OLG Brandenburg: Anordnung eines vorläufigen Tätigkeitsverbots als Geschäftsführer einer GmbH
Ob ein Gesellschafter überhaupt befugt ist, im Wege der actio pro socio Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Fremdgeschäftsführer geltend zu machen, ist umstritten. Bejaht man die Möglichkeit einer actio pro Solution einer solchen Konstellation, setzt diese eine erforderliche Dringlichkeit im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung voraus.
OLG Brandenburg, Urteil vom 10.11.2021 – 4 U 97/21
Hintergrund
Der Verfügungskläger begehrt, dem Verfügungsbeklagten die Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH (X) im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig zu untersagen. Die X wurde Ende 2011 gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist der Erwerb, der Verkauf, das Halten von und der Handel mit eigenen Grundstücken einschließlich aller damit zusammenhängenden Tätigkeiten. Gemäß Nr. 6.2 des Gesellschaftsvertrages werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst. Der Verfügungskläger war mit einem Gesellschaftsanteil von 80 % Mehrheitsgesellschafter der Gesellschaft. Weitere Gesellschafter waren B und C mit einem Gesellschaftsanteil von 10 % bzw. 9 % und D mit einem Gesellschaftsanteil von einem Prozent. Der Verfügungsbeklagte, der in Israel lebt, ist allein vertretungsberechtigter Fremdgeschäftsführer der Gesellschaft ohne Anstellungsvertrag. Im Jahr 2012 erwarb die X ein Grundstück, um dieses mit einer exklusiven Wohnanlage zu bebauen, gemäß § 8 WEG in Wohnungseigentum zu teilen und die zu bildenden Wohnungseigentumseinheiten zu verkaufen. Finanziert wurde das Vorhaben unter anderem durch den Verfügungsbeklagten und weiteren israelischen Mitinvestoren. Am 14.07.2016 verpfändet der Verfügungskläger mit notarieller Vereinbarung seine Geschäftsanteile mit den laufenden Nr. 1-20.000, die er an der X hält, an A. Zuvor hatte die Gesellschaft mit Gesellschafterversammlung vom 04.07.2016 der Verpfändung der Geschäftsanteile mit den laufenden Nr. 1-20.000 an A zugestimmt. Nach § 2 der Vereinbarung erfolgt die Verpfändung zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingter und befristeter Forderungen i.H.v. 6,5 Millionen €, die A und anderen Gläubiger gegen den Verfügungskläger und die Gesellschaft zustehen. Mit zwei notariellen Kaufverträgen übertrug der Verfügungsbeklagte diverse Teile und Wohnungseigentumsrechte der X betreffend das Grundstück zu einem Kaufpreis von 700.00,00 € und 1,9 Million € auf eine eigene, am 24.01.2019 als Alleingesellschafter gegründete GmbH, die Y, deren Geschäftsführer er selbst ist. Eine Zustimmung der X oder ein Gesellschafterbeschluss lag für diese Veräußerung nicht vor.
LG Berlin – Veräußerung und Verfügungsverbot
Mit Beschluss vom 12.06.2020 ordnete das LG Berlin in einem ebenfalls durch den hiesigen Verfügungskläger betriebenen, einstweiligen Verfügungsverfahren ein Veräußerungs- und Verfügungsverbot bezüglich der übertragenen Teil- und Wohneigentumsrechte sowie die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch gegenüber der Erwerberin, der Y, an. Auf Widerspruch des Verfügungsbeklagten hob das LG Potsdam im November 2020 die am 15.07.2020 erlassene, einstweilige Verfügung wegen Ablaufs der Vollziehungsfrist auf, da diese dem Verfügungsbeklagten nicht wirksam zugestellt worden sei. Daraufhin hat der Verfügungskläger im Dezember 2020 erneut den Erlass einer auf ein vorläufiges Tätigkeitsverbot gerichteten, einstweiligen Verfügung, beantragt. Dagegen hat der Verfügungsbeklagte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in Form eines Widerspruchs eingelegt. Das Landgericht hat sodann mit Urteil vom April 2021 die erlassene und einstweilige Verfügung vom Dezember 2020 bestätigt und zur Begründung folgendes ausgeführt:
