Gesellschaftsrecht - FG Münster zur Geschäftsführerhaftung - Haftung der Strohfrau des faktischen Geschäftsführers
Mit Urteil vom 12.08.2022 – 4 K 1469/20 U musste das Finanzgericht Münster über die Frage entscheiden, ob die nominelle Geschäftsführerin, die lediglich Strohfrau des faktischen GmbH-Geschäftsführers ist, nach § 69 AO haftet. In diesem Fall war die Klägerin bis zum Jahr 2017 alleinige Gesellschafterin und die alleinige nominelle Geschäftsführerin und später Liquidatoren dem Jahr 2007 gegründeten T-GmbH. Der Ehemann der Klägerin war alleiniger faktischer Geschäftsführer der T-GmbH. Im April 2013 begann bei der T-GmbH eine Betriebsprüfung betreffend die Umsatzsteuer 2008 bis 2013. Der Prüfer war der Auffassung, dass der Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen zu versagen sei. Wegen der Umsatzsteuer 2010 und Nachzahlungszinsen nahm das Finanzamt die Klägerin mit Haftungsbescheid in Anspruch.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 11.05.2020 setzte das Finanzamt die Haftungssumme herab und wies den Einspruch im Übrigen zurück.
Das FG Münster entschied, dass die Haftungsinanspruchnahme durch Bescheid vom 06.05.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.05.2020 rechtmäßig ist. Das Finanzamt konnte die Haftung dem Grunde und der Höhe nach auf die §§ 191 Abs. 1, 69 AO stützen, insbesondere liegt das hierzu erforderliche grobe Verschulden der Klägerin vor. Das Finanzgericht macht unter anderem folgende Ausführungen:
Gemäß § 69 S. 1 AO haftet die in den §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Zu den potentiellen Haftungsschuldner gehören unter anderem die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen (§ 34 Abs. 1 AO). Die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen haben gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Die Klägerin war als einzige nominelle Geschäftsführerin und spätere Liquidatorin der T-GmbH deren gesetzliche Vertreterin im Sinne des § 34 Abs. 1 S. 1 AO. Die Klägerin hat die Erklärung und Unterrichtungspflichten der T-GmbH betreffend die Umsatzsteuer 2007, für deren Erfüllung sie als alleinige organschaftliche Geschäftsführerin gemäß § 34 Abs. 1 AO steuerrechtlich verantwortlich zeichnete, verletzt. Dass die Klägerin in der T-GmbH nicht tatsächlich die Geschäfte führte, sondern nur als Strohfrau fungierte, ändert an der objektiv vorliegenden Pflichtverletzung nichts. Denn die Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der T-GmbH ergibt sich allein aus der nominellen Bestellung zum Geschäftsführer. Eine Haftung kommt zwar nur bei gravierenden Sorgfaltspflichtverletzungen in Betracht. Die Übernahme einer Geschäftsführerstellung nur auf dem Papier und ohne irgendeine tatsächliche Einflussnahme auf die Führung der Geschäfte, mithin die vollumfängliche Überlassung und Duldung der Führung der Geschäfte an bzw. durch einen Dritten, begründet eine gravierende Sorgfaltspflichtverletzung.
So haftet auch die lediglich als Strohfrau agierende Geschäftsführerin im steuerrechtlichen Sinne der Abgabenordnung.
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