverhalten vorgeworfen und seine Person herabgewürdigt. Im Verfahren hatte der Arbeitgeber seinerseits eingewandt, die Beschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht mehr zumutbar gewesen.
Die Vorinstanzen waren allesamt der Auffassung, dass der Arbeitnehmer trotz der unwirksamen Kündigungen keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung habe, da er das Angebot des Arbeitgebers, während des Kündigungsschutzprozesses bei ihm weiterzuarbeiten, nicht angenommen habe. Nach Ansicht des BAG befand sich das beklagte Unternehmen aufgrund der unwirksamen fristlosen Kündigungen jedoch im Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots durch den klagenden Mann bedurft hätte. Grund dafür sei das widersprüchliche Verhalten des Arbeitgebers. Dadurch, dass er selbst deutlich gemacht hatte, dass ihm eine Weiterbeschäftigung des Mannes unzumutbar sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er ihm kein ernstgemeintes Angebot einer Weiterbeschäftigung unterbreitet habe. Die Ablehnung eines solchen Angebots lasse nicht auf einen fehlenden Leistungswillen des Arbeitnehmers im Sinne des § 297 BGB schließen, so das Gericht.
In Betracht käme lediglich, dass er sich nach § 11 Nr. 2 KSchG böswillig unterlassenen Verdienst anrechnen lassen müsste. Das scheide im vorliegenden Fall jedoch aus, weil dem Arbeitnehmer aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe und der Herabwürdigung seiner Person eine Prozessbeschäftigung bei der Beklagten unzumutbar gewesen sei, stellte das Gericht fest.
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