Ein Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund liegen vor. Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus den §§ 826, 1004 BGB analog und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 266 StGB. Der Verfügungskläger sei als Gesellschafter im Rahmen der actio pro socio befugt, Rechte der Gesellschaft an deren Stelle geltend zu machen, wenn und soweit die Gesellschaft hierzu selbst nicht bereit oder in der Lage sei. Insoweit habe der Verfügungskläger glaubhaft gemacht, dass der Beschluss über die Abberufung des Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer eines einstimmigen Beschlusses bedürfe, mit dem allerdings nicht zu rechnen sei, weil der Minderheitsgesellschafter D mit einem Anteil von 1% Prozent ein langjähriger Geschäftspartner und Freund des Verfügungsbeklagten sei. Der Gesellschaft sei durch das Handeln des Verfügungsbeklagten unstreitig wesentliche Teile ihres Vermögens entzogen worden. Zugleich sei Gesellschaft im Gegenzug für die Eigentumsübertragung keine liquiden Mittel zugeflossen, weil der Kaufpreis im Wege der Aufrechnung mit abgetretenen Darlehensforderungen des Verfügungsbeklagten beglichen worden sein soll. Damit habe der Verfügungsbeklagte die Gesellschaft geschädigt, weil er ihr Vermögen entzogen habe. Die ohne Zustimmung der Gesellschafter erfolgte Übertragung von Grundstücken an seine Gesellschaft und dies zu einem erkennbar zu geringen Kaufpreis verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und sei damit sittenwidrig. Der Verfügungsbeklagte habe damit Gesellschaftsvermögen veruntreut, in dem er bei den Grundstücksübertragungen die ihm eingeräumte rechtliche Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, vorsätzlich missbraucht und dadurch der Gesellschaft Nachteile zugefügt habe Sinne des §§ 266 eins Abs. 1 StGB. Auch ein Verfügungsgrund liege vor, da der Verfügungsbeklagte uneingeschränkte Vertretungsmacht habe durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er dies auch zum existenzgefährdenden Nachteil der Gesellschaft zu nutzen bereit sei.
OLG Brandenburg: Antrag auf Erlass einstweiliger Verfügung unbegründet
Nach Ansicht des OLG Brandenburg kann hier weder der erforderliche Verfügungsanspruch, noch der Verfügungsgrund bejaht werden.
Zwar ist im Gesellschaftsrecht einstweiliger Rechtsschutz gemäß der §§ 935, 940 ZPO zur Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zur Regelung des Zwischenzustandes beim Streit um die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zur Sicherung der Ansprüche und des Vermögens der Gesellschaft als angemessenes Mittel anerkannt, auch zur einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses in gesellschaftsrechtlichen Abberufungskonflikten. Die einstweilige Regelung kann auch die Untersagung der Ausübung von Geschäftsführerbefugnissen umfassen. Allerdings stellt die begehrte Regelungsverfügung inhaltlich einen Fall der Leistungsverfügung dar, damit der begehrten Untersagung der Wahrnehmung der Geschäftsführung durch den Verfügungsbeklagten der Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers vorläufig befriedigt werden soll. Die Unterlassungsverfügung dient damit bereits der Durchsetzung des Anspruchs, sodass für den Erlass der Regelungsverfügung gewichtige Umstände zu verlangen und schon deshalb hohe Anforderungen an das Vorliegen von Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund zu stellen. Für den geltend gemachten Verfügungsanspruch fehlt es dem Verfügungskläger daher an der erforderlichen Aktivlegitimation, da ihm diese Ansprüche gegen den Verfügungsbeklagten weder aus eigenem Recht zustehen, noch er befugt ist, die Ansprüche für die Gesellschaft im Wege der actio pro socio geltend zu machen. Der Verfügungskläger hat gegen den Verfügungsbeklagten keinen eigenen individualrechtlich begründeten Unterlassungsanspruch. Voraussetzung hierfür wäre, dass zwischen den Parteien unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen, gegen die der Verfügungsbeklagte durch sein Handeln als Geschäftsführer der Gesellschaft verstoßen hat. Des Weiteren sprechen gute Gründe gegen die Zulassung eines Vorgehens im Wege der actio pro socio und somit Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Fremdgeschäftsführer geltend zu machen.
Die Entscheidung zeigt deutlich, dass Gesellschafter im Wege der actio pro socio nicht gegen Fremdgeschäftsführer im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens tätig werden können. Die Anordnung eines vorläufigen Tätigkeitsverbots für den Geschäftsführer einer GmbH ist somit für die einfachen Gesellschafter alleine kaum durchsetzbar.
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